Die "Internationale der Nationalisten" breitet sich immer weiter aus
Kommentar zum Erfolg von Donald Trump und Mike Pence bei der US-Präsidentschaftswahl
Der Erfolg von Donald Trump und Mike Pence bestätigt die Diagnose, dass die offene Gesellschaft nicht nur durch den politischen Islam, sondern auch durch die "Internationale der Nationalisten" zunehmend unter Druck gerät. Ein Kommentar von gbs-Vorstandssprecher Michael Schmidt-Salomon.
Mittlerweile haben sich die rechtspopulistischen Bewegungen in einer besorgniserregenden Weise ausgebreitet - von Moskau bis nach Washington. Und sie folgen einer sehr ähnlichen Agenda, was zu einer erstaunlichen internationalen Zusammenarbeit der Nationalisten geführt hat. In meinem Buch "Die Grenzen der Toleranz" schrieb ich dazu: "Wohin man auch schaut, ob nach Polen oder Ungarn, in die Schweiz oder nach Österreich, nach Frankreich, Russland oder in die USA: In nahezu jedem nichtmuslimischen Land kam es in den letzten Jahren zu einem Schulterschluss von Nationalisten und christlichen Rechten. Die einzelnen Bewegungen gleichen sich so sehr in ihrer rückwärtsgewandten Identitätspolitik, dass es fast schon egal ist, ob ihre politischen Gallionsfiguren Donald Trump, Vladimir Putin, Viktor Orbán, Jarosław Kaczyński, Marine Le Pen, Christoph Blocher oder Frauke Petry heißen." (Die Grenzen der Toleranz, S. 62)
Was kann man gegen diese Entwicklung unternehmen? Ich meine: Ein weiteres gegenseitiges Aufschaukeln von Islamisten auf der einen und Rechtspopulisten auf der anderen Seite, die stets vom Erstarken der jeweiligen Gegenseite profitieren, wird nur zu verhindern sein, wenn die Vertreter der etablierten Parteien die Prinzipien der offenen Gesellschaft (Freiheit, Gleichheit, Individualität und Säkularität) sehr viel glaubwürdiger vertreten, wenn wir unsere Bildungssysteme radikal verbessern, für eine rationalere Debattenkultur sorgen und nicht zuletzt auch den Elitarismus bekämpfen, der vielen Menschen die Hoffnung nimmt, ihren sozial-ökonomischen Status jemals verbessern zu können.
Denn auch das hat die US-Wahl gezeigt: Wenn Menschen sich nicht mehr als Individuen wahrgenommen fühlen, wenn die soziale Ungleichheit solche Formen annimmt, dass viele Menschen gar keine Chance mehr sehen, sich als Individuen entfalten zu können, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass sie sich als Mitglieder einer Gruppe wahrnehmen, ihre eigene Identität also zunehmend über ihre jeweilige Gruppenzugehörigkeit definieren. Von diesem Umkippen in Richtung Kollektivismus profitieren Islamisten und Rechtspopulisten gleichermaßen. Die Wahl Trumps zum US-Präsidenten sollte daher als Signal verstanden werden, um den Ursachen dieses Verfallsprozesses, der das Projekt der offenen Gesellschaft in seinen Grundfesten bedroht, mit der notwendigen Entschlossenheit entgegenzuwirken.
Es wäre daher falsch, angesichts der Wahl des rechten, reichen Stammtischbruders Trump in Schockstarre zu verfallen - zumal der Mann in Trumps Schatten, der erzkonservative, evangelikale Vizepräsident Mike Pence, das eigentliche Problem darstellen dürfte. Denn mit dem erfahrenen Politiker Pence, der die Evolution leugnet, gegen das Recht auf Schwangerschaftsabbruch und gegen die Gleichberechtigung von Homosexuellen agitiert, regiert nun die Tea Party in Washington mit. Das Duo Trump/Pence repräsentiert geradezu perfekt den Schulterschluss zwischen nationalen Chauvinisten und christlichen Rechten, der die offene Gesellschaft in weiten Teilen der Welt unter Druck setzt. Dass ausgerechnet diese "Internationale der christlichen Patrioten" vorgibt, die bürgerlichen Freiheiten verteidigen zu wollen, ist ein schlechter Witz. Denn wer die Gesellschaft vor der Islamisierung schützen will, indem er einer Christianisierung das Wort redet, treibt den Teufel mit dem Beelzebub aus. Nur wenn die Wahnhaftigkeit dieses Konzepts klar benannt und erkannt wird, kann ein weiterer Erfolg der Rechtspopulisten in Europa verhindert werden.