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Newsletter vom 5.5.2017

Volksheld, Antisemit, Hassprediger: Giordano-Bruno-Stiftung veröffentlicht kritische Broschüre zum Luther-Jahr +++ Demonstration gegen Genitalverstümmelung: Kundgebung u.a. mit Mina Ahadi (ZdE) und Michael Schmidt-Salomon am 7. Mai in Köln +++ "Auf hohlen Köpfen ist gut trommeln!": Bilanz des "Science March Germany"+++ Empfehlenswerte Literatur: Bücher von Ulrich Walter, Hans Albert, Jürgen Beetz und Sibylle Biermann-Rau +++ Die nächsten Termine

 

Volksheld, Antisemit, Hassprediger: Giordano-Bruno-Stiftung veröffentlicht kritische Broschüre zum Luther-Jahr

Rund 250 Millionen Euro aus allgemeinen Steuergeldern bringt die öffentliche Hand für die "Luther-Dekade" auf. Der 500. Jahrestag seines angeblichen "Thesenanschlags" soll sogar als bundesweiter Feiertag begangen werden. Doch war Martin Luther ein Mann, den man feiern sollte? Nein, sagt die Giordano-Bruno-Stiftung, die in ihrer soeben veröffentlichten kritischen Luther-Broschüre aufzeigt, dass der Reformator einer der "wirkmächtigsten Vertreter des Judenhasses von Golgatha bis Auschwitz" war.

Für Adolf Hitler war Martin Luther "ein großer Mann, ein Riese", der "den Juden" sah, "wie wir ihn erst heute zu sehen beginnen." Auch für den evangelischen Landesbischof Martin Sasse, der 1938 (nach der Reichspogromnacht) das Heft "Martin Luther über die Juden: Weg mit ihnen!" herausgab, war der Reformator ein leuchtendes Vorbild, der "größte Antisemit seiner Zeit, der Warner seines Volkes wider die Juden".

Die Nationalsozialisten setzten um, was Luther 400 Jahre zuvor in seiner Hetzschrift "Von den Juden und ihren Lügen" gefordert hatte, nämlich Zwangsarbeit und Zwangsunterbringung für Juden sowie das Niederbrennen ihrer Synagogen. Von Martin Luther übernahmen die Nazis auch den Leitspruch ihres Hetzblattes "Der Stürmer": "Die Juden sind unser Unglück!" Kein Wunder also, dass sich "Stürmer"-Herausgeber Julius Streicher 1946 beim Nürnberger Prozess mit Berufung auf Martin Luther verteidigte: "Dr. Martin Luther säße heute sicher an meiner Stelle auf der Anklagebank, wenn dieses Buch von der Anklagevertretung in Betracht gezogen würde. In dem Buch ‚Die Juden und ihre Lügen‘ schreibt Dr. Martin Luther, die Juden seien ein Schlangengezücht. Man solle ihre Synagogen niederbrennen, man solle sie vernichten."

Den meisten protestantischen Theologen sind diese geschichtlichen Zusammenhänge wohlbekannt, weshalb sie auf kritische Nachfragen durchaus einräumen, dass es bei Martin Luther "dunkle Flecken" und "beschämende Aussagen" gebe. Allerdings legt die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) großen Wert darauf, dass hierdurch das öffentliche Bild des Reformators nicht beschädigt wird. Daher soll die Beschäftigung mit Luthers "dunklen Flecken" möglichst Fachkreisen vorbehalten bleiben, während für die breite Bevölkerung das Loblied auf den Verkünder der "Freiheit des Christenmenschen" angestimmt wird - angereichert mit allerhand harmlos-lustigem Luther-Tand wie etwa "Luther-Lutschern", "Luther-Bonbons" oder "Luther-Playmobilfiguren".

Die Giordano-Bruno-Stiftung möchte diesem unkritischen, geschichtsverfälschenden Luther-Bild entgegenwirken. Zu diesem Zweck lässt sie den Reformator in der Broschüre selbst zu Wort kommen. Dabei zeigt sich, dass Luther nicht nur ein besonders vehementer religiöser Judenhasser (Antijudaist) war, der den Begriff der "Judensau" wie kaum ein Zweiter popularisierte, sondern dass er auch im Sinne eines vormodernen Rassismus (Antisemitismus) gegen "die Juden" agitierte. So schrieb Martin Luther im Jahr 1543: "Das israelitische Blut ist vermischt, unrein, verwässert und verwildert worden. […] Dieser trübe Bodensatz und stinkender Abschaum, dieser verschimmelte Sauerteig und sumpfige Morast von Judentum sollte die Erfüllung des Messias verdient haben, aber doch nichts weiter ist als ein fauler, stinkender, verrotteter Bodensatz vom Blut ihrer Väter?"

