»Wir werden die Förderung humanistischer Studierender nicht aufgeben!« [1]
Das Bertha von Suttner-Studienwerk setzt seine Arbeit fort – auch wenn 2025 keine neuen Stipendiaten aufgenommen werden können

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Gruppenbild vom letzten Stipendiat*innen-Treffen, das vom 23. bis 25. Mai im »Haus Weitblick« stattfand (Foto: Florian Chefai)
Aktuell fördert das Bertha von Suttner-Studienwerk (BvS) mehr als 20 Stipendiatinnen und Stipendiaten, ab Oktober werden es nur noch zehn sein. Grund dafür ist ein »doppelter Tiefschlag« vonseiten öffentlicher Stellen, wie der BvS-Vorstand erklärt. »Leider können wir im aktuellen Jahr keine neuen Stipendiat*innen aufnehmen. Doch selbstverständlich werden wir die Förderung humanistischer Studierender nicht aufgeben! Die nächste Ausschreibung zum ›Suttner-Stipendium‹ erfolgt im Mai 2026.«
Das auf zwei Jahre befristete »Suttner-Stipendium« wurde seit 2021 jährlich ausgeschrieben, so dass ab 2022 stets zwei Generationen von Stipendiat*innen gleichzeitig gefördert wurden. Finanziert wurden die Stipendien mit Eigenmitteln der Gründungsorganisationen, die mit ihrem finanziellen Einsatz in Vorleistung treten, bis der weltanschaulich neutrale Staat die Förderung humanistischer Studierender in gleichem Maße übernimmt, wie er dies im Falle katholischer, evangelischer, jüdischer und muslimischer Studierender seit längerem schon tut.
Dass es einen großen Bedarf an humanistischen Stipendien gibt, hat das Bertha von Suttner-Studienwerk in seinem vierjährigen Bestehen bestens belegen können. Allein zur letzten Ausschreibung im Jahr 2024 gingen mehr als 230 Bewerbungen von oftmals hochbegabten humanistischen Studierenden ein, von denen bedauerlicherweise nur ein kleiner Prozentsatz das Stipendium erhalten konnte. Umso verblüffender war daher die Ablehnung der staatlichen Förderung des BvS durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung im vergangenen Jahr.
Humanismus irrelevant in Deutschland?
»Das war der erste Tiefschlag, der uns ereilte«, heißt es dazu aus dem BvS-Vorstand. »Die Behauptung des Ministeriums, beim Humanismus handele es sich nicht um eine gesellschaftlich relevante und somit förderungswürdige Weltanschauung, widerspricht allen empirischen Studienergebnissen. Denn es ist evident, dass in der Bevölkerung und vor allem in der für Studienwerke besonders relevanten Gruppe der hochbegabten Studierenden deutlich mehr Menschen eine religionsfreie, humanistische Weltanschauung vertreten als etwa das katholische Glaubensbekenntnis.«
Aktuell klagt das Studienwerk [3] vor Gericht gegen den ministeriellen Ablehnungsbescheid, wodurch gegenwärtig noch mehr Gelder gemeinnütziger Organisationen, die eigentlich in die Studienförderung hätten fließen können, gebunden werden. Damit allein hätte das Studienwerk gut umgehen können, doch nach dem ersten Tiefschlag 2024 folgte Anfang 2025 gleich der zweite, als es zu breiten Kürzungen öffentlicher Mittel im Bildungs- und Sozialbereich kam, von denen auch Mitgliedsorganisationen des BvS betroffen waren.
Nächste Ausschreibung erst im Mai 2026
Aufgrund der reduzierten Mittel hat der BvS-Vorstand beschlossen, 2025 keine weiteren Stipendiat*innen in das Förderprogramm aufzunehmen. Die nächste Ausschreibungsrunde zum Suttner-Stipendium wird somit erst ab Mai 2026 erfolgen. Für die Suttner-Stipendiat*innen selbst ändert sich durch den Beschluss des BvS-Vorstands nichts. Ihre zweijährige finanzielle und ideelle Förderung bleibt auf gleichem Niveau erhalten – der Unterschied besteht allein darin, dass künftig weniger Studierende von diesem Angebot profitieren werden.
Auch bei den zweimal im Jahr stattfindenden Treffen der Suttner-Stipendiat*innen wird es keine Einsparungen geben. Diese Erfahrung konnten die Stipendiaten bereits vor wenigen Tagen machen, als sie im »Haus Weitblick«, dem Sitz der Giordano-Bruno-Stiftung oberhalb des Rheins, zusammentrafen und dabei »sowohl intellektuell als auch kulinarisch verwöhnt wurden«, wie es einer der Stipendiaten in der Abschlussrunde ausdrückte.
Über interstellare Reisen, säkulare Ethik und den Politischen Islam
Beim Stipendiat*innen-Treffen vom 23. bis 25. Mai in Oberwesel wurde wieder einmal – wie schon bei den vorangegangenen Veranstaltungen – lebhaft über ein breites Spektrum an Themen diskutiert. So stellte der Raumfahrtingenieur Prof. Dr. Andreas Hein (Mitglied der »Space Systems Engineering Research Group« der Universität Luxemburg und Leiter des internationalen Projekts «Hyperion«) am Freitagabend die spannende Frage »Könnte die Menschheit mit Generationenschiffen zu den Sternen reisen?« – was zunächst utopisch klingen mag, aber einen handfesten, irdischen Bezug hat, wenn man sich bewusst macht, dass unser Heimatplanet selbst eine Art »Generationenschiff« ist, das mit einer Geschwindigkeit von rund 100.000 Stundenkilometern um die Sonne kreist.
Am Samstagabend skizzierte der Philosoph Prof. Dr. Dr. Dieter Birnbacher (u.a. ehemaliger Vorsitzender der Ethikkommission bei der Bundesärztekammer) die »Grundzüge einer säkularen (Bio-) Ethik«, die auch auf brisanten Gebieten wie der Sterbehilfe oder der Reproduktionsmedizin Orientierung geben kann, ohne dabei auf fragwürdige »Letztbegründungen« zurückgreifen zu müssen. Welch gravierende Auswirkungen das rigorose Festhalten an solchen »Letztbegründungen« haben kann, zeigte am Sonntagmorgen der Vortrag von Zeinab Herz (Stellverstretende Vorsitzende des »Zentralrats der Ex-Muslime«): Sie berichtete über ihre Erfahrungen mit der »Illiberalität des Politischen Islam«, die sie auf ihrem Weg von einer gläubigen Muslima zu einer liberalen Ex-Muslimin hautnah zu spüren bekam.
Neben den Vorträgen profitierten die Stipendiat*innen von inspirierenden Workshops, etwa praktischen Übungen zur Methode des »Sokratischen Wegs«, mit dessen Hilfe man auch mit solchen Menschen ins Gespräch kommen kann, deren Überzeugungen empfindlich von den eigenen Positionen abweichen. Zudem gab es (ganz im Sinne Nietzsches, der meinte, man solle als Philosoph stets »in Bewegung« bleiben) einen »Deep Talk Walk« zur nahgelegenen »Schönburg«, der die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Treffens ebenso begeisterte wie die gute Verpflegung und die vielen spannenden Gespräche bis tief in die Nacht. Das nächste Stipendiaten-Treffen des BvS wird im Oktober/November in Berlin, im »Haus des Humanismus« des HVD, stattfinden.