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Newsletter vom 13.03.2015

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gbs-Sitftungssitz, Foto: Michael Neyses

"Wie wollen wir sterben? Ein Plädoyer für organisierte Sterbehilfe": Vortrag von DIGNITAS-Gründer Ludwig A. Minelli am 29. März am gbs-Stiftungssitz in Oberwesel +++ Petitionsausschuss prüft Petition zur Abschaffung des "Gotteslästerungsparagraphen": Giordano-Bruno-Stiftung dankt den Unterstützern und zieht ein erstes Resümee +++ Kurz notiert: World Wide Day of Genital Autonomy / Internationale Atheismus-Konferenz in Köln / Sinnestäuschungen in Nürnberg +++ Buchempfehlungen: Dogmenwahn, mittelalterliche Fälschungen und die Macht der Emergenz +++ Die nächsten Termine

 

"WIE WOLLEN WIR STERBEN? EIN PLÄDOYER FÜR ORGANISIERTE STERBEHILFE": VORTRAG VON DIGNITAS-GRÜNDER LUDWIG A. MINELLI AM 29. MÄRZ AM GBS-STIFTUNGSSITZ IN OBERWESEL

Trotz des eindeutigen Bevölkerungsvotums für mehr Selbstbestimmung am Lebensende befürworten die deutschen Parlamentarier derzeit mehrheitlich ein Verbot der organisierten Sterbehilfe. Vernünftige, rechtsstaatliche Argumente gibt es dafür nicht, wie Ludwig A. Minelli, Gründer und Vorsitzender der Schweizer Sterbehilfeorganisation DIGNITAS, in seinem Vortrag am gbs-Stiftungssitz in Oberwesel darlegen wird. Seines Erachtens sind die aktuellen Verbotsbestrebungen auf mangelnde Sachkenntnis zurückzuführen sowie auf weltanschauliche und ökonomische Interessen, die in der Debatte meist verschwiegen werden.

Dass die organisierte Sterbehilfe in der deutschen Politik als besonders anrüchig gilt, widerspricht diametral den Erfahrungen der Schweiz, wo Organisationen wie EXIT und DIGNITAS seit vielen Jahren schwerstleidende Menschen beim Freitod begleiten. In der Schweiz haben sich auch die Vorteile der organisierten Sterbehilfe gegenüber nichtorganisierten Formen (Freitodbegleitungen durch Angehörige oder einzelne Ärzte) gezeigt:
Organisierte Freitodhilfe ist erstens transparenter, da die Vereine den Behörden gegenüber ihre Fälle offenlegen, zweitens sicherer, da die involvierten Personen entsprechend geschult sind, und drittens gerechter, da Organisationen auch für diejenigen erreichbar sind, die in ihrem Umfeld keine fachkundigen Unterstützer finden (was nur den allerwenigsten Betroffenen vergönnt ist).

Die Schweizer Erfahrungen belegen zudem einen weiteren Vorteil, denn Sterbehilfe-Organisationen sind nicht zuletzt auch Lebenshilfe-Organisationen. Da sie (im Unterschied zu anderen) Suizidwillige ergebnisoffen beraten, können sie eine entscheidende Rolle bei der Suizidversuchsprophylaxe spielen. Bei etwa 10.000 Suiziden und bis zu 500.000 Suizidversuchen pro Jahr in Deutschland ist dies ein Thema von großer gesellschaftlicher Bedeutung, das – man denke nur an die tragischen Folgen vieler gescheiterter Suizidversuche – von den "Vertretern des Volkes" nicht länger verdrängt werden sollte.

Ludwig A. Minelli wurde 1932 in Zürich geboren. Zunächst war er als Journalist tätig, u.a. als erster Schweiz-Korrespondent des SPIEGEL. Nach einem späteren Jura-Studium (Abschluss 1981) spezialisierte sich Minelli als Rechtsanwalt auf Menschenrechtsfragen. So haben die als "Minelli I", "Minelli II" und "Minelli III" bekannten Urteile des Schweizerischen Bundesgerichtes maßgeblich zur Verbesserung der Lebensbedingungen von Strafgefangenen beigetragen.
1978 gründete er die Schweizerische Gesellschaft für die Europäische Menschenrechtskonvention (SGEMKO) und 1998 den Verein DIGNITAS, der nicht nur schwer leidende Menschen berät und gegebenenfalls beim Freitod begleitet, sondern sich auch in der Suizidversuchsprävention, Durchsetzung von Patientenverfügungen, Zugang zur Palliativversorgung usw. engagiert. DIGNITAS hilft auch Nicht-Schweizern, was eine breite internationale Debatte über Sterbehilfe auslöste, und zählt heute Mitglieder in 74 Ländern, insbesondere in Deutschland, wo 2005 DIGNITAS-Deutschland ins Leben gerufen wurde.

