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»Für eine bescheidene, wissenschaftlich aufgeschlossene Denkhaltung«

Giordano-Bruno-Stiftung unterstützt die neue Organisation »Scientific Temper«

Der langjährige Vorsitzende und Mitbegründer der »Gesellschaft zur wissenschaftlichen Untersuchung von Parawissenschaften« (GWUP) Amardeo Sarma hat eine neue gemeinnützige Organisation ins Leben gerufen: »Scientific Temper« will eine »bescheidene, wissenschaftlich aufgeschlossene Denkhaltung” fördern und wird dabei von der Giordano-Bruno-Stiftung unterstützt.

Der Begriff »Scientific Temper« (zu Deutsch: wissenschaftliche Haltung oder Einstellung) wurde bereits im 19. Jahrhundert verwendet, um eine kritische, an Fakten orientierte Denkhaltung zu beschreiben, die stets dazu bereit ist, »neues Licht, neue Erkenntnisse, neue Experimente aufzunehmen, auch wenn deren Ergebnisse vorgefasste Meinungen und lang gehegte Theorien in Frage stellen«. 1922 erläuterte Bertrand Russell die Bedeutung von »Scientific Temper« am Beispiel Albert Einsteins, dessen Theorien »den gesamten theoretischen Rahmen der traditionellen Physik auf den Kopf« gestellt hatten: »Dennoch haben Physiker überall ihre Bereitschaft gezeigt, seine Theorie zu akzeptieren, sobald sich herausstellte, dass die Beweise für sie sprechen. Aber keiner von ihnen, am allerwenigsten Einstein selbst, würde behaupten, dass er das letzte Wort gesprochen hat. […] Diese kritische undogmatische Aufgeschlossenheit ist die wahre Haltung der Wissenschaft.«

Popularität entfaltete der Begriff »Scientific Temper« vor allem in Indien, nachdem Jawaharlal Nehru, der erste Premierminister des unabhängigen Indiens, ihn 1946 ins Zentrum seiner politischen Agenda gerückt hatte. Nehru schrieb: »Die wissenschaftliche Haltung [»Scientific Temper«] zeigt den Weg auf, den der Mensch gehen sollte. Es ist die Einstellung eines freien Menschen.  […] Was wir brauchen, ist die wissenschaftliche Herangehensweise, die abenteuerliche und doch kritische Haltung der Wissenschaft, die Suche nach Wahrheit und neuem Wissen, die Weigerung, etwas ohne Prüfung und Versuch zu akzeptieren, die Fähigkeit, frühere Schlussfolgerungen angesichts neuer Beweise zu ändern, das Vertrauen auf beobachtete Tatsachen und nicht auf vorgefasste Theorien, die harte Disziplin des Verstandes – all das ist notwendig, nicht nur für die Anwendung der Wissenschaft, sondern für das Leben selbst und die Lösung seiner vielen Probleme.«

Auch Wissenschaftler sind vor Dogmatismus nicht gefeit

Amardeo Sarma, der in Kassel geboren wurde, seine Jugend jedoch in Indien verbrachte und auch in Neu-Delhi studierte, hat diesen Impuls aus seinem zweiten Heimatland aufgegriffen. Mit der neuen Organisation »Scientific Temper« will er die Wissenschaft fördern und auf aktuelle Fehlentwicklungen aufmerksam machen. »Leider ist auch die Wissenschaft nicht immer vor Dogmatismus gefeit, insbesondere wenn politische und weltanschauliche Vorstellungen in die Betrachtung der Realität einfließen«, erklärt Sarma. »Es ist allzu leicht, die eigenen Wertvorstellungen mit der empirischen Realität zu verwechseln, die möglicherweise ganz anders strukturiert ist. Viele selbst ernannte Skeptiker sind da keine Ausnahme.«

Die Giordano-Bruno-Stiftung (gbs), die die Skeptikerbewegung seit vielen Jahren unterstützt, hat ihre Unterstützung für das neue Projekt von Sarma zugesagt. »Wir leben in einem Zeitalter des ›Empörialismus‹, in dem es für viele darauf ankommt, auf der ›moralisch richtigen Seite‹ zu stehen, statt verschiedene Sichtweisen unvoreingenommen gegeneinander abzuwägen«, sagt gbs-Sprecher Michael Schmidt-Salomon. »Es ist leider selbst in Skeptikerkreisen zur Mode geworden, wissenschaftliche Forschungsergebnisse nicht deshalb anzugreifen, weil sie empirisch falsch sind, sondern weil sie im Widerspruch zur eigenen Wertehaltung stehen. Umso wichtiger erscheint es uns, den Ansatz von ›Scientific Temper‹ zu unterstützen.«

Förderung eines Schulprojekts in Uganda

»Scientific Temper« will die »bescheidene, wissenschaftlich aufgeschlossene Denkhaltung« nicht nur im deutschsprachigen Raum stärken, sondern auch international wirken. Dies zeigt bereits das erste Projekt der neu gegründeten Organisation, nämlich die Förderung der »Municipal High School« in Kasese (Uganda). »Scientific Temper« hat der Schule ermöglicht, Computer und wichtige Laborausrüstung anzuschaffen, darunter eine Reihe von Geräten und wichtigen Reagenzien, die für das Sekundarschullabor unerlässlich sind.

Amardeo Sarma erklärt dazu: »Unsere Unterstützung zielt darauf ab, bereits Schulkinder zu ermutigen, wissenschaftliches Denken zu entwickeln und ihre Fähigkeiten in den Bereichen Wissenschaft, Technologie, Ingenieurwesen und Mathematik zu verbessern. Wir glauben, dass diese Investition in die Bildung der Jugendlichen in Uganda einen langfristigen Einfluss auf die Gemeinschaft, die zukünftige Entwicklung des Landes und weit darüber hinaus haben wird. Denn Afrika wird der ›Kontinent des 21. Jahrhunderts‹« sein. Es kann uns nicht egal sein, was dort geschieht. Deshalb begreifen wir die Förderung von kritischem, wissenschaftlichem Denken und die Verbesserung der Bildungsmöglichkeiten für afrikanische Kinder und Jugendliche als eine wichtige Investition in die Zukunft.«