Tanz den Karfreitag!
Filmdoku zur Heidenspaß-Party 2017
Zum Start der hpd-Themenwoche "Nichtglauben" bzw. als Kontrapunkt zur ARD-Themenwoche "Glaube" hat die Filmemacherin Ricarda Hinz heute das Video "Tanz den Karfreitag!" veröffentlicht. Der Film dokumentiert die "Heidenspaß-Party", die am Karfreitag 2017 nach 10-jährigem Verbot dank eines Erfolgs vor dem Bundesverfassungsgericht stattfinden konnte. Mitwirkende des Films sind u.a. Ralf König, Gerhard Haderer, Piero Masztalerz, Assunta Tammelleo und Michael Schmidt-Salomon, der das "Wort zum Karfreitag" sprach und dem Publikum den "humanistischen Tanzsegen" erteilte.
Da das Bundesverfassungsgericht das Tanzverbot an "stillen Feiertagen" (wie Karfreitag) in seinem Urteil nicht generell aufgehoben hat, sondern nur für den Fall, dass der Tanz selbst Ausdruck eines weltanschaulichen Bekenntnisses ist, mussten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Heidenspaß-Party mit dem Zutritt zur "Karfreitags-Sause" versichern, dass jede noch so kleine rhythmische Zuckung ihres Körpers während der Veranstaltung auf "humanistischen Unglauben" zurückzuführen ist. Was damit gemeint ist, erklärte Michael Schmidt-Salomon in seinem "Wort zum Karfreitag", das wir nachfolgend in voller Länge dokumentieren:
Michael Schmidt-Salomon: Das Wort zum Karfreitag
Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Freundinnen und Freunde,
werte freigeistige Gemeinde,
wir haben uns heute hier versammelt, weil es uns ernst, ja sogar bitterernst damit ist, den Karfreitag nicht ernst zu nehmen. Warum ist das so? Nun, Christinnen und Christen gedenken heute einem Manne, der vor rund 2000 Jahren am Kreuz hingerichtet wurde. Wäre dies bereits die ganze Geschichte, so würden wir sicherlich keine "Heidenspaß-Party" feiern – im Gegenteil: Wir würden mittrauern um diesen Mann und um all die anderen beklagenswerten Männer und Frauen der Geschichte, die zu Opfern totalitärer Gewalt wurden.
Doch genau darum geht es an Karfreitag nicht! Das ethisch Empörende am Christentum besteht nämlich darin, dass seine Anhänger das tragische Schicksal des Mannes aus Nazareth gar nicht betrauern, sondern feiern! Denn Christinnen und Christen glauben (sofern sie ihre Religion noch ernst nehmen) an einen Gott,
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der erstens trotz Hitler, Hunger, Haarausfall eine perfekte Welt erschaffen hat,
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der zweitens nach einem ärgerlichen Streit mit seinen Geschöpfen nahezu alle irdischen Lebewesen im Zuge der sogenannten "Sintflut" gnadenlos ertränkte
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und der drittens, als er merkte, dass selbst dieser gigantische Biozid nichts an der "Verderbtheit" seiner "Schöpfung" änderte, auf den höchst verwegenen Gedanken kam, einen Teil seiner selbst, nämlich den "Gottessohn", von einer historischen Besatzungsmacht, nämlich den Römern, mittels einer besonders grausamem Methode hinrichten zu lassen, um auf diese Weise … die Welt vom "Bösen" zu "erlösen"…
Im Gedenken an diese hochgradig psychopathologische "Erlösungstat" feiern die Anhänger des christlichen Kultes Woche für Woche ein merkwürdiges Ritual, in dessen Mittelpunkt kleine, unscheinbare Teigoblaten stehen, die zwar verdächtig an den Boden von Kokosmakronen erinnern, in Wahrheit aber gebildet werden aus dem offenbar milliardenfach sich replizierenden Leib des gekreuzigten Erlösers, der im Zuge der sogenannten "Heiligen Kommunion" von den Gläubigen feierlich verspeist wird…
Der Sinn dieses rituell-kannibalischen Aktes ist ebenso obskur wie der Vorgang selbst: Angeblich soll er die Jesu-Leib-Vertilger vor Todsünden sowie vor schädlichem Dämonenbefall bewahren, sodass sie später, nach ihrem irdischen Dahinscheiden, Zugang zu den seligen Freuden des Himmels erhalten, statt postmortal im ewigen Höllenfeuer gebraten zu werden…
Liebe Brüder und Schwestern im Unglauben, wäre dies die ganze Geschichte, so hätten wir sicherlich allerhand gute Gründe dafür, uns über die geistige Gesundheit unserer christlichen Mitbürgerinnen und Mitbürger Sorgen zu machen – und vielleicht hätten wir hin und wieder auch ein ungutes Gefühl dabei, ausgerechnet ihnen, also rituellen Kannibalen, unsere Kinder anzuvertrauen…
Aber: Dies alleine würde uns kaum dazu motivieren, eine "Heidenspaß-Party" an Karfreitag zu feiern. Der eigentliche Grund für diese Party ist ja nicht, dass unsere christlichen Mitbürgerinnen und Mitbürger mitunter höchst seltsame Dinge glauben (oder zumindest vorgeben, sie zu glauben), der eigentliche Grund für diese Party besteht darin, dass diese Christen uns tatsächlich abverlangen, ihre (aus rationaler Sicht völlig wahnhaften!) Glaubensüberzeugungen ernst zu nehmen. Sie wollen uns sogar vorschreiben, was wir an jenen "hohen Tagen", an denen sie ihre merkwürdigen Rituale pflegen, zu tun und zu unterlassen haben! Und das geht nun wirklich eindeutig zu weit!