Die Veranstaltung mit Ludwig A. Minelli am Sonntag, dem 29. März 2015, im Haus WEITBLICK (Auf Fasel 16, 55430 Oberwesel) beginnt um 14.30 Uhr (Einlass: 14.00 Uhr). Da die Anzahl der Sitzplätze begrenzt ist, ist eine vorherige Anmeldung erforderlich. Eine Rückmeldung erfolgt nur, sofern alle Plätze bereits vergeben sind. Der Eintritt beträgt 10 Euro, für Schüler, Studenten und Erwerbslose: 5 Euro.

Anmeldung zur Veranstaltung per Webformular:
/veranstaltung-haus-weitblick

 

PETITIONSAUSSCHUSS PRÜFT PETITION ZUR ABSCHAFFUNG DES "GOTTESLÄSTERUNGS-PARAGRAPHEN": GIORDANO-BRUNO-STIFTUNG DANKT DEN UNTERSTÜTZERN UND ZIEHT EIN ERSTES RESÜMEE

Die von gbs-Vorstandssprecher Michael Schmidt-Salomon nach dem Anschlag auf "Charlie Hebdo" eingereichte Petition zur Streichung des "Gotteslästerungsparagraphen" 166 StGB hat über 11.000 Mitzeichner gefunden – deutlich mehr als 98 Prozent der Petitionen, die bislang beim Deutschen Bundestag eingereicht wurden. Die Giordano-Bruno-Stiftung dankt allen, die zur Verbreitung der Petition beigetragen haben, und wartet nun auf das Ergebnis des parlamentarischen Prüfverfahrens, das sich noch einige Monate hinziehen dürfte.

Schmidt-Salomon hatte gehofft, dass die Petition Mitzeichner im fünfstelligen Bereich finden würde. Entsprechend zufrieden ist er mit dem Resultat: "Petitionen auf der Website des Petitionsausschusses des Deutschen Bundestags erhalten aufgrund der formalen Hürden weit weniger Unterstützer als die eher symbolischen Petitionen von avaaz oder change.org. Petitionen mit über 10.000 Mitzeichnern sind beim Deutschen Bundestag selten und deuten darauf hin, dass hinter einem Petitionsanliegen tatsächlich ein breiteres, gesellschaftliches Interesse steht."

Anders als in einigen Medienberichten behauptet wurde, ist das (in der Praxis äußerst seltene) Erreichen des sogenannten Quorums von 50.000 Mitzeichnern keine Voraussetzung dafür, dass eine Petition vom Petitionsausschuss behandelt wird. Tatsächlich hat das Quorum formal nur geringe Bedeutung, wie Schmidt-Salomon erklärt:
"Der Unterschied besteht darin, dass bei einer Petition oberhalb des Quorums eine öffentliche Anhörung mit einer Zweidrittel-Mehrheit im Petitionsausschuss abgelehnt werden kann, während bei einer Petition unterhalb des Quorums eine einfache Mehrheit ausreicht. Für das parlamentarische Prüfverfahren selbst ist der Inhalt einer Petition entscheidend – nicht die Frage, ob das Quorum erreicht wurde oder nicht."

Dass seine Petition tatsächlich zu einer baldigen Streichung des §166 StGB führen wird, erwartet Schmidt-Salomon angesichts der politischen Mehrheitsverhältnisse nicht. Dies sei auch nicht das vorrangige Ziel der Petitionskampagne gewesen. Der Giordano-Bruno-Stiftung sei es vielmehr darum gegangen, eine neue Debatte über Kunst- und Meinungsfreiheit anzustoßen – und dies habe auch gut funktioniert:
"Anders als etwa beim Karikaturenstreit, als konservative Politiker vorpreschten, um eine Verschärfung des §166 StGB zu fordern, waren wir dieses Mal nicht in der Defensive, sondern konnten die Debatte von Beginn an in eine liberalere Richtung lenken. In den Medien, die unsere Pressemitteilung schnell aufgegriffen haben, überwogen dann auch erfreulicherweise Kommentare, die für eine Abschaffung des alten Zensurparagraphen eintraten, trotz der ablehnenden Haltung der Regierungskoalition."

