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Newsletter vom 8.6.2012

Ein neues säkulares Selbstbewusstsein: Werden die Konfessionsfreien zu einem politischen Machtfaktor? +++ Kritik an Militärbischof Overbeck: Verteidigungsminister Thomas de Maizière zu Stellungnahme aufgefordert +++ Protest gegen Mordaufruf: Die deutsche Politik muss Shahin Najafi schützen +++ Kurz notiert: Skeptiker rufen zum Einhalten wissenschaftlicher Standards in Forschung und Bildung auf; Bücher zur katholischen "Kindheitsvergiftung" im Alibri Verlag erscheinen; "Keine Macht den Doofen!" nun auch als Hörbuch erhältlich +++ Die nächsten Termine

 

EIN NEUES SÄKULARES SELBSTBEWUSSTSEIN: WERDEN DIE KONFESSIONSFREIEN ZU EINEM POLITISCHEN MACHTFAKTOR?

Gleich vier große Veranstaltungsreihen innerhalb von vier Wochen: Nie zuvor waren Humanisten, Atheisten, Agnostiker, Skeptiker in Deutschland so aktiv – ein Ausdruck des gestiegenen Selbstbewusstseins der säkularen Szene. Dies fiel erfreulicherweise auch dem SPIEGEL auf. Ein Kommentar von Michael Schmidt-Salomon.

"Atheisten? (…) Die langweilen mich, weil sie immer nur von Gott sprechen”, hieß es in Heinrich Bölls Roman "Ansichten eines Clowns". 1963, als das Buch erschien, mag dies noch zutreffend gewesen sein, doch wer die großen säkularen Veranstaltungen der letzten Wochen verfolgt hat, wird Bölls viel zitiertem Bonmot widersprechen. Denn Humanisten, Atheisten, Skeptiker sprechen heute kaum noch von "Gott", sondern von individuellen Selbstbestimmungsrechten, von Freiheit und Gerechtigkeit, vom Genuss des Lebens im Diesseits und den Vorzügen eines evidenzbasierten Denkens jenseits der Illusionen.

Bölls "Clown" hätte sich sicherlich gewundert, aber "langweilig" waren weder der "Internationale Atheisten-Kongress" in Köln noch die "Welt-Skeptiker-Konferenz" in Berlin, weder die "Religionsfreie Zone" in Mannheim noch das alternative Pilgerprogramm "Heilig’s Röckle!" in Trier. Das Publikum, das diese Events besuchte, war ebenso bunt wie die Themen, die behandelt wurden. Die Zeiten, in denen sich Freidenker in staubigen Hinterzimmern trafen, um dort vornehmlich die eigenen religiösen Traumata abzuarbeiten, sind, wie es scheint, endgültig vorbei.

Dieser Wandel wird allmählich auch in den Medien wahrgenommen. So veröffentlichte SPIEGEL Online anlässlich der Kölner Tagung einen gut recherchierten Artikel über das neue Selbstbewusstsein der säkularen Szene. Die Resonanz auf diesen Text war erstaunlich: Am Tag der Veröffentlichung war "Unter Gottlosen" nicht nur einer der meist gelesenen Artikel, sondern auch der am häufigsten empfohlene Beitrag auf Deutschlands wichtigstem Nachrichtenportal!

Bemerkenswert waren nicht zuletzt auch die Ergebnisse der beiden im Text verlinkten Umfragen, an denen sich rund 25.000 SPIEGEL Online-Leser beteiligten. Denn mehr als 53 Prozent der Teilnehmer gaben an, konfessionsfrei und nichtgläubig zu sein. Weitere 20 Prozent stuften sich als nichtgläubig ein, obwohl sie nominell (noch?) einer Religionsgemeinschaft angehören. Als gläubig betrachteten sich nur 19 Prozent der Teilnehmer. Das Ergebnis der zweiten Umfrage war noch verblüffender, votierten doch 91,5 Prozent der Teilnehmer für die strikte Trennung von Staat und Kirche und die Abschaffung der bisherigen Kirchenprivilegien, nur 7,1 Prozent waren der Meinung, die Kirchen hätten ihre Sonderrechte verdient.

Natürlich sind die Ergebnisse der SPIEGEL Online-Umfragen nicht repräsentativ für die deutsche Bevölkerung. Dennoch zeigen sie einen Trend an, der von Medienverantwortlichen und Politikern wahrgenommen werden sollte: Es gibt definitiv eine wachsende Zahl von Menschen, die sehr entschieden für säkulare Inhalte eintreten und die es auf Dauer kaum tolerieren werden, dass Religionslobbyisten einen so großen Einfluss auf die Politik und die Medien dieses Landes nehmen!

Lesen Sie weiter unter:
http://hpd.de/node/13515

 

KRITIK AN MILITÄRBISCHOF OVERBECK: VERTEIDIGUNGSMINISTER THOMAS DE MAIZIÈRE ZU STELLUNGNAHME AUFGEFORDERT

In einem Brief an den Bundesminister der Verteidigung, Thomas de Maizière, hat der Vorstand der Giordano-Bruno-Stiftung die jüngsten Äußerungen des katholischen Militärbischofs Franz-Josef Overbeck kritisiert. Overbeck habe nichtreligiösen Menschen das Menschsein abgesprochen und sie als Soldaten zweiter Klasse abgestempelt. Der Minister dürfe dies nicht unwidersprochen stehenlassen, zumal es in den Streitkräften mehr konfessionsfreie als katholische Soldaten gebe.

