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»Entschädigung statt frommer Worte!«

Protestbündnis demonstriert gegen die Verschleppungstaktik der Evangelischen Kirche

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Bild von einer vorangegangenen Aktion in Freiburg

Die Giordano-Bruno-Stiftung (gbs) demonstriert mit zwei Kunstinstallationen am 25. Januar in Hannover gemeinsam mit Betroffenen sexuellen Missbrauchs gegen die Verschleppungstaktik der Evangelischen Kirche Deutschland (EKD). Die Protestaktion findet anlässlich der für den 25.01.2024 um 12:30 Uhr angekündigten Veröffentlichung der großen Studie zu sexualisierter Gewalt in der EKD und Diakonie statt.

Unglaubliche 14 Jahre sind bereits vergangen, seitdem der Missbrauchsskandal einer breiteren Öffentlichkeit bekanntwurde. So lange hat die Evangelische Kirche gebraucht, um eine erste, bundesweite Studie zu veröffentlichen. »Damit hat die EKD sogar fünf Jahre länger gebraucht als die Katholische Kirche, die ja nicht gerade für schnelle Entscheidungen bekannt ist«, kommentiert der Leiter der Protestaktion, David Farago von der Aktionsgruppe "11. Gebot" der Giordano-Bruno-Stiftung (gbs). "Die Studie darf jetzt nicht als Abschluss, sondern, wenn überhaupt, als Anfang der Aufarbeitung in der Evangelischen Kirche betrachtet werden. Viel zu lange hat die EKD diesen Prozess auf die lange Bank geschoben. Dies wollen wir mit unserer Kunstinstallation ‚Die lange Bank des Missbrauchsskandals‘ zum Ausdruck bringen."

Fehler aus der ,katholischen Aufarbeitung‘ wird auf die evangelische Kirche übertragen

Hieran dürfte auch die "Gemeinsame Erklärung" nichts ändern, die EKD und Diakonie vor wenigen Wochen mit der "Unabhängigen Beauftragten der Bundesregierung für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs" (UBSKM) geschlossen haben. Diese Erklärung sieht die Gründung regionaler Aufarbeitungskommissionen durch die Landeskirchen und die diakonischen Landesverbände vor. Zwar soll durch die "Gemeinsame Erklärung" der Flickenteppich an Regelungen beseitigt werden – allein es fehlt der Glaube an das Gelingen: Schon am 22. Juni 2020 hatte die Katholische Kirche eine ähnliche Vereinbarung mit dem UBSKM geschlossen. Ausweislich der von der Deutschen Bischofskonferenz veröffentlichten Übersicht haben sich mehr als dreieinhalb Jahre nach der Unterzeichnung der Erklärung immer noch nicht alle vorgesehenen Gremien konstituiert (so z. B. in den Bistümern Bamberg, Berlin, Erfurt, Essen, Münster). Manche müssen schon wieder neu besetzt werden (z. B. in Köln und Mainz). Es ist zu befürchten, dass die evangelischen Aufarbeitungskommissionen ein ähnliches Schicksal erleiden. Genau wie ihr katholisches Pendant hat auch die EKD kein Weisungsrecht gegenüber den einzelnen Landeskirchen. Überhaupt handelt es sich bei der gesamten "Gemeinsamen Erklärung" um eine bloße Absichtsbekundung. Die UBSKM bzw. der Staat haben keinerlei Handhabe, wenn die Kirche sich nicht an die Vereinbarung hält. David Farago von der Giordano-Bruno-Stiftung fasst daher noch einmal zusammen:

»In vertrauter Eintracht haben Staat und Kirche die Fehler aus der ,katholischen Aufarbeitung‘ nun auf die evangelische Kirche übertragen. Unsere Kunstinstallation ,Die lange Bank des Missbrauchsskandals‘ symbolisiert auch die Taktik der Kirchen, Betroffene zwar immer wieder öffentlichkeitswirksam ‚zur Mitwirkung‘ an den Tisch zu holen – deren zentrale Forderungen (höhere Entschädigungen und ein leichteres Verfahren) werden dann aber wieder auf die lange Bank geschoben.«

Forderungen des Protestbündnisses

Jens Windel von der Betroffeneninitiative Hildesheim begrüßt zwar die wissenschaftliche Untersuchung des Missbrauchsskandals. Jedoch mahnt er auch: »Es darf nicht schon wieder – wie nach der MHG-Studie für die katholische Kirche – bei Bekundungen der Betroffenheit und Erschütterung bleiben. Die EKD muss die Betroffenen endlich angemessen, in einem einheitlichen, transparenten und anfechtbaren Verfahren entschädigen. Die sogenannten Zahlungen zur ,Anerkennung des erlittenen Leids’ sind – in beiden Kirchen – viel zu niedrig!«

Das Protestbündnis fordert daher auch für den Bereich der Evangelischen Kirche die Einrichtung einer Wahrheits- und Gerechtigkeitskommission und eines Opfergenesungswerkes durch den Bundestag. Zu deren Finanzierung noch einmal David Farago (gbs): »Der Staat sollte hierfür einfach einige der ohnehin verfassungswidrigen Subventionen, die er den beiden großen christlichen Kirchen jedes Jahr zuteilwerden lässt, umwidmen. Das wäre das Mindeste, was der Staat tun könnte, nachdem er jahrzehntelang weggesehen hat.«

Dieses staatliche Versagen ist Thema der zweiten Kunstinstallation des Protestbündnisses: 26 Archivkisten, die mit dem Hashtag "Urteile statt Gutachten" beschriftet sind. Auf den Kisten liegen zahlreiche Aktenordner, die vor lauter Fülle nicht mehr in die Kisten hineinpassen. Darauf sind Namen von evangelischen Landeskirchen und Vertuschern sowie Orte des Missbrauchs zu lesen. Maximilian Steinhaus von der Giordano-Bruno-Stiftung erläutert:

»Unsere Strafverfolgungsbehörden würden die kirchlichen Akten ignorieren, selbst wenn man sie ihnen auf einem Silbertablett und fertig zum Mitnehmen verpackt in Archivkartons präsentieren würde. Die Justiz hat den Betroffenen zu oft nicht geglaubt und mit zu wenig Nachdruck ermittelt. Statt echter Urteile, die Täter bestrafen und Opfern Entschädigungen zusprechen, erleben die Betroffenen einen Gutachten-Marathon.«

Die Versammlung wird am Donnerstag, dem 25. Januar 2024 von 11 bis 18 Uhr vor der Hochschule Hannover – Fakultät V: Diakonie, Gesundheit und Soziales (Blumhardtstraße 2, 30625 Hannover) stattfinden.