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Petitionsausschuss prüft Petition zur Abschaffung des "Gotteslästerungsparagraphen"

Giordano-Bruno-Stiftung dankt den Unterstützern und zieht ein erstes Resümee

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Charlie-Hebdo-Wagen (Jacques Tilly 2015)

Die von gbs-Vorstandssprecher Michael Schmidt-Salomon nach dem Anschlag auf „Charlie Hebdo“ eingereichte Petition zur Streichung des „Gotteslästerungsparagraphen“ 166 StGB hat über 11.000 Mitzeichner gefunden – deutlich mehr als 98 Prozent der Petitionen, die bislang beim Deutschen Bundestag eingereicht wurden. Die Giordano-Bruno-Stiftung dankt allen, die zur Verbreitung der Petition beigetragen haben, und wartet nun auf das Ergebnis des parlamentarischen Prüfverfahrens, das sich noch einige Monate hinziehen dürfte.

Schmidt-Salomon hatte gehofft, dass die Petition Mitzeichner im fünfstelligen Bereich finden würde. Entsprechend zufrieden ist er mit dem Resultat: „Petitionen auf der Website des Petitionsausschusses des Deutschen Bundestags erhalten aufgrund der formalen Hürden weit weniger Unterstützer als die eher symbolischen Petitionen von avaaz oder change.org. Petitionen mit über 10.000 Mitzeichnern sind beim Deutschen Bundestag selten und deuten darauf hin, dass hinter einem Petitionsanliegen tatsächlich ein breiteres, gesellschaftliches Interesse steht.“

Anders als in einigen Medienberichten behauptet wurde, ist das (in der Praxis äußerst seltene) Erreichen des sogenannten Quorums von 50.000 Mitzeichnern keine Voraussetzung dafür, dass eine Petition vom Petitionsausschuss behandelt wird. Tatsächlich hat das Quorum formal nur geringe Bedeutung, wie Schmidt-Salomon erklärt: „Der Unterschied besteht darin, dass bei einer Petition oberhalb des Quorums eine öffentliche Anhörung mit einer Zweidrittel-Mehrheit im Petitionsausschuss abgelehnt werden kann, während bei einer Petition unterhalb des Quorums eine einfache Mehrheit ausreicht. Für das parlamentarische Prüfverfahren selbst ist der Inhalt einer Petition entscheidend – nicht die Frage, ob das Quorum erreicht wurde oder nicht.“

Dass seine Petition tatsächlich zu einer baldigen Streichung des §166 StGB führen wird, erwartet Schmidt-Salomon angesichts der politischen Mehrheitsverhältnisse nicht. Dies sei auch nicht das vorrangige Ziel der Petitionskampagne gewesen. Der Giordano-Bruno-Stiftung sei es vielmehr darum gegangen, eine neue Debatte über Kunst- und Meinungsfreiheit anzustoßen – und dies habe auch gut funktioniert: „Anders als etwa beim Karikaturenstreit, als konservative Politiker vorpreschten, um eine Verschärfung des §166 StGB zu fordern, waren wir dieses Mal nicht in der Defensive, sondern konnten die Debatte von Beginn an in eine liberalere Richtung lenken. In den Medien, die unsere Pressemitteilung schnell aufgegriffen haben, überwogen dann auch erfreulicherweise Kommentare, die für eine Abschaffung des alten Zensurparagraphen eintraten, trotz der ablehnenden Haltung der Regierungskoalition.“

Schmidt-Salomon hob hervor, dass im Zuge der Debatte auch Thomas Fischer, der Vorsitzende Richter am Bundesgerichtshof in Karlsruhe, die ersatzlose Streichung von § 166 StGB gefordert habe: „Dass mit Thomas Fischer einer der führenden deutschen Juristen den Paragraphen als ‚überflüssig und rückständig‘ bewertet, sollte dem Petitionsausschuss zu denken geben. Wir hoffen daher, dass trotz der politischen Mehrheitsverhältnisse im parlamentarischen Prüfverfahren nicht nur die Interessen konservativer Religionslobbyisten berücksichtigt werden, sondern auch die zahlreichen Argumente, die aus einer freiheitlichen, rechtsstaatlichen Sicht gegen die Aufrechterhaltung einer Strafnorm sprechen, die die Kunst- und Meinungsfreiheit einschränkt und religiöse Fanatiker dazu motiviert, zum Faustrecht zu greifen. In einem modernen Rechtsstaat hat ein solcher Paragraph nichts verloren.“

Links zu dieser Meldung:
http://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2015-03/blasphemie-gottesl...

Siehe auch:
/meldung/petition-166-stgb
/meldung/charlie-hebdo-paragraph166...