»Abtreibung legalisieren – jetzt!«
Großdemos am 7. Dezember in Berlin und Karlsruhe
Durch den Bruch der Ampelkoalition ist es fraglich, ob es tatsächlich zur Entkriminalisierung des Schwangerschaftsabbruchs kommt, die nach 30 Jahren Debattenstillstand möglich erschien. Davon lassen sich die rund 100 Organisationen jedoch nicht entmutigen, die für den 7. Dezember zu Großdemos aufgerufen haben. Gestützt wird ihr Anliegen durch Bundestagsabgeordnete, die den Schwangerschaftsabbruch doch noch bis zur nächsten Bundestagswahl legalisieren wollen.
Der § 218 StGB kriminalisiert ungewollt Schwangere und verletzt ihr Recht auf reproduktive Selbstbestimmung. Abtreibungen sind nur in den ersten 12 Schwangerschaftswochen und unter strengen Bedingungen, wie verpflichtender Beratung und Bedenkzeit, straffrei. Das führt zu Entmündigung und Demütigung von Betroffenen und schafft massive Hürden. Deshalb fordern die rund 100 Organisationen, die zu den Demos in Berlin und Karlsruhe aufgerufen haben (u.a. Amnesty International, das Bündnis für sexuelle Selbstbestimmung, pro familia und die Giordano-Bruno-Stiftung): »Legalisiert Abtreibungen jetzt! Streicht § 218 ersatzlos aus dem Strafgesetzbuch, ersetzt die Beratungspflicht durch ein Recht auf freiwillige Beratung und sorgt für die vollständige Kostenübernahme für alle!«
Der Untertitel der beiden Demos lautet: »Wir sind viele. Wir sind mehr. Wir sind die 75 %.« Damit spielen die Veranstalter*innen auf eine repräsentative Umfrage des Bundesfamilienministeriums an, die zeigte, dass mehr als 75% der Menschen in Deutschland für die Legalisierung des Schwangerschaftsabbruchs eintreten. Auch die Expert*innen-Kommission der Bundesregierung und die Weltgesundheitsorganisation sprechen sich dafür aus. Und der Gesetzentwurf zivilgesellschaftlicher Organisationen beweist, dass es möglich ist: »Es ist jetzt an den Abgeordneten des Bundestages, endlich zu handeln!«
Fakt ist: Die Kriminalisierung von Abtreibungen schränkt das Leben und die Gesundheit ungewollt Schwangerer massiv ein. Abtreibungen sind weder verpflichtender Teil der medizinischen Ausbildung; noch übernehmen Krankenkassen die Kosten. Dies führt zu einem Mangel an Ärzt*innen, die Abtreibungen durchführen, und zu einer hohen finanziellen Belastung für ungewollt Schwangere.
Gegenreaktion auf den Rechtsruck
Die Demos in Berlin und Karlsruhe sind dabei auch als Gegenreaktion auf den Rechtsruck in vielen Ländern gedacht, der mit einer zunehmenden Beschränkung der Rechte von Frauen, homo- und transsexuellen Personen einhergeht. Dies wird zweifellos auch ein Thema im bevorstehenden Bundestagswahlkampf sein, denn die Hardliner in der CDU/CSU könnten im Verbund mit der AfD die längst überfällige Entkriminalisierung des Schwangerschaftsabbruchs auf absehbare Zeit verhindern.
In diesem Sinne ist auch der Aufruf des Aktionsteams von »Abtreibung legalisieren – jetzt!« zu verstehen: »Das vorzeitige Ende der Ampelregierung rückt eine Legalisierung erneut in scheinbare Ferne. Doch es ist jetzt umso wichtiger, dass wir gemeinsam auf die Straße gehen und für unsere Rechte kämpfen! Überlassen wir den anderen nicht einfach das Feld. Sorgen wir dafür, dass die Nachrichten am 7.12. nicht erneut von der AfD dominiert werden, sondern von uns! Lasst uns gemeinsam dafür sorgen, dass es wieder einen Grund zur Hoffnung gibt. Trotz alledem!«
Parallel zum Demoaufruf wurde bekannt, dass einige Bundestagsabgeordnete einen Versuch gestartet haben, den Schwangerschaftsabbruch doch noch bis zur nächsten Bundestagswahl zu legalisieren. Der am 15.11. vorgelegte Gesetzentwurf, der innerhalb von drei Stunden von 236 MdBs unterzeichnet wurde, enthält zwar längst nicht alles, was die Kampagne zur Abschaffung des § 218 StGB als notwendig erachtet hat. So wird etwa die Beratungspflicht und die 12-Wochenfrist erhalten bleiben. Aber in der Kürze der Zeit wird sich wohl kein anderer, weitergehender Vorschlag durchsetzen lassen. Immerhin: Dass der selbstbestimmte Schwangerschaftsabbruch nicht mehr im Strafgesetzbuch, sondern im Schwangerschaftskonfliktgesetz geregelt wird, und die Kosten für den Abbruch von den Krankenkassen übernommen werden sollen, wäre ein bedeutender Fortschritt gegenüber der jetzigen Rechtslage. Im Idealfall könnte der alte § 218 StGB schon im Januar/Februar 2025 Geschichte sein!