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Islamkritik statt Muslimfeindlichkeit

gbs verteidigt Beteiligung an der Großdemo #unteilbar

Die Giordano-Bruno-Stiftung hat die Berliner Großdemo #unteilbar unterstützt, bei der am Samstag mehr als 240.000 Menschen ein Zeichen für "eine offene und solidarische Gesellschaft" setzten. Da an dieser Demo auch Organisationen und Personen teilgenommen haben, denen man das Engagement für eine "offene Gesellschaft" nicht unbedingt abnehmen muss, stieß die Beteiligung der gbs an #unteilbar auf teils scharfe Kritik. Die Stiftung hat auf die Kritikerinnen und Kritiker mit einer kurzen, aber deutlichen Stellungnahme geantwortet.

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Wir haben damit gerechnet, dass unsere Beteiligung an der Großdemo #unteilbar Unverständnis, Kritik, ja Empörung auslösen würde. Daher möchten wir einige Punkte klarstellen:

1. Die Giordano-Bruno-Stiftung hat den politischen Islam kritisiert, die weltweite Bewegung der Ex-Muslime angestoßen und Kritische Islamkonferenzen organisiert - lange bevor es die AfD oder Pegida überhaupt gab. Uns muss also niemand über die Gefahren des "islamischen Faschismus" aufklären. Dieses Wissen wurde ja gerade von der gbs und ihren Beiräten (u.a. Hamed Abdel-Samad) in die gesellschaftliche Debatte hineingetragen (siehe hierzu u.a. das gbs-Video "10 Jahre Ex-Muslime")

2. Man muss strikt unterscheiden zwischen einer kritisch-rationalen Islamkritik, für die wir eintreten, und einer diffusen/manifesten Muslimfeindlichkeit, die wir mit gleicher Entschiedenheit ablehnen (und genau darum ging es bei #unteilbar). Antimuslimismus ist Ausdruck einer gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit, die den politischen Islam keineswegs eindämmt, sondern ihn zusätzlich noch forciert. Tatsächlich agieren Trump, Putin, Orban, die AfD und Pegida wie blinde Marionetten nach den Vorgaben des Terrorhandbuchs der Islamisten. Wir haben auf diesen Zusammenhang mehrfach hingewiesen (u.a. hier) - und gbs-Kurator Jacques Tilly hat dies in einem seiner Karnevalswagen wunderbar auf den Punkt gebracht (siehe das Foto oben): Auch wenn es Gauland, Storch & Co sicherlich nicht gefallen wird: Antimuslimisten sind keine kritisch-rationalen "Islamkritiker", sondern bloß "nützliche Idioten" des islamistischen Terrors.

3. Die gbs hat die traditionellen Islamverbände wie etwa den Zentralrat der Muslime (ZdM) immer wieder scharf kritisiert und mit dem Zentralrat der Ex-Muslime (ZdE) eine Gegenorganisation aufgebaut. Aber: Wenn sich der ZdM mit der Demo #unteilbar offiziell zur "offenen Gesellschaft" bekennt, so sollte man dies als Chance begreifen und ihn beim Wort nehmen. Selbst wenn es sich hierbei nur um ein Lippenbekenntnis handeln sollte, schafft dies dennoch eine hilfreiche Arbeitsgrundlage für die weitere Diskussion. Ab sofort sollte man den ZdM fragen, wie er es denn wirklich mit den Prinzipien der offenen Gesellschaft (Freiheit, Gleichheit, Individualität und Säkularität) hält. Das dürfte eine interessante Debatte werden.

4. An diesem Punkt zeigen sich die Unterschiede zwischen einer moralistischen, gesinnungsethischen Position, der es nur um die "richtige Haltung" geht (nämlich jene, die man selbst vertritt), und einer verantwortungsethischen Position, die sich auf die realen politischen und ethischen Konsequenzen einer Handlung konzentriert. Gesinnungsethiker (moralische Rigoristen) haben die Welt bislang kaum vorangebracht, Verantwortungsethiker aber sehr wohl. Ein Beispiel: Hätten vor 70 Jahren nur jene Nationen die "Allgemeine Erklärung der Menschenrechte" unterzeichnen dürfen, welche die Menschenrechte wirklich achten (gesinnungsethische Position), so wäre es gar nicht erst zu der UN-Erklärung gekommen. Dadurch dass die UN-Charta aber ab dem 10. Dezember 1948 in der Welt war, kam es zu markanten Veränderungen in der internationalen Politik (selbstverständlich gingen diese Veränderungen nicht weit genug, aber das heißt keineswegs, dass wir sämtliche Fortschritte seit 1948 einfach ignorieren dürften). Worum es in diesem Zusammenhang geht, hat Ludwig Marcuse einmal sehr schön in Worte gefasst (und sein Satz weist, wie wir meinen, den Weg, wie man mit dem Bekenntnis des ZdM zur offenen Gesellschaft in verantwortungsethischer Weise umgehen sollte): "Es ist besser, das Gute steht nur auf dem Papier - als nicht einmal dort."