Denn wir leben in keinem christlichen, sondern in einem säkularen und weltanschaulich neutralen Staat! Und wir leben in einer offenen Gesellschaft, in der mündige Bürgerinnen und Bürger nun einmal tun und lassen dürfen, was sie wollen – solange sie nicht die Rechte anderer verletzen.
Aus eben diesem Grund haben christliche Fundamentalisten selbstverständlich das Recht, an einen Gott zu glauben, der die "Bösen", also uns, in die "Öfen" schiebt, in denen das "Feuer ewig brennt", wie es das Neue Testament so anmutig beschreibt. Allerdings haben wir Nicht-Christinnen und Nicht-Christen ebenso das Recht, einen solchen Glauben nicht ernst zu nehmen, ja uns sogar ein wenig darüber zu amüsieren, dass die frohe Droh-Botschaft von der Auferstehung der Toten – wohl eine der absonderlichsten Fake News der Vergangenheit – noch im 21. Jahrhundert so viele treue Anhänger findet…
Liebe Brüder und Schwestern im Unglauben, vor 10 Jahren wurde die "Heidenspaß-Party" verboten, weil christliche Ordnungshüter annahmen, sie besäßen noch immer die Deutungshoheit über unsere Kultur – so wie es noch in den ersten Jahrzehnten nach der Nazi-Tyrannei war, als christliche Sittlichkeitswächter eine fürchterliche Hetzjagd auf Schwule veranstalteten, der Zehntausende zum Opfer fielen. Gerade in Bayern scheint dieser alte, staatskirchliche Irrglaube noch immer weit verbreitet zu sein. Daher hat es auch einer gehörigen Portion bajuwarischer Starrköpfigkeit bedurft, um dem offiziellen Verbot der Heidenspaß-Party entgegenzuwirken. Es ist vor allem einer Person zu verdanken, dass sich der bfg München durch alle Instanzen geklagt hat und dann letztlich auch vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe siegte. Nur deshalb können wir heute diese Party feiern. Ich bitte daher um einen besonders herzlichen Applaus für unsere wunderbar starrköpfige Schwester im Unglauben: Assunta Tammelleo!
Werte freigeistige Gemeinde, mit seinem Urteil vom vergangenen Jahr hat das Bundesverfassungsgericht das Verbot der Heidenspaß-Party für unzulässig und die entsprechende Bestimmung des Bayerischen Feiertagsgesetzes für verfassungswidrig erklärt. Dies war ein schöner Erfolg. Bedauerlicherweise ist das Gericht allerdings nicht unserem Vorschlag gefolgt, das Tanzverbot an Karfreitag generell für alle aufzuheben. Es ließ stattdessen nur eine spezifische Ausnahme vom Tanzverbot zu – nämlich für den Fall, dass der Tanz selbst Ausdruck eines weltanschaulichen Bekenntnisses ist.
Aus diesem Grund werden wir heute nicht bloß aus reinem, privatem Vergnügen tanzen, sondern im Dienste einer höheren, ja einer höchstrichterlichen Sache. Wahrlich, ich sage euch: Wir Heidenspaßler tanzen heute mit jeder einzelnen Pore unseres Körpers für das Wohl des Bundesverfassungsgerichts, für Humanismus und Aufklärung und für die edlen Prinzipien der offenen Gesellschaft! Lachen ist dabei ausdrücklich erlaubt, denn es hat schon seinen Grund, dass die deutsche Sprache das Wort "Heidenspaß" kennt, nicht aber die religiöse Entsprechung "Christenspaß".
Liebe Brüder und Schwestern im Unglauben, in diesem gänzlich unheiligen Sinne möchte ich euch nun den humanistischen Tanzsegen erteilen: So kommet alle zu mir, die ihr mühselig und beladen seid, und tanzt den Karfreitag!