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Newsletter vom 07.06.2024

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Protestaktion gegen das iranische Mullahregime (Köln 2022, Foto: Hesam Yousefi)


Hat die Politik das Problem des Islamismus wirklich verstanden?

Warum die Reaktionen auf den Anschlag in Mannheim erstaunlich sind

Nach der tödlichen Messerattacke von Mannheim mehren sich die Stimmen, die ein härteres Durchgreifen des Staates gegen Islamisten fordern. Diese Reaktion komme reichlich spät, meint der Vorsitzende der Giordano-Bruno-Stiftung Michael Schmidt-Salomon: »Seit vielen Jahren schon werden hierzulande nicht nur Ex-Muslime und Islamkritiker massiv bedroht, sondern auch Befürworter*innen eines weltoffenen Islam wie Seyran Ates, die mit ihrer liberalen Moschee ins Fadenkreuz des IS geraten ist.«

Vor den Gefahren des Politischen Islam habe die »1. Kritische Islamkonferenz« bereits 2008 gewarnt, erklärt der Stiftungssprecher. Allerdings seien die Impulse der Konferenz, die von der Giordano-Bruno-Stiftung in Zusammenarbeit mit dem »Zentralrat der Ex-Muslime« organisiert wurde, im politischen Raum nicht angekommen: »Die eindringlichen Warnungen von Ex-Muslimen und liberalen Muslimen, die genau wussten, worüber sie sprachen, als sie über die Strategien des ›islamischen Faschismus‹ aufklärten, wurden fast vollständig ignoriert. Man hat sogar versucht, diese authentischen Stimmen aus dem muslimischen Kulturraum mithilfe von Kampfbegriffen wie ›Islamophobie‹ oder ›Muslimfeindlichkeit‹ ins ›rechte Lager› zu rücken. Leider muss man hier ein tragisches Versagen der etablierten Parteien feststellen, deren Ignoranz nicht nur zum Erstarken des Islamismus, sondern auch des Rechtspopulismus in Deutschland geführt hat.«

In seinem Buch »Die Grenzen der Toleranz« (Piper 2016) hat Schmidt-Salomon diesen Zusammenhang folgendermaßen auf den Punkt gebracht: »Wer etwas so Offenkundiges wie die Realität des Politischen Islam leugnet, wer wider alle Vernunft jeglichen Zusammenhang von Islam und Islamismus bestreitet, wer meint, man müsse bloß Terroristen bekämpfen, nicht aber die Ideologien, die sie zum Terror motivieren, der treibt die Wählerinnen und Wähler geradewegs in die Arme von Politikern, die ihre antiaufklärerischen Ziele unter dem Denkmantel einer ›aufgeklärten Islamkritik‹ wunderbar verbergen können.«

Heute, acht Jahre nach der Veröffentlichung des Buchs, hat sich diese Prognose bewahrheitet. Warum die demokratischen Parteien gegen diese lange absehbaren Entwicklungen nichts unternommen haben, ist Schmidt-Salomon ein Rätsel, zumal die verantwortlichen Politikerinnen und Politiker durchaus informiert gewesen seien. So saß er 2019 im Rahmen der Grundsatzakademie der Grünen zusammen mit Annalena Baerbock auf dem Podium und warnte davor, die Kritik am Politischen Islam den Rechtspopulisten zu überlassen. Gebracht habe dies aber kaum etwas.

Immerhin: Am vergangenen Sonntag, nach der tödlichen Messerattacke in Mannheim, räumte die Parteivorsitzende Ricarda Lang ein, dass die Grünen in der Vergangenheit »vielleicht vor der Debatte zurückgeschreckt« seien, weil sie dachten, »damit helfen wir am Ende den Rechtspopulisten«. Jedoch sei der Islamismus »der Feind einer freien Gesellschaft«, dieser müsse »bekämpft werden, sicherheitspolitisch und gesamtgesellschaftlich.« Schmidt-Salomon bleibt allerdings skeptisch: »Ich hoffe, dass es sich dabei tatsächlich um eine nachhaltige Einsicht handelt und nicht bloß um einen verzweifelten Versuch, irritierte Wählerinnen und Wähler kurz vor der Europawahl mit markigen Sprüchen zu beeindrucken.«

Lesen Sie die vollständige Meldung auf der Website der Giordano-Bruno-Stiftung...


