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Mordaufrufe gegen Hamed Abdel-Samad

Die deutsche Politik muss Präsident Mursi unter Druck setzen und Facebook die eigenen Löschkriterien überdenken

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Hamed Abdel-Samad

Ägyptische Islamisten haben zur Ermordung von gbs-Beirat Hamed Abdel-Samad ("Der Untergang der islamischen Welt") aufgerufen. Zum Teil stammen die Hetzkampagnen gegen den deutsch-ägyptischen Politologen und Islamkritiker, der sich zurzeit in Kairo aufhält, aus dem direkten Umfeld des ägyptischen Staatspräsidenten Mohammed Mursi. Die Giordano-Bruno-Stiftung fordert daher die Verantwortlichen der deutschen Politik, insbesondere Bundeskanzlerin Merkel und Bundesaußenminister Westerwelle, auf, den ägyptischen Staatspräsidenten "mit Nachdruck dazu zu bewegen, den Mordaufrufen in aller gebotenen Deutlichkeit entgegenzutreten".

In den letzten Tagen haben mehrere Facebook- und Internetseiten von Muslimbrüdern und Salafisten ein Bild von Hamed Abdel-Samad mit dem Aufruf "Wanted Dead!" veröffentlicht. Am Freitagabend rief zudem Assem Abdel-Maged, einer der Köpfe der militant-islamistischen Bewegung "Dschamaa Islamiya" und einst auch am Attentat auf Präsident Sadat beteiligt, im salafistischen Fernsehsender "Al-Hafez" zur Ermordung des Islamkritikers auf. Seit Tagen schon führen die Salafistensender Al-Nas und Al-Hafez eine regelrechte Hetzkampagne gegen Abdel-Samad durch. Sie werfen ihm vor, den Propheten Mohammed und den Islam beleidigt zu haben. Grund für die Kampagne war ein Vortrag, den der Islamkritiker am vergangenen Dienstag in Kairo über den religiösen Faschismus in Ägypten gehalten hatte.

gbs-Vorstandssprecher Michael Schmidt-Salomon erklärte, dass Religionskritiker zwar immer wieder mit Morddrohungen konfrontiert würden, die aktuellen Aufrufe gegen Hamed Abdel-Samad aber besonders besorgniserregend seien. Er forderte die deutsche Politik, insbesondere Bundeskanzlerin Merkel und Bundesaußenminister Westerwelle, auf, "Präsident Mursi mit Nachdruck dazu zu bewegen, den Mordaufrufen, die zum Teil von seinem eigenen politischen Lager verbreitet wurden, in aller gebotenen Deutlichkeit entgegenzutreten". Zugleich äußerte Schmidt-Salomon sein "Befremden darüber, dass Facebook die Seiten, die den Mordaufruf zustimmend verbreiten, etwa die 'Masrawy-Page' der Muslimbrüder mit ihren mehr als eine Million Followern, trotz mehrfacher Aufforderung nicht sperren will". Es könne, so Schmidt-Salomon, doch nicht sein, "dass Websites gelöscht werden, bloß weil sie einen einzigen nackten Busen zeigten, während eindeutige Mordaufrufe problemlos verbreitet werden dürfen." Die Facebook-Leitung müsse ganz offensichtlich die eigenen Kriterien noch einmal gründlich überdenken.

Hamed Abdel-Samad wurde 1972 in Gizeh (Ägypten) als Sohn eines Imams geboren und gilt heute als einer der profiliertesten Islamexperten im deutschsprachigen Raum. Einer breiten Öffentlichkeit wurde er bekannt als Autor der Bücher "Mein Abschied vom Himmel", "Der Untergang der islamischen Welt" und "Krieg oder Frieden: Die arabische Revolution und die Zukunft des Westens" sowie als einer der beiden Protagonisten der TV-Serie "Entweder Broder – Die Deutschland-Safari".  Kurz vor seiner Abreise nach Kairo nahm Hamed Abdel-Samad als Referent an der "Kritischen Islamkonferenz" teil (siehe hierzu auch sein Interview in der Wochenzeitung "Jungle World"). 2011 wurde er in den Beirat der Giordano-Bruno-Stiftung berufen.

 

Nachträge zu dieser Meldung:

9.6.2013: Spiegel Online greift das Thema als erstes deutsche Medium auf und führt ein Interview mit Hamed Abdel-Samad:
http://www.spiegel.de/politik/ausland/mursi-verbuendeter-mordaufruf-gege...

