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Das Ende der Kriminalisierung?

Bündnis stellt Gesetzentwurf für einen selbstbestimmten Schwangerschaftsabbruch vor

Heute haben die Universitätsprofessorinnen Friederike Wapler, Maria Wersig und Liane Wörner auf einer vielbeachteten Pressekonferenz einen Gesetzesentwurf zur Neuregelung des Schwangerschaftsabbruchs vorgestellt, der von zahlreichen Nichtregierungsorganisationen unterstützt wird, u.a. von pro familia, der AWO, Amnesty International, der Giordano-Bruno-Stiftung, dem Institut für Weltanschauungsrecht und dem Zentralrat der Konfessionsfreien. Mit seiner Hilfe könnte ein zentrales Anliegen der Frauenbewegung endlich umgesetzt werden.

In dem Abschlussbericht hatte die Kommission ausgehend von »verfassungs-, europa- und völkerrechtlichen Vorgaben« sowie ethischer Überlegungen und »unter Berücksichtigung medizinischer und psychosozialer Aspekte sowie der Versorgungssituation für schwangere Frauen« im Frühjahr 2024 festgehalten: »Der Frau steht in dieser Schwangerschaftsphase ein Recht auf Schwangerschaftsabbruch zu. Der Schwangerschaftsabbruch ist daher in der Frühphase der Schwangerschaft – anders als bislang – rechtmäßig zu stellen.«

Der heute vorgestellte Gesetzesentwurf geht über diese Empfehlung erfreulicherweise hinaus und sieht vor, den selbstbestimmten Schwangerschaftsabbruch vollständig außerhalb des Strafgesetzbuches zu regeln. Konsequent beinhaltet er daher die Aufhebung des aktuell gültigen § 218 StGB, der den selbstbestimmten Schwangerschaftsabbruch bislang unter Strafe stellt. Durch § 218 StGB-neu sollen fortan nur noch Schwangerschaftsabbrüche gegen oder ohne den Willen der Schwangeren sanktioniert werden. »§ 218 StGB, der zahlreichen Frauen viel Leid brachte, auf diese Weise zum Schutze ihrer Rechte umzuwidmen, ist ein durchaus charmanter Einfall«, kommentiert die stellvertretende ifw-Direktorin Jessica Hamed.

 
Ende der Beratungspflicht

Darüber hinaus soll der Abbruch bis zum Ende der 22. Woche rechtmäßig gestellt (§ 12 SchKG-neu) und auch – anders als bisher – regelmäßig von den gesetzlichen Krankenkassen bezahlt werden (§ 24b SGB V). Nach dem Ende der 22. Woche bleibt er mit den bereits jetzt geltenden Ausnahmen (z. B. medizinische Indikation) grundsätzlich rechtswidrig (§ 12 Abs. 3 SchKG-neu). All dies wird nunmehr im Schwangerschaftskonfliktgesetz geregelt. Gesetzlich geregelt wird auch ein Beratungsanspruch (§ 5 SchKG-neu) der Schwangeren, anders als unter dem geltenden Recht besteht aber keine Beratungspflicht.

Die Professorinnen sehen in der aktuellen Rechtslage »keine tragfähige Alternative« und führen dazu aus: »Sie verstößt gegen Grundrechte der Schwangeren und steht im Widerspruch zu den internationalen Verpflichtungen Deutschlands, wie sie in den von Deutschland ratifizierten internationalen Menschenrechtsverträgen festgelegt sind, die den diskriminierungsfreien Zugang zu reproduktiven Gesundheitsdiensten, einschließlich des Zugangs zur Versorgung zum Schwangerschaftsabbruch, fordern.«

In ihrer Entwurfsbegründung rekurrieren die Verfasserinnen vielfach auf die Empfehlungen der Kommission und legen einleitend aber zu Recht dar, dass die derzeit geltende 12-Wochen-Frist, »Schwangere, die erwägen, die Schwangerschaft zu beenden, unter extremen Zeitdruck, sich beraten zu lassen, eine Entscheidung zu treffen, eine Einrichtung zur Vornahme eines Schwangerschaftsabbruchs mit der Methode ihrer Wahl zu finden und deren Dienste in Anspruch zu nehmen« setzt, »was ihrer körperlichen und emotionalen Gesundheit abträglich ist.«

 
Einschätzung des ifw

Die stellvertretende Direktorin des Instituts für Weltanschauungsrecht (ifw), Jessica Hamed begrüßt den Gesetzesvorschlag: »Die drei Juristinnen, die bereits der von der Bundesregierung eingesetzten ›Kommission zur reproduktiven Selbstbestimmung und Fortpflanzungsmedizin‹ angehörten, haben mit ihrem Entwurf die Empfehlungen der Kommission handwerklich überzeugend umgesetzt. Auch wenn der Gesetzesentwurf hinter unserer Forderung nach der vollständigen Legalisierung zurückbleibt, sollte er unbedingt umgesetzt werden, denn durch die Möglichkeit, bis zum Ende der 22. Schwangerschaftswoche legal einen Abbruch vorzunehmen, wird sich die Versorgungslage der ungewollt Schwangeren in Deutschland in einem kaum zu überschätzenden Maße verbessern.«

Besonders erfreulich sei, ergänzt ifw-Direktor Jörg Scheinfeld, »dass die Kolleginnen der vom ifw vertretenen Position zur Abschaffung der Beratungspflicht gefolgt sind«.  Bei der Anhörung im vergangenen Jahr in Berlin führte Hamed vor den Kommissionsmitgliedern hierzu aus: »Sie widerspricht dem Bild der mündigen Bürger*innen im liberalen Rechtsstaat.«

»Es bleibt nun zu hoffen«, so Michael Schmidt-Salomon, ifw-Direktoriumsmitglied und Vorsitzender der Giordano-Bruno-Stiftung, »dass die umfangreichen Arbeiten der Kommissionsmitglieder nicht vergebens waren und die Koalition das kleine historische Zeitfenster nutzt, um nach über 150 Jahren eines der zentralen Anliegen der Frauenbewegung endlich durchzusetzen.«

Die Giordano-Bruno-Stiftung und das Institut für Weltanschauungsrecht haben schon 2018 eine grundlegende Reform der Regelungen gefordert. Mit diesem Ziel begleiteten gbs und ifw auch das Verfahren gegen die Gießener Ärztin Kristina Hänel, das letztlich zur Abschaffung des § 219a StGB führte, der betroffenen Ärzt*innen verbot, Informationen über den Schwangerschaftsabbruch zu veröffentlichen. Kristina Hänel hat die Geschichte ihres Verfahren, das eine neuen Debatte über den Schwangerschaftsabbruch auslöste, in der ifw-Schriftenreihe eindrucksvoll geschildert. Den aktuellen Gesetzesentwurf von Wapler, Wersig und Wörner, eine Zusammenfassung des Entwurfs und die Pressemitteilung der Verbände und Organisationen findet man u.a. auf der ifw-Website.