In Deutschland gibt es ebenso viele Konfessionsfreie wie Katholiken und Protestanten
Aktuelle fowid-Daten belegen den zunehmenden Abschied von der Religion
Erstmals in der deutschen Geschichte stellen die konfessionsfreien Menschen mit 46 Prozent einen ebenso großen Bevölkerungsanteil wie Katholiken und Protestanten zusammengenommen (24 + 22 Prozent). Zugleich besuchen nur noch 5 Prozent der Bevölkerung regelmäßig eine Kirche, Synagoge oder Moschee. Dies geht aus den Daten hervor, die heute von der »Forschungsgruppe Weltanschauungen in Deutschland« (fowid) vorgelegt wurden.
Über die Ergebnisse der Studie war selbst fowid-Leiter Carsten Frerk überrascht, da er, ausgehend vom Trend der letzten Jahre, angenommen hatte, dass der Bevölkerungsanteil der Konfessionsfreien Ende 2023 »nur« bei 45 Prozent liegen würde. Dass dieser Anteil tatsächlich bei 46 Prozent liegt, hängt weniger mit den recht stabilen Mitgliederverlusten der beiden Großkirchen zusammen als mit einer genaueren Analyse der Bevölkerungsanteile der kleineren Religionsgemeinschaften. Dabei zeigte sich nämlich anhand neuerer Daten, dass insbesondere die offiziellen Angaben zu den Mitgliedern der christlich-orthodoxen Kirchen stark überhöht waren.
Insgesamt kommt fowid mit Blick auf die Religionszugehörigkeiten zu folgendem Ergebnis: Katholiken stellten Ende 2023 24,0 Prozent, EKD-Evangelische 21,9 Prozent, Muslime 3,8 Prozent, weitere Religionsgemeinschaften 4,1 Prozent und Konfessionsfreie 46,2 Prozent der Bevölkerung. Damit ergibt sich eine Relation von 46 zu 46 von Römischen Katholiken/EKD-Evangelischen vs. Konfessionsfreie.
Aussagekräftig ist auch die geringe Glaubenspraxis in Deutschland: Nur noch 5 Prozent der Menschen in Deutschland nehmen regelmäßig, also mindestens einmal im Monat, an einem Gottesdienst teil, während 95 Prozent Kirchen, Synagogen, Moscheen oder Tempeln regelmäßig fernbleiben. Gegenüber 2019, als noch 7,9 Prozent an Gottesdiensten teilnahmen, ist dies ein Rückgang von 2,9 Prozentpunkten.
Markanter Wegpunkt in der geschichtlichen Entwicklung
Wie bemerkenswert der Trend der Entkirchlichung der Gesellschaft war und ist, wird deutlich, wenn man sich die historische Entwicklung der letzten 150 Jahre vor Augen führt: 1871, bei der deutschen Reichsgründung, waren 98 Prozent der Deutschen Katholiken oder Protestanten. 1933, bei der Machtübernahme der Nationalsozialisten, waren es 96 Prozent, 1946, nach dem 2. Weltkrieg, 95 Prozent. In Westdeutschland stellten Katholiken und Protestanten noch 1970, trotz der 68er-Bewegung, imposante 93 Prozent der Bevölkerung.
Innerhalb eines ganzen Jahrhunderts, von 1870 bis 1970, ist der Bevölkerungsanteil von Katholiken und Protestanten also gerade einmal um 5 Prozentpunkte gefallen. Danach jedoch setzt eine erstaunliche Dynamik ein: Bis 1987 sinkt der Anteil der Katholiken und Protestanten in Westdeutschland um 9 Prozentpunkte auf 84 Prozent. Durch die Wiedervereinigung reduziert sich ihr Anteil um weitere 10 Prozentpunkte auf etwa 73 Prozent. 2011 bekennen sich nur noch 61 Prozent der Bevölkerung zur Katholischen oder Evangelischen Kirche, Ende 2020 sind es 51 Prozent, Ende 2023 nur noch 46 Prozent.
Umgekehrt verläuft der Trend bei den Konfessionsfreien: 1871 sind sie statistisch kaum vorhanden, ihr Bevölkerungsanteil liegt höchstens bei einem Prozent. Hundert Jahre später, 1970, machen sie noch immer weniger als 4 Prozent der Bevölkerung in Westdeutschland aus. 1987 sind es aber dann schon 10 Prozent und nach der Wiedervereinigung rund 22 Prozent. 2011 stellen sie mit 32 Prozent bereits die größte Gruppe in Deutschland, Ende 2020 liegt ihr Bevölkerungsanteil bei 41 Prozent, Ende 2023 stellen sie 46 Prozent der Bevölkerung – so viel wie Katholiken und Protestanten zusammengenommen.
Setzt sich der stabile Trend der letzten Jahre fort, demzufolge der Bevölkerungsanteil der konfessionsfreien Menschen pro Jahr um etwa einen Prozentpunkt steigt, wird ab 2027/2028 die absolute Mehrheit der Bevölkerung in Deutschland keiner Religionsgemeinschaft mehr angehören.