(Michael Schmidt-Salomon, gbs-Vorstandssprecher, 14.10.2018)

Nachtrag 1 (15.10.2018): Die oft wüsten Kommentare, die auf unsere Stellungnahme zur Großdemo #unteilbar eingegangen sind, haben uns in der Einschätzung bestärkt, wie wichtig es ist, das politische und weltanschauliche Lagerdenken zu überwinden. Denn dieses Lagerdenken führt zu einem "empörialistischen Überbietungswettbewerb" (siehe hierzu das Buch "Die Grenzen der Toleranz") - nicht zu einer lösungsorientierten Analyse der Probleme. Wir möchten in diesem Zusammenhang an die Abschlusserklärung der "2. Kritischen Islamkonferenz" erinnern, die vor mehr als 5 Jahren (am 12. Mai 2013) verabschiedet und 2014 (nach den ersten PEGIDA-Demonstrationen) von der gbs als Printbroschüre herausgegeben wurde. Wer die Broschüre "Selbstbestimmung statt Gruppenzwang: Gegen Islamismus UND Fremdenfeindlichkeit" in der Bildungsarbeit einsetzen möchte, kann sie kostenfrei bei der gbs bestellen.

Nachtrag 2 (18.10.2018): Wie zu erwarten, hat auch die "Achse des Guten" die Beteiligung der gbs an der Demo #unteilbar kritisiert. Autor Archi W. Bechlenberg bezeichnet in seinem Artikel, unsere Aussage, Antimuslimisten würden dem Terrordrehbuch der Islamisten folgen, als "Schwachsinn" und "infam" – was allerdings nur zeigt, dass er sich mit den Strategien der Islamisten nicht wirklich beschäftigt hat. (Den Masterplan für diese Strategie hat der einflussreiche Islamist Abu Musab al-Suri schon vor vielen Jahren in seiner 1.600-seitigen Propagandaschrift "Aufruf zum weltweiten islamischen Widerstand" dargelegt: Al-Suri zufolge könnten bereits verhältnismäßig wenige islamistische Attentäter mit gezielten Attacken die westlichen Staaten destabilisieren – und dabei auf die unfreiwillige Unterstützung westlicher Nationalisten und "Kreuzzügler" rechnen. Denn diese würden, so das Kalkül al-Suris, reflexartig Gegenmaßnahmen gegen "die Muslime" einleiten. Die damit einhergehende Unterdrückung der Muslime sei eine großartige Stütze im globalen Dschihad, denn sie führe zu größerer Ungerechtigkeit und zu massiveren Konflikten, was viele junge Muslime dazu motivieren würde, sich am bewaffneten Kampf gegen "die Ungläubigen" zu beteiligen.)

Sehr befremdlich ist Bechlenbergs Einschätzung, dass es bei #unteilbar "nicht um ein Zeichen gegen Fremdenfeindlichkeit, sondern für ungebremste Zuwanderung und weiteren Einfluss des Islams in Deutschland ging". Er übersieht völlig, dass #unteilbar die Prinzipien der "offenen Gesellschaft" stärken wollte und dass zu dieser Demo eben nicht nur der Zentralrat der Muslime und "gewaltbereite Linke" aufgerufen haben, sondern u.a. auch der Lesben-und-Schwulenverband Deutschlands, verschiedene Frauenrechtlerinnen sowie Vertreter des Jüdischen Museums Berlin und der Leo Baeck Foundation, die allesamt (wie wir) ganz sicher nicht daran interessiert sind, den "Einfluss des Islams in Deutschland" zu forcieren (man findet die Liste der Erstunterzeichner hier: https://www.unteilbar.org/wir/erstunterzeichnende/).

Geradezu verstörend ist es, dass Bechlenberg in völliger Verkennung der islamkritischen Arbeit der gbs (die wir auch in Zukunft fortführen werden) meint, wir wollten uns "lieber am Christentum" abarbeiten. Hier zeigt sich ein Grundproblem der "Achse der Guten": Viele dort schreibende Autoren vertreten die neokonservative Position, man müsse das Christentum im Kampf gegen den Islam aufrüsten. Dazu passt die Werbeanzeige zu Bechlenbergs Artikel (siehe die Screenshots unten). Die "Achse des Guten" sieht offenbar gar kein Problem darin, für die "Deutsche Vereinigung für eine christliche Kultur" (DVCK) e.V. zu werben, eine christlich-fundamentalistische Vereinigung radikaler Lebensschützer, die jegliche Form von seriöser Sexualaufklärung ablehnt und nun wahrlich alles andere als die Prinzipien einer offenen Gesellschaft vertritt!

