Moses und Luther auf dem Evangelischen Kirchentag in Hannover [1]
Seit 11 Jahren protestiert die Kunstaktion »11. Gebot« gegen die staatliche Subventionierung christlicher Glaubensfeste

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2017 traten Luther und Moses erstmals gemeinsam beim Evangelischen Kirchentag in Berlin auf (Foto: gbs)
Der evangelische Kirchentag in Hannover erhält prominenten geistlichen Besuch: Mit der Skulptur des Moses, der auf das »11. Gebot« hinweist (»Du sollst deinen Kirchentag selbst bezahlen!«), und dem »nackten Luther«, der den eliminatorischen Judenhass des Reformators aufdeckt, setzt die gbs-Kunstaktion »11. Gebot« abermals einen Kontrapunkt zum christlichen Glaubensfest. Die Skulpturen werden während des gesamten Kirchentags, von Mittwoch bis Sonntag, in Hannover zu sehen sein.
Es ist ein besonderes »Jubiläum«: Schon zum 11. Mal besucht das von David Farago geleitete Aktionsteam »11. Gebot« einen evangelischen, katholischen oder ökumenischen Kirchentag. An der öffentlichen Subventionierung dieser christlichen Glaubensfeste, die Jahr für Jahr stattfinden, hat sich allerdings noch nichts geändert. Noch immer fördert der weltanschaulich neutrale Staat die religiösen Großevents, obgleich die Kirchen in der überwältigenden Mehrheit der Bevölkerung (77 Prozent) keinen Rückhalt [3]mehr finden. Und so wird auch der evangelische Kirchentag in Hannover von der öffentlichen Hand mit 11,735 Mio. Euro subventioniert. Bei Gesamtkosten von insgesamt 5 Millionen Euro macht dies eine Staatsquote von 46,9 Prozent aus, wobei vom Land Niedersachsen 7 Millionen Euro an den Kirchentag fließen, vom Bund 0,5 Millionen und von der Stadt Hannover 4,235 Millionen.
Dabei steht Hannover mit aktuell knapp zwei Milliarden Euro, also 3.648 Euro pro Kopf, in der Kreide, wodurch die Stadt im kommunalen Vergleich weit vorne liegt (durchschnittliche Pro-Kopf-Verschuldung in Niedersachsen: 1.857 Euro). Hannover rechnet mit einer weiteren Neuverschuldung von 100 Millionen Euro für 2025 und weiteren 82 Millionen für 2026. Nur beim Kirchentag will man nicht sparen, obwohl viel weniger Besucher kommen werden, als ursprünglich erwartet.
Unzeitgemäße Subventionierung
Bei der Begründung für die Zuschüsse ging man von »über 100.000 Menschen« aus. Stattdessen werden es nun deutlich weniger. Das weiß der Kirchentag schon seit Jahren, weshalb man sich für eine Veranstaltung in der Woche vom 1. Mai mit seinen großen Kundgebungen entschied. Beim Kirchentag 2023 kamen weniger als 60.000 reale Besucher, auch wenn der Veranstalter von 130.000 Personen sprach. Damals wurde jeder reale Besucher mit 166 Euro pro Kopf subventioniert, eine absurd hohe Summe.
Der Leiter des »11. Gebots« David Farago hat dafür keinerlei Verständnis: »Wie kann die Stadt Hannover zusammen mit Land und Bund eine derart überzogene und unzeitgemäße Privilegierung kirchlicher Veranstaltungen mithilfe einer Neuverschuldung finanzieren? Schließlich müssen die Schulden, die die Stadt Hannover aufnimmt und die sie weitgehend bedingungslos an den Kirchentagsveranstalter verschenkt, samt Zinsen von der nächsten Generation zurückgezahlt werden, die noch sehr viel weniger mit Kirchentagen wird anfangen können. Fakt ist nämlich: Je jünger die Menschen sind, desto unwichtiger sind ihnen die Kirchen. Bei den heute 18- bis 29-Jährigen halten ganze 87 Prozent den Lebensbereich »Kirche« für unwichtig, unentschlossen sind 6 Prozent, nur gerade einmal 7 Prozent weisen den Kirchen eine echte Bedeutung zu!«
Brisante Diskussionen
Vermutlich wird allerdings nicht nur der Moses mit dem 11. Gebot in Hannover heftige Diskussionen erregen, sondern auch der »nackte Luther« [4], den Farago erstmals beim Evangelischen Kirchentags 2017 in Berlin vorgestellt hat. Die Skulptur verweist auf den geschichtlich verheerenden Judenhass des Reformators, der unter anderem in der gbs-Broschüre »Martin Luther: Volksheld, Hassprediger, Antisemit« [5] dargestellt wurde. Für zusätzliche Brisanz könnte nun in Hannover die Tatsache sorgen, dass Kirchentagskritiker Farago vor wenigen Monaten als Vorstand des »40. Deutscher Evangelischer Kirchentag Düsseldorf 2027 e.V.« in Erscheinung getreten ist [6]. Damals hatten Düsseldorfer »Piraten« kurzerhand den Namen des Vereins gekapert, auf dessen Konto die öffentlichen Millionensubventionen für den Kirchentag 2027 fließen sollte – eine subversive Aktion, die nicht nur in der nordrheinwestfälischen Landeshauptstadt für Gelächter sorgte.
Auch der zweite Vorsitzende des inzwischen gelöschten alternativen Kirchentagsvereins [7] wird bei dem Kirchentag in Hannover aktiv sein: Mario Ickert (»Bruder Mayo«), seit 2021 Vorsitzender der »Kirche des Fliegenden Spaghettimonsters Deutschland«, wird auf dem Kirchentag im Rahmen des »Marktes der Möglichkeiten« wahre Wunder vollbringen, wenn er im Piratenkostüm vor den Augen der Kirchentagsbesucher Wasser in Bier verwandelt.
Beteiligt am Kirchentagsprogramm in Hannover ist zudem ein ehemaliger Aufsichtsrat des gekaperten Kirchentagsvereins: gbs- Vorstandssprecher Michael Schmidt-Salomon wird am 2. Mai (13.00 Uhr) mit Martin Fritz (Evangelische Zentralstelle für Weltanschauungsfragen) über das »naturalistische Menschenbild« diskutieren [8]. Auslöser für das Gespräch mit dem Titel »Besser leben ohne Selbst?« war eine ausführliche kritische Rezension von Fritz über das Buch »Entspannt euch! Eine Philosophie der Gelassenheit«, das Schmidt-Salomon 2018 im Piper Verlag vorgelegt hat.