Schmidt-Salomon hob hervor, dass im Zuge der Debatte auch Thomas Fischer, der Vorsitzende Richter am Bundesgerichtshof in Karlsruhe, die ersatzlose Streichung von § 166 StGB gefordert habe:
"Dass mit Thomas Fischer einer der führenden deutschen Juristen den Paragraphen als 'überflüssig und rückständig' bewertet, sollte dem Petitionsausschuss zu denken geben. Wir hoffen daher, dass trotz der politischen Mehrheitsverhältnisse im parlamentarischen Prüfverfahren nicht nur die Interessen konservativer Religionslobbyisten berücksichtigt werden, sondern auch die zahlreichen Argumente, die aus einer freiheitlichen, rechtsstaatlichen Sicht gegen die Aufrechterhaltung einer Strafnorm sprechen, die die Kunst- und Meinungsfreiheit einschränkt und religiöse Fanatiker dazu motiviert, zum Faustrecht zu greifen. In einem modernen Rechtsstaat hat ein solcher Paragraph nichts verloren."

Links zu dieser Meldung:
http://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2015-03/blasphemie-gottesl...

Siehe auch:
/meldung/petition-166-stgb
/meldung/charlie-hebdo-paragraph166...

KURZ NOTIERT

WORLDWIDE DAY OF GENITAL AUTONOMY: Am 7. Mai jährt sich die Verkündung des Kölner Urteils zur Knabenbeschneidung zum dritten Mal. Dieses hatte 2012 auch Jungen das Recht auf genitale Selbstbestimmung zugesprochen und ist inzwischen weltweit zu einem Symbol für die Selbstbestimmungsrechte des Kindes unabhängig von Geschlecht, Herkunft, Religion und Tradition geworden. Anlässlich des Jahrestags findet in Köln eine Kundgebung statt, zu der neben vielen anderen Organisationen auch die Giordano-Bruno-Stiftung aufruft. Weitere Infos unter: http://genitale-selbstbestimmung.de/
Bereits am Tag zuvor führen – ebenfalls in Köln – unsere Kooperationspartner Mogis e.V. und profamilia NRW ein prominent besetztes Symposium zum Thema durch, siehe: http://genitale-autonomie.de/. Am 8./9. Mai folgt in Frankfurt ein großer internationaler Kongress, veranstaltet von unserem Kooperationspartner intaktiv e.V. zusammen mit der internationalen Vereinigung "Genital Autonomy", siehe http://intaktiv.de/genital-autonomy-2015-in-frankfurt/ bzw. http://www.genitalautonomy.org/2015/02/11/myths-and-multiple-standards/ 

INTERNATIONALE ATHEISMUS-KONFERENZ IN KÖLN: Bereits 2012 richtete der Internationale Bund der Konfessionslosen und Atheisten (IBKA) eine weithin beachtete "Internationale Atheismus-Tagung" aus. Vom 22.-24. Mai wird im Kölner Comedia-Theater die Nachfolgekonferenz unter dem Titel "Give peace a chance - Säkularisierung und globale Konflikte" stattfinden. Neben vielen internationalen Gästen sind mit Carsten Frerk, Colin Goldner, Michael Schmidt-Salomon und Assunta Tammelleo gleich vier gbs-Mitglieder als Referenten mit von der Partie. Besonderer Höhepunkt der Veranstaltung: Die Verleihung des IBKA-Preises "Sapio" an den Evolutionsbiologen und "Bad Religion"-Sänger Greg Graffin.
Anmeldungen zur Veranstaltung sind ab sofort möglich: http://www.ibka.org/tagung2015

SINNESTÄUSCHUNGEN IN NÜRNBERG: Ist das Kleid nun blau-schwarz oder weiß-golden? Nie zuvor haben sich weltweit so viele Menschen darüber gestritten, welche Farbe ein bestimmtes Kleidungsstück hat, wie es im Falle des Kleides geschehen ist, dass die Schottin Cecilia Bleasdale zur Hochzeit ihrer Tochter getragen hat. Rainer Rosenzweig, Geschäftsführer der turmdersinne gGmbH und gbs-Beirat, erklärte letzte Woche in sternTV die hirnphysiologischen Hintergründe der optischen Täuschung, die den Internethype um "#dressgate" auslösten.
Zum Dank erhielt Rosenzweig das Originalkleid, das nun neben vielen anderen interessanten Exponaten im Nürnberger Hands-on-Museum "turmdersinne" bestaunt werden kann.  Ein weiterer guter Grund, um dem "kleinsten Science Center der Welt" einen Besuch abzustatten. Infos unter: http://www.turmdersinne.de/

