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Newsletter vom 04.10.2016

"Massive Eingriffe in die Grundrechte": Giordano-Bruno-Stiftung unterstützt Verfassungsbeschwerden gegen das "Sterbehilfeverhinderungsgesetz" (§ 217 StGB) +++ Die Grenzen der Toleranz: Vorstellung des neuen Buchs von Michael Schmidt-Salomon am 23. Oktober in Oberwesel / Buchpremiere am 6. Oktober in Essen  +++ Kurz notiert: Big Family in Englisch / Humanistischer Salon in Nürnberg / 10-Jahresfeier des hpd in Berlin / Kafka trifft GAP bei den Kammerspielen in Salzburg / Zukunftssymposium in Frankfurt / Möller-Hype auf Facebook +++ Die nächsten Termine

"Massive Eingriffe in die Grundrechte": Giordano-Bruno-Stiftung unterstützt Verfassungsbeschwerden gegen das "Sterbehilfeverhinderungsgesetz" (§ 217 StGB)

Das im vergangenen Jahr vom Deutschen Bundestag beschlossene "Gesetz zur Strafbarkeit der geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung" (§ 217 StGB) ist "weder geeignet, noch erforderlich noch verhältnismäßig, um die Interessen der Bürgerinnen und Bürger zu schützen", heißt es in einer Stellungnahme, die die Giordano-Bruno-Stiftung (gbs) vergangene Woche beim Bundesverfassungsgericht eingereicht und am heutigen Dienstag auf ihrer Website veröffentlicht hat. Deshalb seien die "massiven Eingriffe in die Grundrechte, die mit der neuen Strafnorm einhergehen, in keiner Weise zu rechtfertigen".

Ergänzend zur Argumentation der bislang in Karlsruhe eingereichten Verfassungsbeschwerden arbeitet die Stiftung in ihrer Stellungnahme heraus, dass das "Gesetz zur Strafbarkeit der geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung" gegen das "Neutralitätsgebot der Verfassung" (Art. 4 Abs. 1 i.V.m. Art. 3 Abs. 3 u. Art. 140 GG) verstößt. Denn es sei offenkundig, dass § 217 StGB "die Sittlichkeitsvorstellungen einer weltanschaulichen Minderheit privilegiert und die Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger, die diese Vorstellungen nicht teilen, diskriminiert". Damit missachte das Gesetz "das fundamentale Rechtsprinzip der weltanschaulichen Neutralität des Staates", welches die notwendige Voraussetzung dafür sei, dass der Staat eine "Heimstatt aller Staatsbürger" sein kann, wie es das Bundesverfassungsgericht selbst einmal formuliert hat (BVerfGE 19, 206).

Neben den verfassungsrechtlichen Aspekten geht das gbs-Gutachten ausführlich auch auf die "dramatischen Folgen" ein, die § 217 StGB in der medizinischen Praxis hat. Das Fazit der mit zahlreichen Quellenbelegen untermauerten Stellungnahme ist an Deutlichkeit kaum zu überbieten: "Ein Gesetz, das fundamentale Grundrechte der Bürgerinnen und Bürger zugunsten eines staatlichen Paternalismus aushebelt, das schwerstkranken Menschen ihre Würde raubt, sie katastrophalen Risiken ausliefert und ihnen die letzte Chance auf Selbstbestimmung nimmt, das den Erfordernissen einer rationalen Rechtsbegründung zuwiderläuft und in drastischer Weise gegen das Prinzip der weltanschaulichen Neutralität des Staates verstößt, das Ärzten mit empfindlichen Strafen droht, wenn sie ihren Patienten in deren schwersten Stunden zur Seite stehen, das nicht zuletzt auch gegen das klare Votum einer überwältigenden Bevölkerungsmehrheit gerichtet ist und stattdessen den Partikularinteressen einer kleinen, jedoch einflussreichen Lobbygruppe (Kirchenfunktionäre, Pharmahersteller, Klinikbetreiber, Pflegedienste) folgt, kann und darf in einem modernen, liberalen Rechtsstaat keinen Bestand haben!"

Lesen Sie hier den vollständigen Wortlaut der Stellungnahme "Freitodhilfe im liberalen Rechtsstaat" (verfasst von Dr. Michael Schmidt-Salomon im Auftrag der Giordano-Bruno-Stiftung):
/sites/gbs/files/stellungnahme_217stgb.pdf

Die Grenzen der Toleranz: Vorstellung des neuen Buchs von Michael Schmidt-Salomon am 23. Oktober in Oberwesel / Buchpremiere am 6. Oktober in Essen

Eigentlich wollte er einen philosophischen Roman schreiben, doch die Islam-, Flüchtlings- und Rechtspopulismus-Debatte veranlasste ihn dazu, ein politisches Sachbuch zu verfassen: In diesen Tagen erscheint im Piper Verlag "Die Grenzen der Toleranz – Warum wir die offene Gesellschaft verteidigen müssen" von Michael Schmidt-Salomon. Der Philosoph und gbs-Vorstandssprecher wird das hochbrisante Buch nach einer Premiere in Essen (6.10., Zentralbibliothek) und einer Lesung zur Buchmesse in Frankfurt (21.10., Club Voltaire) am 23. Oktober am gbs-Stiftungssitz in Oberwesel vorstellen.