Neben Luthers unbändigen Judenhass werden in der gbs-Broschüre auch die menschenverachtenden Positionen des Reformators gegenüber Frauen, "Hexen", Behinderten und aufständischen Bauern dokumentiert. Allerdings kann eine 12-seitige Broschüre nur einen kurzen Einstieg in Luthers Weltbild bieten. Daher verweist der Text zur weiteren Vertiefung auf die aktuelle dreibändige Edition der judenfeindlichen Schriften Luthers, herausgegeben von Karl-Heinz Büchner, Bernd P. Kammermeier, Reinhold Schlotz und Robert Zwilling (allesamt Mitglieder der gbs-Regionalgruppe Rhein-Neckar). Außerdem bezieht sich die Broschüre auf die von der gbs-Rhein-Neckar konzipierte Ausstellung "Von Golgatha nach Auschwitz" sowie auf das gleichnamige Buch von Reinhold Schlotz. Buch und Ausstellung ordnen Luthers Denken historisch ein und belegen anhand zahlreicher Quellen, dass die christliche Judenfeindschaft zwar keine hinreichende, wohl aber eine notwendige Voraussetzung für den Holocaust war.

Wer die Broschüre "Martin Luther: Volksheld – Antisemit – Hassprediger" im Luther-Jahr verteilen oder als Korrektiv zu den offiziellen EKD-Materialien im Unterricht einsetzen möchte, kann gedruckte Exemplare über dieses Formular kostenfrei beim Stiftungssekretariat bestellen. Die Onlineversion der Luther-Broschüre ist ab sofort als pdf-Datei über die gbs-Website verfügbar:
/sites/gbs/files/download/2017luther-broschuere-web.pdf

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Demonstration gegen Genitalverstümmelung: Kundgebung u.a. mit Mina Ahadi (ZdE) und Michael Schmidt-Salomon am 7. Mai in Köln

Am 7. Mai jährt sich zum fünften Mal das Urteil des Landgerichts Köln, das die medizinisch nicht indizierte Beschneidung von Jungen als Körperverletzung und strafbare Handlung wertete. Anlässlich dieses Jahrestages ruft ein breites Bündnis von Organisationen (u.a. MOGIS e.V., IBKA, intaktiv, pro familia NRW, Terre des Femmes, Zentralrat der Ex-Muslime und die Giordano-Bruno-Stiftung) am Sonntag, dem 7. Mai 2017, zu einer Demo für das Recht der Kinder auf genitale Selbstbestimmung auf. Die Demo startet am Landgericht Köln (Luxemburger Straße 101, 50939 Köln) um 12:30 Uhr, die Abschlusskundgebung findet um 14.00 Uhr auf dem Wallrafplatz am WDR-Funkhaus statt.

Mit der Demonstration möchten die Initiatoren all jenen eine Plattform bieten, die Körperverletzung als Teil der Erziehung strikt ablehnen und für den Schutz aller Kinder weltweit vor Verletzung ihrer körperlichen und sexuellen Integrität demonstrieren möchten. In diesem Jahr wird es vor allem auch um Beschneidungsprogramme in Afrika gehen. Auf der Abschlussundgebung werden Rednerinnen und Redner vieler Unterstützerorganisationen (u.a. intaktiv, Terre des Femmes, gbs, MOGIS, ZdE) erwartet, u.a. Mina Ahadi vom Zentralrat der Ex-Muslime und Michael Schmidt-Salomon von der Giordano-Bruno-Stiftung.

Weitere Informationen:
https://genitale-selbstbestimmung.de

Flyer "Worldwide Day of Genital Autonomy": 5 Jahre "Kölner Urteil" (PDF)

  

"Auf hohlen Köpfen ist gut trommeln!": Eine Bilanz des "Science March Germany"

Beim "Marsch für die Wissenschaft" gingen am 22. April deutschlandweit 37.000 Menschen auf die Straße, um für eine stärkere Beachtung wissenschaftlicher Erkenntnisse in Politik und Gesellschaft zu demonstrieren. Die Giordano-Bruno-Stiftung, die den "Science March Germany" in besonderer Weise unterstützt hat, wertet dies als einen "unerwarteten Erfolg". Allerdings hat das Engagement der Stiftung für den "Science March" auch Kritiker auf den Plan gerufen. In einem ausführlichen Interview ging gbs-Vorstandssprecher Michael Schmidt-Salomon auf die Kritikpunkte ein und erklärte, warum es nicht nur in den USA, sondern auch in Deutschland notwendig ist, die gesellschaftliche Bedeutung rationaler, evidenzbasierter Argumente zu stärken:
https://hpd.de/artikel/hohlen-koepfen-gut-trommeln-14351

  

Empfehlenswerte Literatur: Bücher von Ulrich Walter, Hans Albert, Jürgen Beetz und Sibylle Biermann-Rau