Die vollständige Meldung unter:
/meldung/kritik-an-militaerbischof-...

 

PROTEST GEGEN MORDAUFRUF: DIE DEUTSCHE POLITIK MUSS SHAHIN NAJAFI SCHÜTZEN

Der Zentralrat der Ex-Muslime (ZDE) und die Giordano-Bruno-Stiftung (gbs) haben den Mordaufruf gegen den exil-iranischen Rapper Shahin Najafi verurteilt und die deutschen Politiker dazu aufgefordert, alles zu unternehmen, um das Leben des in Köln lebenden Musikers zu schützen. Von liberalen Muslimen erwartet gbs-Sprecher Michael Schmidt-Salomon nun eine deutliche Kritik an den Menschenrechtsverletzungen ihrer fundamentalistischen Glaubensbrüder.

Weitere Informationen unter:
/meldung/protest-mordaufruf-najafi

 

KURZ NOTIERT:

SKEPTIKER RUFEN ZUM EINHALTEN WISSENSCHAFTLICHER STANDARDS IN FORSCHUNG UND BILDUNG AUF:
Auf der 6. Welt-Skeptiker-Konferenz in Berlin, die u.a. auch von der gbs unterstützt wurde, haben die Teilnehmer eine Resolution verabschiedet, die angesichts mannigfaltiger Fehlentwicklungen in jüngster Zeit dazu aufruft, die wissenschaftlichen Standards in Forschung und Bildung einzuhalten. Die Giordano-Bruno-Stiftung stimmt der Resolution in vollem Umfang zu.
Text der Resolution:
http://www.worldskeptics.org/de/home-de/2-uncategorised/56-einhalten-von...

BÜCHER ZUR KATHOLISCHEN "KINDHEITSVERGIFTUNG" ERSCHIENEN:
Der Alibri Verlag hat unlängst zwei bemerkenswerte Bücher zu den Folgen einer katholischen Kindheit herausgebracht. Bei "Kindheitsvergiftung" von gbs-Beirat Ludger Lütkehaus handelt es sich um eine erweiterte Neuauflage des bereits 1994 erschienenen Titels, den Lütkehaus aus familiären Gründen zunächst unter dem Pseudonym Gerd Groothus herausgebracht hatte – eine sprachlich verdichtete Aufarbeitung der eigenen Kindheit, ergänzt durch prägnante Aphorismen des vielfach ausgezeichneten Literaturwissenschaftlers und Autors.
Uneingeschränkt zu empfehlen ist auch das von Ralf Cantzen herausgegebene Buch "Ich bin hinter dir: Katholische Internatsgeschichten". Die ungeschminkten Erinnerungen der Autoren (darunter auch Norbert Denef, der vor wenigen Tagen in den Hungerstreik getreten ist, http://netzwerkb.org/2012/06/08/ich-bin-im-hungerstreik-2/) sind bedrückend und beeindruckend zugleich.
Sie zeigen, wie in der "totalen Institution" des Internats Kontrolle, Hierarchie, Gewalt und sexueller Missbrauch ineinandergreifen und warum sich die christliche Sündenideologie so hervorragend zur Legitimation der "schwarzen Pädagogik" eignete. Ein wichtiges, aufrüttelndes Buch, das hoffentlich dazu beitragen wird, dass der Skandal der christlichen Heim- und Internats-Erziehung so schnell nicht wieder verdrängt werden kann.
Weitere Informationen zu den Büchern (denkladen.de):
http://www.denkladen.de/product_info.php/info/p1845_Cantzen--Hrsg----Ich...
http://www.denkladen.de/product_info.php/info/p1834_Luetkehaus--Kindheit...

"KEINE MACHT DEN DOOFEN!" NUN AUCH ALS HÖRBUCH ERHÄLTLICH:
Michael Schmidt-Salomons aktuelle Streitschrift "Keine Macht den Doofen" (Piper 2012) ist vor kurzem als Hörbuch erschienen, großartig vorgetragen von dem Schauspieler Stéphane Bittoun. Auf der Website zum Buch gibt es einen Auszug aus dem Hörbuch (mp3: "Homo demens - Warum ich mich schäme, Mensch zu sein"), bei Interesse kann das Hörbuch von der Website aus auch gleich bestellt werden:
http://www.keine-macht-den-doofen.de/das-buch

 

DIE NÄCHSTEN TERMINE

Wie immer finden Sie die wichtigsten Termine der kommenden Wochen in unserem Veranstaltungskalender:
/termine

 

Mit freundlichen Grüßen
Das gbs-Newsletter-Team
www.giordano-bruno-stiftung.de

Infos für diejenigen, die die Ziele der Giordano-Bruno-Stiftung unterstützen möchten:
/aufklaerer-werden