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Heidenspaß an Karfreitag

10 Jahre verboten – jetzt erlaubt: Heidenspaß-Party in München

Vor wenigen Monaten erklärte das Bundesverfassungsgericht das Verbot der "Münchener Heidenspaß-Party 2007" und die entsprechenden Bestimmungen des Bayerischen Feiertagsgesetzes für nichtig. In seinem Urteil stellte das Gericht fest, dass am "stillen" Karfreitag sehr wohl getanzt werden darf – unter der Bedingung, dass der Tanz Ausdruck einer klaren weltanschaulichen Abgrenzung gegenüber dem Christentum ist. Dies lassen sich die Veranstalter des "Heidenspaßes", der bfg München und die Giordano-Bruno-Stiftung, nicht zweimal sagen und laden nach 10-jähriger Abstinenz zu einer "zünftigen Karfreitags-Sause" ins Münchener Oberangertheater ein.

Die Veranstaltung am 14.04.2017 beginnt um 15.00 Uhr cineastisch mit der Vorführung des Films "Wer früher stirbt, ist länger tot", der bereits im Verbotsjahr 2007 gezeigt wurde. Im Anschluss wird das traditionelle "Karfreitags-Schokoladenbuffet" des bfg München eröffnet, gefolgt von der Verleihung des Blasphemie-Preises "Der freche Mario". Um 19.00 Uhr startet das Abendprogramm mit Comiclesungen von Ralf König und Piero Masztalerz. Nach einem "Karfreitags-Tango" lädt ab 21.00 Uhr das "Karfreitags-Schmankerl-Buffet" zum fröhlichen Schmausen ein. Anschließend wird Michael Schmidt-Salomon das "Wort zum Karfreitag" sprechen und den "humanistischen Tanzsegen" erteilen. Unter dem Motto "Tanz‘ den Karfreitag!" kann und soll dann ab 21.30 Uhr das Tanzbein geschwungen werden – aus strikt weltanschaulichen Gründen, versteht sich. Unterstützt werden die "Weltanschauungs-Tänzer" dabei von der bekannten Münchner Live-Party-Band "Smart & Handsome" (der es in diesem Video gelang, 36 Songs in vier Minuten zu spielen).

Für Assunta Tammelleo, die bereits die Heidenspaß-Party 2007 maßgeblich organisiert und nach dem Verbot für den bfg München durch alle Instanzen geklagt hatte, soll mit der Veranstaltung 2017 nicht zuletzt das bahnbrechende Urteil des Bundesverfassungsgerichts gefeiert werden: "Endlich wurde eine gesetzliche Regelung aufgehoben, die religionsfreie Menschen völlig unnötigerweise in ihren Freiheiten einschränkt. Warum sollte ein humanistischer Freigeist als Ausdruck seiner religionsfreien Weltanschauung am Karfreitag nicht tanzen dürfen? Was genau soll einen Gottesdienstbesucher stören, wenn in einem Münchner Stadtviertel eine Party in einem geschlossenen Raum stattfindet? Eine Privilegierung einzelner Religionsgemeinschaften gegenüber der Gesamtbevölkerung darf es nicht geben. Der Gesetzgeber sollte das Feiertagsgesetz endlich ändern, denn der ausnahmslose Schutz des Karfreitags in Bayern verstößt gegen das Grundgesetz."

Auch gbs-Sprecher Michael Schmidt-Salomon betont das "ernsthafte Anliegen des Heidenspaßes": "Wir werden an Karfreitag nicht nur aus reinem Vergnügen tanzen, sondern sozusagen im Auftrag des Bundesverfassungsgerichts! Das klingt witzig, hat aber einen ernsten Hintergrund, denn es geht dabei nicht bloß um eine Aufhebung des absurden Tanzverbots, sondern auch um eine Stärkung des Gebots der weltanschaulichen Neutralität des Staates, das durch Rechtspopulisten zunehmend unter Druck gerät. Nicht nur Trump, Putin, Orban oder Kaczynski betreiben Politik auf der Grundlage überkommener christlich-nationaler Werte, sie haben nicht wenige Nachahmer in der AfD oder CSU gefunden, die ähnlich reaktionäre Ziele verfolgen würden, wenn man ihnen die Chance dazu ließe. Um dieser Gefahr auf lustvolle Weise entgegenzuwirken, laden wir alle humanistischen Freigeister zum fröhlichen Protest nach München ein. Dieser Anlass sollte, wie ich meine, selbst die hüftlahmsten Humanisten dazu motivieren, ausnahmsweise einmal das Tanzbein zu schwingen!"

Hinweis: Mit dem Betreten der Veranstaltungsräume bestätigen Sie, a) dass Sie einer humanistischen Weltanschauung folgen, b) weder an Götter noch an Elfen, Kobolde oder Dämonen glauben und c) dass jede noch so kleine rhythmische Zuckung Ihres Körpers auf der Heidenspaß-Party Ausdruck dieses weltanschaulichen Bekenntnisses ist.

Der Einlass zur Heidenspaßparty im Oberangertheater (Oberanger 38, 80331 München) beginnt um 14:30 Uhr. Der Eintritt ist frei, freiwillige Spenden werden jedoch gerne entgegengenommen. Weitere Informationen zum Programm sowie Reservierungsmöglichkeiten unter: www.religionsfreie-zone.de.

Nachtrag 21.03.2017:

Kaum war die obige Pressemitteilung herausgegangen, meldete die Süddeutsche Zeitung (SZ), dass das Münchener Kreisverwaltungsamt prüfen wolle, ob die "Heidenspaß-Party" dem "ernsten Charakter des Karfreitags" entspricht.  Dazu gbs-Vorstandssprecher Michael Schmidt-Salomon: "Offenkundig begreifen die staatlichen Ordnungshüter nicht, dass es uns ernst damit ist, den Karfreitag nicht ernst zu nehmen. Aus unserer Sicht handelt es sich bei der religiösen Idee, ein allmächtiger Gott habe einen Teil seiner selbst (Gottsohn) von einer historischen Besatzungsmacht (den Römern) hinrichten lassen, um 'die Welt zu erlösen', um eine kolossale Wahnvorstellung. Selbstverständlich haben Christen das Recht, an dieser seltsamen Form der Wirklichkeitsverleugnung festzuhalten. Aber ein Staat, der eine solch verquere (postfaktische) Sicht der Welt als besonders respektabel ausweist und zu ihrem Schutz sogar gegen Andersdenkende vorgeht, gibt sich selbst der Lächerlichkeit preis."