Ermutigung zum produktiven Streiten
Ende Mai fand das Stipendiat*innen-Treffen des Bertha von Suttner-Studienwerks in Oberwesel statt
Wie kam es zur Evolution des moralischen Gewissens? Gibt es einen freiheitsgefährdenden Kulturkampf an den Universitäten? Welche Fragen ergeben sich für die Gesetzgebung der KI aus dem Problem des Künstlichen Bewusstseins? Dies sind nur drei der vielfältigen Themen, mit denen sich die Stipendiatinnen und Stipendiaten des Bertha von Suttner-Studienwerks bei ihrem Treffen vom 24. bis 26. Mai beschäftigt haben.
Zweimal im Jahr lädt das Bertha von Suttner-Studienwerk (BvS) seine Stipendiat*innen zum gemeinsamen Nachdenken und Diskutieren ein. Die Herbstveranstaltungen finden dabei unter der Regie des Humanistischen Verbandes Deutschlands (HVD) in Berlin statt, die Sommertreffen im "Haus Weitblick" in Oberwesel, dem Sitz der Giordano-Bruno-Stiftung (gbs). Vom 24. bis 26. Mai kamen die Stipendiat*innen nun wieder im Stiftungshaus oberhalb des Rheins zusammen.
Nach einer kurzen Begrüßungsrunde hatten die Stipendiat*innen bei einem interaktiven "Eisbrecher-Spiel" die Gelegenheit, sich untereinander besser kennenzulernen. Dabei wurden viele Gemeinsamkeiten aber auch Unterschiede innerhalb der Gruppe gefunden sowie eine Reihe von kuriosen Fakten aus der Wissenschaft oder der eigenen Lebenserfahrung ausgetauscht. Am Freitagabend hielt der Soziobiologe Professor Eckart Voland einen spannenden Vortrag zum Thema "Die Evolution des moralischen Gewissens". Weshalb Altruismus aus biologischer und evolutionärer Perspektive sinnvoll sein kann, wurde nicht nur im Vortrag erläutert, sondern auch in Kleingruppen im informellen Teil des Abends bis tief in die Nacht weiter diskutiert.
Dennoch waren die Stipendiatinnen und Stipendiaten am nächsten Morgen wieder pünktlich zur Stelle, um sich im Rahmen eines Workshops zu "Adversarial Collaboration" (zu Deutsch etwa: "Zusammenarbeit mit dem Gegner") intensiv mit der Debatte kontroverser Themen und Thesen auseinanderzusetzen. Dazu wurde zu Beginn über viele umstrittene Statements abgestimmt. Anschließend wurden Gruppen gebildet, in denen stets zwei konträre Ansichten von mehreren Gruppenmitgliedern vertreten wurden. Anschließend wurden die Ergebnisse des Workshops in Form eines kleinen Debattierwettbewerbs vorgetragen. Die große Herausforderung bestand dabei darin, exakt die gegenteilige Position zu vertreten, die man eigentlich einnehmen würde. Das Team mit der überzeugendsten Schaudebatte erhielt als Preis das Buch "The Scout Mindset" von Julia Galef, in dem es um Neugierde und die möglichst unvoreingenommene Suche nach Wahrheit geht. Zur Erholung nach den anstrengenden Diskussionen wanderte die Gruppe zum "Günderodehaus", wo bei Kaffee, Tee und leckerem Kuchen der weitläufige Ausblick über Oberwesel und den Rhein zu genießen war.
Bedrohte Wissenschaftsfreiheit und Künstliche Intelligenz
Am Samstagabend hielt die Ethnologin und vergleichende Kulturwissenschaftlerin Susanne Schröter einen Vortrag über Wissenschaftsfreiheit und woken Moralismus, der nicht zuletzt auch von ihren eigenen Erfahrungen als Leiterin des "Frankfurter Forschungszentrums Globaler Islam" inspiriert war. Schröters Vortrag löste eine kontroverse Debatte über Themen wie "Critical Whiteness" oder "Islamophobie" aus, für die die Professorin dankenswerterweise bis spätabends zur Verfügung stand. Obwohl die letzten Gäste das Stiftungshaus erst in den frühen Morgenstunden verließen, waren am Sonntag alle wieder pünktlich um 10.00 Uhr vor Ort.
Als letzter inhaltlicher Impuls hielt der Philosoph und Kognitionswissenschaftler Thomas Metzinger einen anregenden Vortrag über das "Problem des Künstlichen Bewusstseins" und die Fragen, die sich daraus für die Ethik und die Gesetzgebung im Bereich der Künstlichen Intelligenz ergeben. Anschließend folgte als finaler Programmpunkt eine Feedbackrunde, bei der die Stipendiat*innen Ideen und Wünsche für weitere Treffen und das bestehende Alumni-Programm äußerten. Dabei kam bei einigen von ihnen auch ein wenig Wehmut auf, denn die zweijährige Förderung wird für 15 der aktuell 31 Stipendiat*innen im Oktober 2024 auslaufen. Damit sie weiterhin Kontakt zum Studienwerk und zu ihren Mitstipendiat*innen aufrechterhalten können, wurde im vergangenen Jahr ein Alumni-Programm eingerichtet, das weiter ausgebaut werden soll.
Ausschreibung zum Suttner-Stipendium 2024 läuft!
Die mittlerweile vierte Ausschreibungsrunde des BvS läuft noch bis Ende Juli. Wer sich für das "Suttner-Stipendium 2024" bewerben möchte, hat also noch ein wenig Zeit. Alle relevanten Informationen zum Bewerbungsprozess findet man auf der Website des Bertha von Suttner-Studienwerks.