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Newsletter vom 23.07.2012

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Jacques Tilly / www.giordano-bruno-stiftung.de

Beschneidungsdebatte: gbs kündigt Kinderrechtskampagne an +++ Religionsfreiheit oder Körperverletzung? Vortrag von Prof. Dr. Holm Putzke in Oberwesel +++ Fünf Gründe gegen den Religionsunterricht: Auszug aus einem Streitgespräch der Zeitschrift "Pädagogik" +++ Kurz notiert: Bundesweiter GerDiA-Aktionstag im September; Ermittlungsverfahren gegen Norbert Denef (Netzwerk B) eingeleitet; Who is Hu? Humanisten-Galerie wächst weiter +++ Die nächsten Termine

BESCHNEIDUNGSDEBATTE: GBS KÜNDIGT KINDERRECHTSKAMPAGNE AN

Mit deutlichen Worten hat der Vorstandssprecher der Giordano-Bruno-Stiftung, Michael Schmidt-Salomon, die Pläne deutscher Politiker kritisiert, die im Eiltempo ein Gesetz auf den Weg bringen wollen, das religiös motivierte Vorhautbeschneidungen bei Knaben legitimieren soll. "Körperliche Unversehrtheit ist ein Menschenrecht und Menschenrechtsverletzungen sind prinzipiell nicht zu rechtfertigen – auch wenn sie mit noch so ‚heiligen‘ Traditionen begründet werden", erklärte der gbs-Sprecher am Stiftungssitz in Oberwesel.

Um hierfür ein politisches Bewusstsein zu schaffen, plane die Giordano-Bruno-Stiftung zusammen mit anderen Kooperationspartnern eine Kampagne zur Stärkung der Kinderrechte, die in den nächsten Wochen anlaufen soll (alles Weitere hierzu im nächsten Newsletter). "Offenbar ist den Politikern in Berlin nicht bewusst, dass sie die UN-Kinderrechtskonvention unterzeichnet haben und dass dies entsprechende Konsequenzen nach sich ziehen muss."
Schmidt-Salomon verwies dabei auf Artikel 19,1 des "Übereinkommens über die Rechte des Kindes", in dem es heißt: "Die Vertragsstaaten treffen alle geeigneten Gesetzgebungs-, Verwaltungs-, Sozial- und Bildungsmaßnahmen, um das Kind vor jeder Form körperlicher oder geistiger Gewaltanwendung, Schadenzufügung oder Misshandlung (…) zu schützen, solange es sich in der Obhut der Eltern oder eines Elternteils, eines Vormunds oder anderen gesetzlichen Vertreters oder einer anderen Person befindet, die das Kind betreut."
Auch Artikel 24,3 der Kinderrechtskonvention spreche eindeutig gegen die Legitimation der religiösen Vorhautbeschneidung: "Die Vertragsstaaten treffen alle wirksamen und geeigneten Maßnahmen, um überlieferte Bräuche, die für die Gesundheit der Kinder schädlich sind, abzuschaffen."

Entschieden wehrte sich Schmidt-Salomon gegen die häufig anzutreffende Bagatellisierung der Vorhautbeschneidung: "Zwar ist die Vorhautbeschneidung bei Jungen in ihren Auswirkungen nicht vergleichbar mit der Klitorisverstümmelung bei Mädchen, dennoch handelt es sich, wie ich aus eigener leidvoller Erfahrung weiß, um eine höchst unangenehme, schmerzreiche Prozedur, selbst wenn sie unter besten medizinischen Bedingungen erfolgt. Kein Kind sollte dieses Leid erfahren müssen, es sei denn, es liegen eindeutige medizinische Gründe für den Eingriff vor."

Erwachsene könnten für sich selbst die Entscheidung treffen, ob sie aus religiösen Gründen beschnitten werden möchten, sie dürften diese Entscheidung jedoch nicht für ihre Kinder treffen. "Wenn Bundeskanzlerin Merkel meint, Deutschland mache sich mit einem Beschneidungsverbot zu einer ‚Komikernation‘, zeigt dies nur, dass sie sich mit den Problemen der Zirkumzision nicht ernsthaft beschäftigt hat und religiösen Ritualen höheres Gewicht beimisst als dem Kindeswohl."

Immerhin setzt sich die Einsicht in die Unrechtmäßigkeit der Zwangsbeschneidung allmählich auch in religiösen Kreisen durch. Schmidt-Salomon zitierte in diesem Zusammenhang die britisch-jüdische Ärztin und Psychotherapeutin Jenny Goodman, die die rituelle Vorhautbeschneidung der Kinder aus religiöser Perspektive kritisierte:
"Ich bin zuversichtlich, dass mein Volk so viele lebensbejahende, lebensfreudige und erkenntnisbringende Traditionen hat, dass unsere Identität und kulturelle Selbstachtung ohne Probleme überleben wird, wenn wir über die Beschneidung hinauswachsen, die ein grausames Relikt ist, das ich immer als eine Abweichung vom Herzen meiner Religion empfunden habe."

Schmidt-Salomon betonte, dass es keine Anmaßung, sondern vielmehr eine verfassungsrechtliche Notwendigkeit sei, dass der säkulare Rechtsstaat seine Normen durchsetze. Insofern sei das Urteil des Kölner Landgerichts, das nicht die Religionsfreiheit, sondern das Recht auf religiös begründete Körperverletzung aufgehoben habe, in jeder Hinsicht zu begrüßen: "Dass Religionsfreiheit nicht bedeuten kann, Kindern ungestraft Schmerzen zufügen zu dürfen, sollte eigentlich jedem einleuchten – auch den Spitzenpolitikern in Berlin."