10.6.2013: Die Proteste zeigen Wirkung: Facebook sperrt die Muslimbrüder-Seite "Masrawy", die die Morddrohung gegenüber Hamed Abdel-Samad verbreitet hatte.

10.6.2013: Die ägyptische Bewegung der "Säkularen" erstattet Anzeige gegen die radikalen Islamisten, die zur Ermordung von Hamed Abdel-Samad aufgerufen haben.

11.6.2013: Markus Löning, der Beauftragte der Bundesregierung für Menschenrechte, verurteilt Mordaufruf gegen Hamed Abdel-Samad: "Islamisten rufen zu Mord an Deutsch-Ägypter auf" (sueddeutsche.de)

11.6.2013: Deutschland fordert die ägyptischen Behörden auf, sich von den Mordaufrufen unmissverständlich zu distanzieren und die Sicherheit von Hamed Abdel-Samad zu gewährleisten: "Bundesregierung verurteilt Drohung von Islamisten" (stern.de)

11.6.2013: Das ARD-Studio in Kairo veröffentlicht eine deutsche Übersetzung des im Fernsehsender "Al-Hafez" ausgestrahlten Mordaufrufs: "Abdel-Samad hat den Islam ausdrücklich verletzt, für ihn ist der Islam eine schlechte und scheiternde Religion. Er sagt auch, dass der Islam von den Menschen gemacht ist und dass er eine Bewegung in Mekka war, die sich Islam genannt hat. Er denkt, der Islam ist wie eine Koalition der Revolutionäre, die freitags demonstrieren gehen. Er ist nicht unwissend; er leugnet! Er hat sich entschieden, aus dem Islam auszutreten. Das Urteil lautet: Er ist zu töten, selbst wenn er bereut, weil er den Propheten Mohammed verunglimpft hat. Er muss getötet werden und seine Reue wird nicht akzeptiert."
http://www.tagesschau.de/ausland/abdel-samad108.html

12.6.2013: Die Schlagzeile, dass Hamed Abdel-Samad nach den Mordaufrufen untergetaucht sei, erscheint in vielen deutschen Medien. Im Interview mit der "Welt" erklärt er, warum er Ägypten zum gegenwärtigen Zeitpunkt dennoch nicht verlassen will:
http://www.welt.de/print/die_welt/politik/article117045330/Hier-endet-fu...

13.6.2013: In einem Telepolis-Interview erklärt gbs-Beirat Hamed Abdel-Samad, was der Mordaufruf der Islamisten für ihn persönlich bedeutet und warum Saudi-Arabien langfristig noch gefährlicher ist als der Iran:
http://www.heise.de/tp/artikel/39/39315/1.html

14.6.2013: Außenminister Guido Westerwelle verurteilt den Mordaufruf gegen Hamed Abdel-Samad in aller Schärfe:
https://www.facebook.com/westerwelle/posts/10151511051397620

20.6.2013: Das "heute-journal" widmet sich dem Fall in einem ausführlichen Beitrag: 
http://www.heute.de/Leben-ohne-Freiheit-hat-keinen-Sinn-28477774.html

23.6.2013: In der ARD-Sendung "Titel, Thesen, Temperamente (ttt)" wird das erste Fernsehinterview mit Hamed Abdel-Samad nach den Mordaufrufen ausgestrahlt: 
http://www.daserste.de/information/wissen-kultur/ttt/sendung/mdr/sendung...

26.6.2013: Die WELT meldet, dass Hamed Abdel-Samad seine Vortragstermine in Deutschland trotz der Morddrohungen wahrnehmen wird:
http://www.welt.de/regionales/muenchen/article117462481/Politologe-Abdel...

28.6.2013: Im "heute-journal" erklärt Hamed Abdel-Samad, dass Präsident Mursi "Mubarak mit Bart" sei und Ägypten vor einer Zerreißprobe stehe: 
http://www.zdf.de/ZDFmediathek#/beitrag/video/1933116/ZDF-heute-journal-...

30.6.2013: Hamed Abdel-Samad spricht auf der Protestkundgebung gegen Mursi vor der Ägyptischen Botschaft in Berlin.

1.7.2013: Im Deutschlandradio erläutert Hamed Abdel-Samad die Gründe für die massiven Proteste in Ägypten, die Mursi zunehmend unter Druck setzen:
http://www.dradio.de/dkultur/sendungen/thema/2161620/

1.7.2013: In München hält Hamed Abdel-Samad seinen ersten öffentlichen Vortrag nach den Morddrohungen:
http://www.welt.de/politik/ausland/article117623012/Vortrag-trotz-Todesa...