Plädoyer für die offene Gesellschaft
Mit der Abschlusserklärung der 2. Kritischen Islamkonferenz melden sich erstmals Islamkritiker und liberale Muslime gemeinsam zu Wort
Im Rahmen der „2. Kritischen Islamkonferenz“ fand erstmalig ein offener Dialog zwischen maßgeblichen VertreterInnen der Islamkritik und des liberalen Islam (u.a. Hamed Abdel-Samad, Mina Ahadi, Lale Akgün, Seyran Ates, Yilmaz Kahraman, Necla Kelek, Arzu Toker und Ali Utlu) statt. „Es war ein Experiment auf dünnem Eis, das leicht hätte scheitern können“, sagte gbs-Vorstandssprecher Michael Schmidt-Salomon. „Zeitweilig ging es in den Debatten hoch her, letztlich aber konnten sich die Teilnehmer und Teilnehmerinnen der Konferenz auf gemeinsame Positionen einigen. Wir hoffen sehr, dass von unserer Konferenz Impulse ausgehen, die dazu führen, dass IslamkritikerInnen und liberale MuslimInnen künftig stärker zusammenarbeiten werden, um der doppelten Bedrohung von Islamismus und Muslimfeindlichkeit entgegenzuwirken.“
In seinem Eröffnungstatement hatte Schmidt-Salomon dafür plädiert, die „alte, gruppenbezogene Integrationspolitik durch eine neue, subjektbezogene Emanzipationspolitik zu ersetzen“. Schließlich gehe es nicht darum, „eine wie auch immer geartete ‚muslimische Kultur‘ in eine wie auch immer geartete ‚deutsche Kultur‘ zu integrieren, sondern den einzelnen Individuen gesellschaftliche Teilhabe zu ermöglichen“. Dazu sei es notwendig, „die Sprachkompetenz und Bildung der Betroffenen zu fördern, ihnen zu vermitteln, welche Rechte und Pflichten sie in einem modernen Verfassungsstaat besitzen, und alle Formen von Diskriminierung abzubauen, die in Deutschland noch immer existieren.“ Völlig verfehlt sei es hingegen, „festgezurrte ‚kulturelle Identitäten‘ zu stärken, die die Emanzipation des Individuums und das verträgliche Zusammenleben der Menschen eher behindern als fördern. Denn mit einer solchen Politik spielt man nur den Gegnern der offenen Gesellschaft, Islamisten wie Muslimhassern, in die Hände.“
Diese Punkte kamen auch in der Abschlusserklärung zum Tragen, die von Schmidt-Salomon in Absprache mit den ReferentInnen vorformuliert und in der abschließenden Diskussion von den TeilnehmerInnen der Konferenz noch einmal an einigen Stellen überarbeitet und ergänzt wurde. (So wurde auf Anregung des SPD-Bundestagsabgeordneten Rolf Schwanitz eine zusätzliche Passage zur „Trennung von Staat und Religion/Kirche“ in die Erklärung aufgenommen). Auch wenn der Begriff der „transkulturellen Gesellschaft“, der auf der Tagung insbesondere von Wolfgang Welsch, Michael Schmidt-Salomon, Lale Akgün und Necla Kelek verteidigt wurde, vereinzelt auf Kritik stieß und sich die Vertreterinnen der Ex-Muslime und der Alevitischen Gemeinde Deutschland der Stimme enthielten, wurde die „Resolution der Kritischen Islamkonferenz 2013“ am Ende mit großer Mehrheit verabschiedet.
Für die Giordano-Bruno-Stiftung, die die Veranstaltung organisierte, war die Konferenz, so Michael Schmidt-Salomon, ein Erfolg, der auch in den Medien überwiegend als solcher wahrgenommen wurde (negative Einschätzungen gab es bislang nur in der „taz“ sowie im „Neuen Deutschland“): „Ich denke, der besondere Wert dieser Konferenz lag vor allem darin, dass sie helfen konnte, Ressentiments abzubauen. Es sollte klargeworden sein, dass es für die politische Debatte nicht entscheidend ist, ob jemand gläubig ist oder nicht. Wichtig ist vielmehr, dass endlich all diejenigen zusammenfinden, die die Selbstbestimmungsrechte des Individuums gegen religiöse oder ideologische Bevormundung verteidigen möchten. Die 2. Kritische Islamkonferenz war ein guter Anfang für eine solche Zusammenarbeit – nicht mehr, aber auch nicht weniger.”
Nachtrag:
In der Berichterstattung des Neuen Deutschland wurde fälschlicherweise behauptet, Lale Akgün habe die Veranstaltung verlassen, weil sie von anderen Teilnehmern der Konferenz als „Mullah“ und „Salafistin“ beschimpft wurde (diese Fehlinformation wurde leider auch von Wikipedia übernommen). Tatsächlich kam es am ersten Veranstaltungstag vereinzelt zu derartigen Kommentaren, vor allem aus den Reihen der Ex-Muslime. Der eigentliche Grund dafür, dass Lale Akgün die Konferenz am Abend des ersten Veranstaltungstages verließ, war jedoch, dass sie in der RBB-Abendschau zur Kritischen Islamkonferenz interviewt wurde (siehe den unten verlinkten Fernsehbericht). Am nächsten Tag saß Lale Akgün wieder auf dem KIK-Podium und fand bei dem Publikum breite Zustimmung für ihre klaren Forderungen zur Trennung von Staat und Religion.
Links zu dieser Meldung:
Website der Kritischen Islamkonferenz:
http://kritische-islamkonferenz.de
Abschlusserklärung der Kritischen Islamkonferenz 2013 als pdf-Datei:
http://kritische-islamkonferenz.de/wp-content/uploads/2013/05/Resolution...
Filmbericht von der Konferenz (RBB-Abendschau):
http://www.youtube.com/watch?v=VU-ULW_iDBQ
Filmbericht (3sat Kulturzeit):
http://www.youtube.com/watch?v=SSN1vQ6bv8Y
„Starkes Signal“ (FAZ-Kommentar zur Konferenz):
http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/islamkonferenz-starkes-signal-1218...
„Unabhängige MuslimInnen trafen sich in Berlin“ (EMMA)
http://www.emma.de/news-artikel-seiten/unabhaengige-musliminnen-trafen-s...
"Die Moschee ist kein Ort der Integration" (Jungle-World-Interview):
http://jungle-world.com/artikel/2013/20/47720.html
„Gelungenes Experiment auf dünnem Eis“ (hpd-Veranstaltungsbericht):
http://hpd.de/node/15904