BUCHEMPFEHLUNGEN

HEINZ-WERNER KUBITZA: DER DOGMENWAHN. SCHEINPROBLEME DER THEOLOGIE. HOLZWEGE EINER ANGEMASSTEN WISSENSCHAFT. TECTUM VERLAG 2015.
Nach dem erfolgreichen Buch "Der Jesuswahn", das die grundlegenden Glaubensaussagen des Christentums in brillanter Weise auseinandernahm, wendet sich gbs-Beirat Heinz-Werner Kubitza in seinem aktuellen Werk den Scheinproblemen jener "gläubigen Wissenschaft" zu, die er einst in Frankfurt, Tübingen, Bonn und Marburg studierte. Die Newsletter-Redaktion kann sich den Lobeshymnen, die das Buch bereits hervorgerufen hat (Horst Herrmann etwa bezeichnete es als einen "Meilenstein der Kirchenkritik"), nur anschließen:
Kubitzas Analyse der Parallelwelten des theologischen Denkens ist nicht nur äußerst geistreich, gut belegt und logisch stringent, sondern auch höchst amüsant zu lesen. Ein Buch, das die Debatte über die Frage, ob Theologie weiterhin an staatlichen Universitäten gelehrt werden sollte, zusätzlich befeuern wird.
http://hpd.de/artikel/11287
http://hpd.de/artikel/11230

HERMANN DETERING: O DU LIEBER AUGUSTIN. FALSCHE BEKENNTNISSE? ALIBRI 2015.
Dass im Mittelalter die Fälschung bzw. die gottgefällige Herstellung vermeintlich antiker Bücher und Dokumente Hochkonjunktur hatte, ist seit langem bekannt. Aber könnte es sein, dass es sich bei einem der meist zitierten Werke der (theologischen) Weltliteratur, den autobiographischen "Confessiones" von Kirchenvater Augustinus, ebenfalls um eine Fälschung handelt? Die kenntnisreiche Studie des promovierten Theologen Hermann Detering macht diese "abenteuerliche These" plausibel.
Das Pikante daran: Wenn die Bekenntnisse des Augustinus tatsächlich eine Fälschung aus dem 11. Jahrhundert sein sollten, wie Detering argumentiert, müssten auch andere Werke, die sich vermeintlich vor dem 11. Jahrhundert auf die "Confessiones" bezogen, gefälscht sein. Eine faszinierende Detektivarbeit, die dem alten Volkslied "O du lieber Augustin, alles ist hin" eine völlig neue Bedeutung verleiht.
http://hpd.de/artikel/11004
http://hpd.de/artikel/10874

GÜNTER DEDIÉ: DIE KRAFT DER NATURGESETZE. EMERGENZ UND KOLLEKTIVE FÄHIGKEITEN VON DEN ELEMENTARTEILCHEN BIS ZUR MENSCHLICHEN GESELLSCHAFT. TREDITION 2014.
Dass das "Ganze mehr ist als die Summe seiner Teile" erkannte bereits Aristoteles. Der Begriff, mit dem dieses Phänomen heute umschrieben wird, heißt Emergenz. Doch was bedeutet "Emergenz"? Wie lässt es sich erklären, dass auf der Basis einiger weniger Naturkonstanten komplexe Systeme wie Ameisenhaufen oder menschliche Zivilisationen entstehen konnten? Der promovierte Physiker Günter Dedié liefert auf diese Fragen plausible Antworten. In seinem bei aller Detailkenntnis auch für Laien verständlich geschriebenen Buch zeigt er anhand vieler anschaulicher Beispiele auf, wie sich komplexe Systeme aus der spezifischen Organisation ihrer jeweiligen Bestandteile entwickeln.
Das Geschehen im Kosmos folgt offenkundig, wie Dedié darlegt, einem universellen, wissenschaftlich nachvollziehbaren Ordnungsprinzip, das sich auf Elementarteilchen ebenso auswirkt wie auf menschliche Gesellschaften. Ein bemerkenswerter Beitrag zum naturalistischen Weltverständnis.
http://publish-books.tredition.de/tredition/books/ID38717/Die-Kraft-der-...

 

DIE NÄCHSTEN TERMINE

In den kommenden Wochen finden im gbs-Umfeld besonders viele Veranstaltungen statt. Alle Termine finden Sie, wie immer, im gbs-Terminkalender:
/termine

Mit freundlichen Grüßen
Das gbs-Newsletter-Team
www.giordano-bruno-stiftung.de

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www.giordano-bruno-stiftung.de/aufbau/aufklaerer-werden