»Katholische Missionierung auf Staatskosten«

Aktionen gegen die Subventionierung des Katholikentags in Erfurt und die unzureichende Aufarbeitung des Missbrauchsskandals

Seit zehn Jahren reist die Aktionsgruppe »11. Gebot« zu jedem Kirchen- und Katholikentag, um mit ihrer drei Meter hohen Moses-Figur an das »11. Gebot« zu erinnern: »Du sollst deinen Kirchentag selbst bezahlen!« Beim Katholikentag in Erfurt wurde »Moses« durch die bekannten Skulpturen des »Hängemattenbischofs« und des »Geldhamsters« unterstützt. Sie wiesen auf einen »doppelten Skandal« hin: Während die katholische Kirche noch immer Millionenzuschüsse vom Staat kassiert, werden die Opfer sexueller Gewalt im Stich gelassen.

David Farago, Leiter der Aktionsgruppe »11. Gebot«, meint dazu, »dass sowohl die Kirchen als auch Teile der Politik den Bezug zur gesellschaftlichen Realität verloren haben«: »Sie agieren noch immer so, als sei die Mehrheit der Bevölkerung christlich. Dabei haben wir den Punkt erreicht, an dem weniger als die Hälfte der Menschen in Deutschland Mitglieder der katholischen oder evangelischen Kirche sind. In Erfurt sind Katholiken längst eine verschwindend kleine Minderheit, die Konfessionsfreien liegen hier bei über 85 Prozent. Dies ist sicherlich mit ein Grund dafür, dass der Katholikentag trotz der starken Unterstützung durch den MDR massive Probleme hatte, Privatunterkünfte für sein Glaubensfest zu finden.«

Lesen Sie hierzu die Ankündigung der Aktion des »11. Gebots«, von der immerhin Bilder in der »Tageschau« gezeigt wurden, sowie den Kommentar von Jan Weber auf dem Portal des Humanistischen Pressedienstes (hpd)...


Ermutigung zum produktiven Streiten

Ende Mai fand das Stipendiat*innen-Treffen des Bertha von Suttner-Studienwerks in Oberwesel statt

Wie kam es zur Evolution des moralischen Gewissens? Gibt es einen freiheitsgefährdenden Kulturkampf an den Universitäten? Welche Fragen ergeben sich für die Gesetzgebung der KI aus dem Problem des Künstlichen Bewusstseins? Dies sind nur drei der vielfältigen Themen, mit denen sich die Stipendiatinnen und Stipendiaten des Bertha von Suttner-Studienwerks bei ihrem Treffen vom 24. bis 26. Mai beschäftigt haben.

Zweimal im Jahr lädt das Bertha von Suttner-Studienwerk (BvS) seine Stipendiat*innen zum gemeinsamen Nachdenken und Diskutieren ein. Die Herbstveranstaltungen finden dabei unter der Regie des Humanistischen Verbandes Deutschlands (HVD) in Berlin statt, die Sommertreffen im »Haus Weitblick« in Oberwesel, dem Sitz der Giordano-Bruno-Stiftung (gbs). Vom 24. bis 26. Mai kamen die Stipendiat*innen nun wieder im Stiftungshaus oberhalb des Rheins zusammen. Mit von der Partie waren u.a. die Ethnologin und vergleichende Kulturwissenschaftlerin Susanne Schröter, der Soziobiologe Eckart Voland sowie der Philosoph und Kognitionswissenschaftler Thomas Metzinger, die das Treffen mit anregenden Vorträgen bereicherten.