Die Werbeanzeige für den DVCK e.V. zeigt an, auf welch schiefe Bahn die "Achse des Guten" geraten ist: Sie tritt im Großen und Ganzen nicht für den säkularen, weltanschaulich neutralen Staat ein, der in der gegenwärtigen Situation ganz klar aufzeigen müsse, dass KEINE Religion ÜBER dem Gesetz steht, sondern für eine Wiedererstarkung des Christentums. Sie ist auch nicht in der Lage, zwischen kritisch-rationaler Islamkritik und diffusen/manifester Muslimfeindlichkeit zu unterscheiden, was allerdings unbedingt notwendig ist (s.o.), um die Strategien der Islamisten zu durchkreuzen. Und sie ist so sehr im politischen Lagerdenken verfangen, dass sie die Faktenlage allzu häufig grob missachtet, um von der eigenen ideologischen Grundausrichtung nicht abrücken zu müssen.

Insofern begreifen wir diese Form der Kritik an unserem Engagement tatsächlich als eine Bestätigung unserer Arbeit. Denn wir haben von Anfang an strikt zwischen Islamkritik und Muslimfeindlichkeit unterschieden und uns entsprechend deutlich sowohl von der pauschalen Abwertung von Muslimen (Antimuslimismus) wie auch von einer pauschalen Aufwertung von Muslimen (Muslimismus) abgegrenzt. (Übrigens begehen Muslimisten und Antimuslimisten den gleichen Fehler, indem sie verkennen, wie unterschiedlich die Menschen sind, die in Deutschland als "Muslime" etikettiert werden. In dieser Hinsicht steht die "Achse des Guten" dem "Zentralrat der Muslime" deutlich näher als die gbs).

Wie gesagt: Man kann den Sinn und Unsinn der Demo #unteilbar zweifellos unterschiedlich einschätzen. Wir sind bei der Abwägung der Vor- und Nachteile zu der Einschätzung gelangt, dass es kein gutes Zeichen wäre, wenn Kirchen- und Islamverbände für die "offene Gesellschaft" demonstrieren, religionskritische, humanistische Organisationen aber außen vor bleiben. Hier noch einmal die wesentlichen Gründe für unsere Beteiligung an #unteilbar:

1. Hätten wir die Teilnahme an der Demo abgesagt, so hätten wir dem Zentralrat der Muslime bei einer der größten Demos der Nachkriegszeit das Feld überlassen. Dadurch aber, dass wir dabei waren und die gbs in vielen Presseberichten als Antipode zum ZdM genannt wurde (siehe u.a. http://www.spiegel.de/politik/deutschland/unteilbar-demonstration-berlin...), waren auch bei dieser Demo islamkritische Argumente vertreten.  Außerdem rechneten wir damit, dass unsere Teilnahme Diskussionen auslösen würde – und wir gerade dadurch unsere islamkritischen Argumente öffentlichkeitswirksam verbreiten können (was dann ja auch eingetroffen ist).

2. Wir mussten (wie schon des Öfteren in der Vergangenheit) ein klares Zeichen gegen Fremden- und Muslimfeindlichkeit setzen. Leider haben sich aufgrund unserer islamkritischen Aktionen im gbs-Umfeld Menschen angesiedelt, welche die Stiftung mit der AfD zu verwechseln scheinen. Solchen Fehlinterpretationen müssen wir entschieden entgegenwirken. Wir verstehen allerdings auch, dass andere befreundete Organisationen wie TERRE DES FEMMES e.V. ganz bewusst nicht an #unteilbar teilgenommen haben. Die Voraussetzungen sind allerdings unterschiedlich: TdF ist bislang (im Unterschied zur gbs) nur vereinzelt mit Islamkritik an die Öffentlichkeit getreten und war daher in viel geringerem Maße der Gefahr ausgesetzt, missverstanden zu werden (zumal sich Rechtspopulisten wohl ohnehin recht selten für das Thema "Frauenrechte" interessieren).

Zuletzt ein Appell: Mit undifferenzierten Aussagen und moralischer Hysterie lassen sich die Probleme, vor denen wir stehen, nicht lösen! Wir müssen daher die Fähigkeit zu nüchterner, unvoreingenommener Analyse trainieren: Selbstverständlich ist es problematisch, dass in den letzten Jahren vermehrt Menschen nach Deutschland gekommen sind, welche die grundlegenden Werte des liberalen Rechtsstaats nicht zu schätzen wissen (was allerdings leider auch für viele Inländer gilt). Wie aber geht man mit diesem Problem vernünftig um? Ganz gewiss nicht, indem man "DIE Muslime" oder "DIE Flüchtlinge" pauschal abwertet, sondern indem man differenziert, wer von ihnen die offene Gesellschaft befürwortet und wer nicht. Erstere verdienen eine sehr viel größere Unterstützung, als sie bisher erhalten. So haben wir zum Beispiel die "Säkulare Flüchtlingshilfe" mitinitiiert, die sich gezielt um Menschen kümmert, die vor dem politischen Islam nach Deutschland geflohen sind.

Es gibt viele Möglichkeiten, autoritäre, illiberale, patriarchale Varianten des Islam in der gebotenen Schärfe zu kritisieren, ohne dabei Menschen muslimischen Glaubens pauschal abzuwerten. "Christliche Abendlandretter" und Rechtspopulisten sind dabei ebenso wenig hilfreich wie "linke Fundamentalistenversteher".