»Kann Philosophie die Welt verändern?«
Die aktuelle Ausgabe des »bruno.«-Jahresmagazins beschäftigt sich mit brennenden Fragen der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft
Vor 20 Jahren wurde die Giordano-Bruno-Stiftung gegründet. Das »bruno.«-Jahresmagazin nimmt dies zum Anlass, um an einen ihrer zentralen Impulsgeber (Karlheinz Deschner) zu erinnern, die bewusstseinsverändernde Macht der Bilder, Philosophie und Rechtspolitik zu ergründen und darzulegen, dass die Menschheit möglicherweise doch zu mehr noch taugen könnte als bloß zu einem »geologischen Ereignis«, das die Klimaerwärmung ausgelöst hat.
Als die Giordano-Bruno-Stiftung 2004 ihre Arbeit aufnahm, erwartete niemand, dass sie sich innerhalb kürzester Zeit zu einer maßgeblichen Kraft im säkularen Spektrum entwickeln würde. Doch der Zeitpunkt war günstig – drei Jahre nach den Anschlägen des »11. September« sowie drei Jahre vor dem sogenannten »Kreuzzug der neuen Atheisten«. Schon 2007 hieß es in einer Titelgeschichte des »Spiegel«: »Die Giordano-Bruno-Stiftung ist das geistige Oberhaupt all derjenigen, die geistigen Oberhäuptern nicht trauen.«
Die erste größere Veranstaltung, welche die gbs 2004 organisierte, war der Festakt zum 80. Geburtstag des Kirchenkritikers Karlheinz Deschner, der eine bedeutende Rolle bei der Gründung der gbs spielte und im aktuellen bruno.-Heft anlässlich seines 100. Geburtstags ausführlich portraitiert wird. Bereits bei dieser ersten Veranstaltung arbeitete die gbs eng mit Ricarda Hinz und Jacques Tilly zusammen, die mit ihren aufsehenerregenden Filmen und Skulpturen wesentlich zum Erfolg der Stiftung beigetragen haben, wie das Interview mit den beiden im neuen »bruno.« zeigt (»Die Macht der Bilder«).
Obgleich die gbs ursprünglich vor allem als religionskritische Organisation wahrgenommen wurde, war es nie ihr Ziel, einen »neuen Atheismus« zu propagieren. Vielmehr ging es der Stiftung um die Entwicklung eines »neuen (evolutionären) Humanismus«, der sich sowohl an den Erkenntnissen der empirischen Wissenschaften als auch an den Werten der »Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte« orientiert. Eine solche Philosophie ist nicht für den Elfenbeinturm gedacht, sondern hat den Anspruch, »die Welt zu verändern«. Dies bringt auch das Interview zum Ausdruck, das für die aktuelle Ausgabe mit Svenja Flaßpöhler (»Philosophie Magazin«), Ulla Wessels und Michael Schmidt-Salomon (gbs-Vorstand) anlässlich der Premiere des Philosophie-Festivals »Philo.live« geführt wurde.
Schwerpunktthema »Die Menschheit im Anthropozän«
In augenfälliger Weise manifestiert sich der Praxisbezug des evolutionären Humanismus in der Erfolgsgeschichte des »Instituts für Weltanschauungsrecht« (ifw), die bereits zu nachhaltigen Veränderungen des deutschen Rechtssystems geführt hat (etwa zur Aufhebung der §§ 217 und 219a StGB) und die ebenfalls im Magazin dokumentiert wird. Könnte eine angemessene philosophische Reflexion auch zu einer zukunftstauglicheren Interpretation des »Anthropozäns« führen? Dies wäre, wie die Titelgeschichte »Die Menschheit im Anthropozän« zeigt, durchaus möglich, wenn sie darauf abzielt, den Menschen, statt als notorischen »Umweltschädling«, auch als potenziellen »Umweltnützling« zu betrachten, der einen »positiven Fußabdruck« in der Welt hinterlassen kann.
Wie in den vorangegangenen Jahren findet man im aktuellen »bruno.«-Magazin eine »Chronik der wichtigsten Ereignisse« (u.a. die Reise des »Hängemattenbischofs« vor die Tore des Vatikans) sowie eine Aufstellung der Stiftungsfinanzen, die auf Heller und Pfennig ausweist, wofür die gbs ihre Mittel verwendet hat. Auch auf diesem Gebiet hat die gbs eine erstaunliche Entwicklung genommen: Vor 20 Jahren hätte niemand damit gerechnet, dass die gbs jemals über ein Jahresbudget von knapp einer Million Euro verfügen würde. Dieser gestiegene Stiftungsetat ist allerdings auch erforderlich, um die »Prinzipien der offenen Gesellschaft« gegen die »Internationale der Nationalisten« zu verteidigen, die mit ihrem Mix aus nationalem Chauvinismus und reaktionären religiösen Werten darauf abzielt, die Leitidee der Freiheit und Gleichheit aller Menschen zu zerstören.