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Staatsleistungen an die Kirchen bis 2019 ablösen

Erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik gibt es bei Bund und Ländern deutliche Mehrheiten für die Ablösung der Staatsleistungen

Im Jahr 2019 steht das unrühmliche 100-jährige Jubiläum der Missachtung des Verfassungsauftrags zur Ablösung der Staatsleistungen an – wenn der neu gewählte Bundestag und die 14 betroffenen Länder nicht geeignete Schritte in die Wege leiten. Die Weimarer Reichsverfassung (WRV) von 1919 und das Grundgesetz (GG) von 1949 verlangen ein Rahmengesetz zur Ablösung der historisch bedingten, direkten Staatsleistungen der Länder an die Kirchen. Das Institut für Weltanschauungsrecht (ifw) hat die Positionen der Parteien ausgewertet und stellt fest: Erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik gibt es bei Bund und Ländern deutliche parlamentarische Mehrheiten für die Ablösung der Staatsleistungen bei allen Parteien außer der CDU/CSU.

Vor knapp 100 Jahren wurde mit dem Ende des Kaiserreiches im Zuge der Trennung von Staat und Kirche im Jahr 1919 in der Weimarer Reichsverfassung in Artikel 138 das Reich auf die Regelung der Grundsätze zur Ablösung der auf damals bestehenden Rechtstiteln beruhenden Staatsleistungen verpflichtet. Hierzu wäre ein Rahmengesetz zur Ablösung der historisch bedingten, direkten Staatsleistungen der Länder an die beiden großen Kirchen erforderlich gewesen. Dieser Verfassungsauftrag wurde nicht umgesetzt

Vor knapp 70 Jahren wurde der Artikel 138 WRV im Jahr 1949 dann durch Artikel 140 GG in das Grundgesetz inkorporiert. Der Verfassungsauftrag wurde weiterhin und bis heute nicht umgesetzt. Dieses anhaltende Unterlassen des Bundesgesetzgebers ist nicht verfassungskonform.

Die deutschen Länder – mit Ausnahme der Hansestädte Bremen und Hamburg – zahlen an die beiden großen Kirchen seit 1919 jährlich stetig wachsende Beträge. Über den Umfang der Staatsleistungen seit Inkrafttreten der Weimarer Reichsverfassung liegen belastbare Daten erst für die Zeit nach 1945 vor, und auch das nur für die positiven Staatsleistungen, nicht für die nur schwer bezifferbaren Steuer- und sonstigen Abgabenbefreiungen und –erleichterungen, die als negative Staatsleistungen bezeichnet werden.

Im Jahre 2017 beträgt der Gesamtbetrag der Länderzahlungen an die Kirchen 524 Millionen Euro, bei großen Unterschieden zwischen den Bundesländern. Seit Bestehen der Bundesrepublik sind bereits 17,3 Milliarden Euro Staatsleistungen an die Kirchen geflossen. Dazu kommen die von der DDR von 1949 bis 1989 gezahlten 629 Millionen Mark (Umrechnung in Euro nicht möglich).

Heute sprechen sich bis auf die CDU/CSU alle im Bundestag vertretenen Parteien für die Erfüllung des Verfassungsauftrags zur Ablösung der Staatsleistungen aus. Damit gibt es erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik in dieser Frage eine deutliche parlamentarisch-demokratische Mehrheit, welche auch in der Praxis des Parlaments zur Geltung gebracht werden kann.

Hierzu die ehemalige Bundestagsabgeordnete und finanzpolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion Ingrid Matthäus-Maier (ifw):

"Offenbar aus Angst vor einem Konflikt mit den finanziellen Interessen der Kirchen haben es die Parteien seit Bestehen der Bundesrepublik vermieden, den klaren Verfassungsbefehl zur Ablösung der Staatsleistungen umzusetzen, ja sie wollen nicht einmal öffentlich und verbindlich darüber reden. Alle Parteien sind aber heutzutage soweit, dass sie ihre Pro- und Kontra-Positionen formuliert haben. Der Steuerzahler sollte jetzt konkrete Schritte der Fraktionen von SPD, AfD, FDP, Linke und Grünen erwarten dürfen, dass die parlamentarische Mehrheit ihre Position zur Ablösung der Staatsleistungen in die Tat umsetzt."

Der Blick auf die Interessen des Steuerzahlers zeigt: Die Staatsleistungen werden aus dem allgemeinen Steueraufkommen bestritten. Damit werden sie auch von 45 Prozent der Bevölkerung getragen, die den beiden christlichen Kirchen nicht angehören (siehe die aktuellen Daten der Forschungsgruppe Weltanschauungen in Deutschland – fowid). Dabei läuft die Frontlinie nicht zwischen Kirchenmitgliedern und Nicht-Kirchenmitgliedern. Denn auch maßgebliche Vertreter der katholischen Kirche wie Kardinal Reinhard Marx, derzeitiger Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz, und der evangelischen Kirche wie Bischof Heinrich Bedford-Strohm, derzeitiger Ratsvorsitzender der EKD, haben schon vor Jahren ihre Bereitschaft zu Ablöse-Gesprächen erklärt. Diese Aussagen können von den verantwortlichen Politikern beim Wort genommen werden.

Um die Bereitschaft zum Handeln in den Regierungen und Parlamenten von Bund und Ländern abzuschrecken, werden von den Verteidigern der Staatsleistungen gewaltige Summen einer Ablösungsentschädigung in den Raum gestellt. So kursiert das 20- oder gar 40-fache der jährlichen laufenden Zahlungen, die von den Länderhaushalten nicht zu bewältigen seien.

Woher diese Zahlen kommen, bleibt im Dunkeln. Insgesamt sind sämtliche Behauptungen zur Berechnung dieser enormen Entschädigungshöhe aus der Luft gegriffen. Sie berücksichtigen zudem nicht, dass die Staatsleistungen, obwohl die Verfassung seit knapp 100 Jahren die Ablösung verlangt, seit Jahrzehnten ohne Sachgrund bezahlt werden. Auch Kardinal Marx und Bischof Bedford-Strohm haben in dieser Frage bislang keine Aufklärung geschaffen. Allein seit dem Inkrafttreten des Grundgesetzes sind den Kirchen 17,3 Milliarden Euro zugeflossen; und mit jedem Jahr der Nichtablösung wird es mehr. Die Überlegung, dass die erfolgten Zahlungen bereits überreichlich die etwa erforderliche Ablösungsentschädigung darstellen, liegt nahe. Dass diese Überlegung seitens der begünstigten kirchlichen Transferempfänger und ihrer politischen Vertreter zurückgewiesen wird, verwundert nicht. Jedoch wäre mit großen finanziellen Schwierigkeiten der Kirchen nicht zu rechnen, da die Staatsleistungen erklärtermaßen nur wenige Prozent (2 bis 3 Prozent) der laufenden Einnahmen der Kirchen bilden.

Lesen Sie weiter auf der Website des Instituts für Weltanschauungsrecht (ifw):
https://weltanschauungsrecht.de/meldung/staatsleistungen-2019-abloesen