Ulrich Walter: Im schwarzen Loch ist der Teufel los. Astronaut Ulrich Walter erklärt das Weltall. München 2016. "Der Physiker, Astronaut und gbs-Beirat Ulrich Walter beweist seit vielen Jahren (u.a. auch in zahlreichen Fernsehauftritten), dass er in der Lage ist, komplexe wissenschaftliche Zusammenhänge unterhaltsam zu vermitteln. Und so gibt es auch in seinem aktuellen Buch, das es bereits auf die Spiegel-Bestsellerliste geschafft hat, einiges zum Schmunzeln. Allerdings sollte der schmissige Titel des Buchs keine falschen Vorerwartungen wecken, denn Ulrich Walter geht in dem Buch mitunter ans Eingemachte. Eine gewisse physikalische Vorkenntnis ist daher hilfreich, um der Argumentation des Autors folgen zu können. Unter dieser Voraussetzung allerdings sind Ulrich Walters Darlegungen zu Wurmlöchern, Parallelwelten, zur Wahrscheinlichkeit eines Kontakts mit außerirdischen Kulturen, zur "Mondverschwörung" und zu den geplanten Mars-Missionen ein intellektuelles Vergnügen.
http://www.mint-zirkel.de/2017/04/man-bekommt-eine-andere-sicht-auf-die-dinge-der-welt/

Hans Albert: Zur Analyse und Kritik der Religionen. Alibri 2017. gbs-Beirat Hans Albert, zweifellos der wichtigste deutschsprachige Vertreter des Kritischen Rationalismus, hat sich in vielen seiner früheren Bücher mit religiösen und theologischen Argumenten auseinandergesetzt, u.a. in den Büchern "Das Elend der Theologie", "Kritik des theologischen Denkens" und "Joseph Ratzingers Rettung des Christentums". Im Alter von 96 Jahren hat Hans Albert nun noch einmal nachgelegt. "Zur Analyse und Kritik der Religionen" (das sich entgegen dem allgemeinerem Titel vorwiegend mit christlich-theologischen Argumente auseinandersetzt) zeichnet sich durch die gleiche glasklare Diktion aus, die Hans Alberts Werke schon immer zu einem besonderen Lesegenuss machten. Ein Muss für Albert-Fans – wie z.B. für Sheldon aus der erfolgreichen Sitcom "The Big Bang Theory", der in dieser Szene das von Hans Albert beschriebene "Münchhausen-Trilemma" nutzte, um zu begründen, warum es unmöglich ist, eine Letztbegründung dafür zu finden, weshalb er aus der WG mit Leonard ausziehen muss. Verlagsseite zum Buch: http://www.alibri-buecher.de/Buecher/Religionskritik/Hans-Albert-Zur-Analyse-und-Kritik-der-Religionen::597.html

Jürgen Beetz: AfD – Auffällig feines Deutsch. Verborgene Schlüsselwörter eines Parteiprogramms. Alibri 2017. Rechtspopulistische Kräfte setzen häufig auf die Strategie "Stimmung statt Argumente". Doch wie gelingt ihnen das? Jürgen Beetz (Mitglied des gbs-Förderkreises) enthüllt in seinem sprachkritischen Buch die verborgenen Bedeutungen und Assoziationen hinter den fein formulierten Sätzen des AfD-Parteiprogramms. Ein überaus lesenswertes Buch – nicht nur, weil es aufzeigt, mit welchen Mitteln Populisten versuchen, Einfluss zu gewinnen, sondern auch, weil es helfen kann, unser Bewusstsein für Sprache ganz allgemein zu schärfen. Interview mit dem Autor: https://hpd.de/artikel/wolf-zeigt-sich-wenn-man-den-schafspelz-schaut-14350

Sibylle Biermann-Rau: An Luthers Geburtstag brannten die Synagogen. Eine Anfrage. Calwer Verlag 2014: Die erste Auflage dieses bemerkenswerten Buches von Sibylle Biermann-Rau (Pfarrerin der württembergischen Landeskirche) erschien bereits im Jahr 2012. Es setzt sich in lobenswerter Offenheit mit dem Judenhass Luthers auseinander und zeigt auf, wie stark antisemitisches Gedankengut in protestantischen Kreisen verankert war, selbst bei den oppositionellen Kräften der "Bekennenden Kirche". Mit ihrer Schrift wollte Biermann-Rau die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) dazu ermuntern, die Judenfeindlichkeit Luthers und vieler seiner Nachfolger nicht weiter zu verdrängen, sondern im Rahmen der Luther-Dekade kritisch aufzuarbeiten. Wäre es dazu gekommen, hätte die Giordano-Bruno-Stiftung ihre Broschüre zum Luther-Jahr (siehe oben) nicht herausgeben müssen. Verlagsseite zum Buch: http://www.calwer.com/cwv//an_luthers_geburtstag_brannten_die_Synagogen/225454

  

Die nächsten Termine

Die Termine der nächsten Wochen finden Sie, wie immer, im gbs-Terminkalender:
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