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»Wir hoffen, dass die saudischen Behörden ein Einsehen haben«

Reporter ohne Grenzen und Giordano-Bruno-Stiftung fordern die Freilassung von Raif Badawi

Die internationale Organisation Reporter ohne Grenzen (RSF) und die deutsche Giordano-Bruno-Stiftung (gbs) fordern die saudischen Behörden auf, die Bedingungen der gegen den saudischen Blogger Raif Badawi verhängten zehnjährigen Haftstrafe einzuhalten, der nach Vollzug der Strafe am 28. Februar hätte freigelassen werden sollen.

"Das Schweigen der saudischen Behörden ist ohrenbetäubend!", heißt es in der gemeinsamen Pressemitteilung beider Organisationen. Badawi befindet sich weiterhin in Haft, obwohl er die zehnjährige Haftstrafe wegen "Beleidigung des Islam", die er 2014 in der Berufung erhalten hatte, bereits abgesessen hat. Badawis Inhaftierung wurde von Reporter ohne Grenzen, der Giordano-Bruno-Stiftung und von vielen anderen internationalen Organisationen stets als willkürlich betrachtet. Sie ist nun sogar nach saudischem Recht illegal.

Reporter ohne Grenzen (RSF) hat erfahren, dass die Regierungen der Europäischen Union derzeit mit den saudischen Behörden über seine mögliche Freilassung verhandeln. Mehr als eine Quelle hat von "ermutigenden Zeichen" gesprochen, dass er diesen Monat freigelassen werden könnte. Die Organisationen der Zivilgesellschaft, die sich für Badawi eingesetzt haben, sind jedoch frustriert über das Ausbleiben jeglicher Reaktion seitens der saudischen Vertreter, die bisher weder eine offizielle Bestätigung noch ein genaues Datum für seine Freilassung bekanntgegeben haben. RSF hat sich wiederholt an die saudischen Behörden gewandt, um eine Erklärung zu erhalten und um Neuigkeiten über Badawi zu erfahren, jedoch ohne Erfolg.

"Die fortgesetzte Inhaftierung von Raif Badawi ist empörend, nach einer 10-jährigen Haftstrafe, die er niemals hätte verbüßen müssen", sagte RSF-Generalsekretär Christophe Deloire. "Indem die saudischen Behörden ihn weiterhin in Haft halten, fügen sie ihrer langen Liste von Verbrechen gegen die Pressefreiheit weitere hinzu. Genug ist genug: Bloggen ist kein Verbrechen und Journalismus ist kein Verbrechen. Badawi muss ohne weitere Verzögerung freigelassen werden!"

"Viele Reformen, die Raif vor 10 Jahren einforderte, hat das saudische Königshaus inzwischen selbst umgesetzt", erklärte der Vorstandssprecher der Giordano-Bruno-Stiftung Michael Schmidt-Salomon. "Wir hoffen daher, dass die saudischen Behörden nun ein Einsehen haben und Raif die Möglichkeit geben, seine Frau und seine Kinder nach dieser langen Zeit endlich wiederzusehen."

Der Mangel an Transparenz seitens der saudischen Behörden wird durch eine Verwirrung über den vom saudischen Justizsystem verwendeten Kalender noch verstärkt. Die saudischen Behörden verwenden den Hijri-Kalender, auch bekannt als islamischer Kalender, anstelle des gregorianischen Kalenders, der von den meisten Ländern der Welt verwendet wird. Badawi hat am 26. Rajab 1443, was dem 28. Februar 2022 entspricht, insgesamt zehn Hijri-Jahre im Gefängnis verbracht. Da er jedoch am 17. Juni 2012 verhaftet wurde, wäre sein Entlassungsdatum nach dem gregorianischen Kalender der 17. Juni 2022.

Saudi-Arabien steht auf dem Weltindex für Pressefreiheit 2021 der RSF auf Platz 170 von 180 Ländern. Hier finden Sie die Originalmeldung in englischer Sprache. Die Giordano-Bruno-Stiftung hat Raif Badawi und seiner Frau Ensaf Haidar 2016 ihren mit 10.000 Euro dotierten "Deschner-Preis" verliehen. Zudem sicherte die Stiftung Raif Badawi für den Fall seiner Haftentlassung bereits im vergangenen November ein einjähriges Forschungsstipendium zu, so dass die Grundvoraussetzungen für ein deutsches Visum erfüllt sind. Seit mehreren Monaten steht die gbs auch in Kontakt mit hochrangigen deutschen und europäischen Politikerinnen und Politikern, die sich dafür einsetzen, dass Raif Badawi nach 10-jähriger Haft endlich wieder ein gemeinsames Leben mit seiner Frau und seinen drei Kindern führen kann.

Nachtrag (11.3.2022):

Heute wurde Raif aus der Haft entlassen, was kurz darauf über die Nachrichtenticker vermeldet wurde (hier der Artikel von Spiegel online). Wir freuen uns sehr für Raif, Ensaf und ihre Kinder! Allerdings ist die Haftentlassung nur der erste Schritt in Richtung Freiheit, da Raif zusätzlich noch zu einem 10-jährigen Ausreiseverbot und der Zahlung eines Strafgelds in Höhe von umgerechnet 230.000 Euro verurteilt wurde. Wir arbeiten daran, dass zumindest das Ausreiseverbot erlassen wird, so dass Raif wieder zusammen mit seiner Familie leben kann. Weitere Infos hierzu folgen in Bälde.