Ein ausführlicher Veranstaltungsbericht mit Bildergalerie findet sich auf der gbs-Website. Derzeit läuft übrigens die vierte Ausschreibungsrunde des Bertha von Suttner-Studienwerks. Wer sich für das »Suttner-Stipendium 2024« bewerben möchte, hat dazu noch bis Ende Juli Zeit. Alle relevanten Informationen zum Bewerbungsprozess gibt es auf der Website des Bertha von Suttner-Studienwerks.


Der Menschenfreund

Nachruf auf Rolf Oerter

Der renommierte Entwicklungspsychologe und gbs-Beirat Rolf Oerter ist am 24. Mai im Alter von 92 Jahren gestorben. Es war ein großes Privileg, Rolf kennenlernen zu dürfen – nicht nur, weil er so klug, gebildet und vielseitig interessiert war, sondern auch, weil er ganz unabhängig von seinen akademischen Meriten ein ausgesprochen »feiner Mensch« war, der einem sofort gute Gefühle bescherte, sobald er den Raum betrat. Rolf war der beste Beweis dafür, dass es – trotz Adornos berühmten Diktum – sehr wohl »ein richtiges Leben im falschen« geben kann. Er hat viele von uns nicht nur durch seine Argumente inspiriert, sondern vor allem auch durch seine freundliche, offene, sanfte Art – und das wird bleiben, weit über seinen Tod hinaus.

Lesen Sie hier den Nachruf auf Rolf Oerter, verfasst von Michael Schmidt-Salomon.


Kurz notiert

#20jahregbs: Vor 20 Jahren wurde die Giordano-Bruno-Stiftung gegründet. Seither ist viel passiert, was sich nicht leicht in wenigen Worten zusammenfassen lässt. Dieser Artikel, der auf dem Portal des »Handelsblatt« erschienen ist, gibt aber einen guten Überblick über die Entwicklung der gbs seit 2004.

#jung&naiv: Der dreieinhalbstündige »Jung & Naiv«-Talk zwischen Michael Schmidt-Salomon und Tilo Jung verlief zwar deutlich entspannter, als es für dieses Format typisch ist, wurde aber dennoch bereits über 200.000-mal aufgerufen. Live erleben kann man den gbs-Sprecher in der kommenden Woche am 11. Juni bei der Podiumsdiskussion »Aktuelle weltpolitische Probleme und die Rolle der Religionen« in Bad Mergentheim sowie am 12. Juni bei der Vorstellung des Buchs »Die Evolution des Denkens« im Schlosshotel Karlsruhe.

#deschner100: Die Giordano-Bruno-Stiftung hat den 100. Geburtstag von Karlheinz Deschner mit einem neuen Deschner-Film sowie einer neuen Deschner-Website gefeiert. Der Alibri Verlag hat den runden Geburtstag zum Anlass genommen, um seine Deschner-Edition um einen weiteren Band zu erweitern: »Die Landschaft meines Lebens« zeigt den scharfen Religions- und Ideologiekritiker von einer ganz anderen, für viele wahrscheinlich unerwartet empfindsamen Seite. 

#philolive: Am 29. Juni 2024 findet in Berlin die Premiere des neuen Philosophie-Festivals »Philo.live!« statt, das vom »Philosophie Magazin« und der »phil.COLOGNE» organisiert und u.a. von der Giordano-Bruno-Stiftung unterstützt wird. Auf den Bühnen diskutieren u.a. Eva von Redecker, Peter Sloterdijk, Donatella Di Cesare, Herfried Münkler, Christoph Möllers, Thea Dorn, Florence Gaub und Heribert Prantl die Frage »Was heißt hier Freiheit?«. Karten sind erhältlich über die Website von Philo.Live!


Die nächsten Termine

Die Termine der nächsten Wochen gibt es, wie immer, im gbs-Terminkalender.

    
Mit freundlichen Grüßen

Das gbs-Newsletter-Team