Lesen Sie hierzu auch:

Kommentar von Michael Schmidt-Salomon zur "Vorhautresolution" des Deutschen Bundestags (inkl. einer heiß diskutierten Karikatur von Jacques Tilly):
/meldung/bundestag-will-kinderrecht...

FAZ: Offener Brief von über 400 Wissenschaftlern:
http://www.faz.net/aktuell/politik/inland/offener-brief-zur-beschneidung...

In Österreich (wie auch in einigen anderen Ländern) wird die Frage der Beschneidung ebenfalls breit diskutiert:
http://derstandard.at/1342139323042/Koerperverletzung-Widerstandsbuendni...

 

RELIGIONSFREIHEIT ODER KÖRPERVERLETZUNG? VORTRAG VON PROF. DR. HOLM PUTZKE IN OBERWESEL

Das Landgericht Köln, das die rituelle Vorhautbeschneidung als illegitime Körperverletzung wertete und damit eine breite gesellschaftliche Debatte auslöste, griff in seiner Urteilsbegründung auf die Argumente des Passauer Strafrechtsprofessors Holm Putzke zurück. Am 5. August wird Putzke seine Thesen am gbs-Stiftungssitz in Oberwesel vortragen.

Die Veranstaltung im Haus Weitblick (Auf Fasel 16, 55430 Oberwesel) beginnt um 14.30 Uhr. Der Eintritt kostet 10 €, ermäßigt 5 €. Eine Anmeldung ist erforderlich (gbs-Büro Oberwesel, Email: steffen@giordano-bruno-stiftung.de, eine Rückmeldung erfolgt nur, falls bereits alle Plätze vergeben sind).

Weitere Informationen:
/meldung/religionsfreiheit-oder-koe...

 

FÜNF GRÜNDE GEGEN DEN RELIGIONSUNTERRICHT: AUSZUG AUS EINEM STREITGESPRÄCH DER ZEITSCHRIFT "PÄDAGOGIK"

In der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift "Pädagogik" findet sich ein ausführliches Streitgespräch zwischen dem katholischen Religionspädagogen Ulrich Riegel und gbs-Sprecher Michael Schmidt-Salomon zum Thema "Werte für die Welt von morgen - Brauchen wir dafür Religionsunterricht?". Es ist wohl das erste Mal, dass in Deutschlands führender schulpädagogischer Fachzeitschrift solch scharfe Einwände gegen den konfessionellen Religionsunterricht artikuliert werden.

In dem Streitgespräch, das von dem Siegener Erziehungswissenschaftler Hans Werner Heymann moderiert wird, geht es um die Bedeutung ethischer Werte für das gesellschaftliche Zusammenleben, den Unterschied zwischen Werteerziehung und Wertebildung, das "Prinzip der gleichen Berücksichtigung gleichrangiger Werte", nicht zuletzt aber auch um die Frage, ob der konfessionelle Religionsunterricht überhaupt in das Curriculum öffentlicher Schulen gehört.

In vielerlei Hinsicht stimmen die beiden Diskutanten Riegel und Schmidt-Salomon in ihren Ansichten überein - nicht jedoch in diesem letzten Punkt. Auf der gbs-Website dokumentieren wir einen Auszug aus dem Gespräch:
/meldung/fuenf-gruende-gegen-den-re...

 

KURZ NOTIERT

BUNDESWEITER GERDIA-AKTIONSTAG IM SEPTEMBER: Am 8. September soll ein bundesweiter Aktionstag der "Kampagne gegen religiöse Diskriminierung am Arbeitsplatz" (GerDiA) stattfinden. Bislang sind ein Dutzend Städte mit von der Partie. Weitere Gruppen, die sich an dem Aktionstag beteiligen wollen, können sich bei der Kampagnenleitung melden. Kontaktinformationen siehe: http://www.gerdia.de/node/8

ERMITTLUNGSVERFAHREN GEGEN NORBERT DENEF (NETZWERKB) EINGELEITET: Norbert Denef, Sprecher des Netzwerks Betroffener von sexualisierter Gewalt e.V., befindet sich seit dem 8. Juni 2012 im unbefristeten Hungerstreik, um die deutschen Politiker dazu zu bewegen, die Verjährungsfristen bei sexualisierter Gewalt aufzuheben. Mittlerweile haben sich dem Hungerstreik einige andere Unterstützer angeschlossen. Gestern wurde bekannt, dass die Berliner Polizei ein Ermittlungsverfahren gegen Denef eingeleitet hat, siehe: http://netzwerkb.org/2012/07/22/polizei-hat-ermittlungsverfahren-gegen-n...

WHO IS HU? HUMANISTEN-GALERIE WÄCHST WEITER: Wir hatten bereits im April den Start der Humanisten-Galerie "Who is Hu?" angekündigt. In der Galerie finden sich mittlerweile einige Hundert Portraits von konfessionsfreien Menschen, darunter auch einige prominente Autoren wie Richard Dawkins oder Taslima Nasrin. Wenn auch Sie Ihr Gesicht für den Humanismus zeigen möchten, melden Sie sich bitte bei der Initiatorin des Projekts, Evelin Frerk. Weitere Informationen hierzu auf der Who-is-Hu-Website: www.who-is-hu.de

 

DIE NÄCHSTEN TERMINE

Wie immer finden Sie die wichtigsten Termine der kommenden Wochen in unserem Veranstaltungskalender:
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Mit freundlichen Grüßen
Das gbs-Newsletter-Team
www.giordano-bruno-stiftung.de

Infos für diejenigen, die die Ziele der Giordano-Bruno-Stiftung unterstützen möchten:
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