Mit den "Grenzen der Toleranz" hatte sich Schmidt-Salomon bereits 2007 in einem gleichnamigen Vortrag in Hamburg auseinandergesetzt. Die Reaktionen auf die islamistischen Attentate der vergangenen Monate und der Aufstieg rechtspopulistischer Bewegungen nicht nur in Deutschland brachten ihn Anfang 2016 dazu, das Thema noch einmal aufzugreifen. Anlass dafür, dem Problemfeld ein ganzes Buch zu widmen, war eine eher unscheinbare Pressemeldung, die davon berichtete, dass die italienischen Behörden zum Besuch des iranischen Präsidenten Rohani im Februar 2016 die nackten, antiken Statuen auf dem Kapitol verhüllten, um ihren Respekt gegenüber Rohanis religiösen Gefühlen zu dokumentieren.

"Dieser Vorfall zeigt im Kleinen, was im Großen schiefläuft", erklärt Schmidt-Salomon. "Eine offene Gesellschaft sollte ihre Werte nicht schamhaft verhüllen, wie es die italienischen Behörden im Falle der antiken Statuen getan haben, sondern sich selbstbewusst zu ihnen bekennen. Denn Rationalität, Freiheit, Gleichheit, Individualität und Säkularität sind keine Prinzipien, für die man sich in irgendeiner Weise schämen müsste! Im Gegenteil: Sie sind die bedeutendsten Früchte und wichtigsten Motoren des zivilisatorischen Fortschritts unserer Spezies!"

Eben dies zeigt Schmidt-Salomon in seinem aktuellen Buch auf. Er analysiert die gefährliche Irrationalität der Islam- und Flüchtlingsdebatte, die zum Aufstieg rechtspopulistischer Bewegungen geführt hat, kritisiert die "rückgratlose Appeasementpolitik" des Westens gegenüber "rücksichtslosen Despoten", erläutert die "Kunst der zivilisierten Verachtung", die "Prinzipien der offenen Gesellschaft", die "Spielregeln des zivilisierten Widerstreits" und die "10 Gebote der Rationalität". Nicht zuletzt gibt er in dem Buch auch politische Handlungsempfehlungen, die dazu beitragen könnten, die offene Gesellschaft gegen ihre Feinde zu verteidigen.

Die Veranstaltung mit Michael Schmidt-Salomon beginnt am Sonntag, dem 23. Oktober 2016, im "Haus WEITBLICK" (Auf Fasel 16, 55430 Oberwesel) um 14.30 Uhr (Einlass: 14.00 Uhr). Da die Anzahl der Sitzplätze begrenzt ist, ist eine vorherige Anmeldung erforderlich (vorzugsweise über dieses Webformular). Eine Rückmeldung erfolgt nur, sofern alle Plätze bereits vergeben sind. Der Eintritt ist frei, Spenden werden jedoch dankend entgegen genommen.

Zusätzliche Buchlesungen finden statt am 6. Oktober in Essen, am 21. Oktober in Frankfurt, am 7. November in Düsseldorf, am 8. November in Köln, am 11. November in München, am 12. November in Augsburg, am 13. November in Nürnberg und am 16. November in Radolfszell. Zudem wird Michael Schmidt-Salomon bei der 10-Jahresfeier des Humanistischen Pressedienstes (hpd) am 26. Oktober in Berlin über die "Grenzen der Toleranz" sprechen (siehe unten). Für Dezember 2016 ist eine Lesereise in der Schweiz geplant. (Alle bereits feststehenden Termine findet man im gbs-Veranstaltungskalender.) Weitere Informationen zum Buch:
http://grenzen-der-toleranz.de

Kurz notiert

Big Family in Englisch: Der für das Evokids-Projekt produzierte Film zum Kinderbuch "Big Family – Die phantastische Reise in die Vergangenheit" liegt nun auch in einer englischen Synchronfassung vor. Die Version soll im Rahmen der Internationalisierung des Projekts eingesetzt werden, die über die Plattform Evokids.org vorangetrieben wird. In Produktion ist derzeit auch eine türkische Variante des Films – ein kleines Präsent für den türkischen Präsidenten Erdogan, der wie 90 Prozent (!) der Lehrerinnen und Lehrer in der Türkei die Evolutionstheorie ablehnt.
Deutsche Fassung des Films "Big Family":
https://www.youtube.com/watch?v=R3HnPLNMAHs
Englische Version "Big Family – A Fantastic Journey into the Past”:
https://www.youtube.com/watch?v=gemSVl6_jBE

Humanistischer Salon in Nürnberg: Mit einem Vortrag von Michael Schmidt-Salomon zu den "Grenzen der Toleranz" startet am 13. November in Nürnberg ein neues Veranstaltungsformat, der "Humanistische Salon", der mit "starken Themen, steilen Thesen und markanten Charakteren" aufwartet. In den darauffolgenden Monaten werden Andreas Edmüller, Gerhard Engel, Gerd Ganteför, Anton Pototschnik, Dieter Birnbacher und Frank Erbguth beim Humanistischen Salon zu Gast sein.
Website des Humanistischen Salons:
http://www.humanistischer-salon.de/

10-Jahresfeier des hpd in Berlin: Vor 10 Jahren, im Oktober 2006, ging der Humanistische Pressedienst (hpd) an den Start und entwickelte sich schnell zum wichtigsten Online-Medium der säkularen Szene im deutschsprachigen Raum – ein Grund zum Feiern! Deshalb lädt der hpd e.V. alle Interessierten zu einem kleinen Festakt ein, der am Mittwoch, dem 26. Oktober, von 17.00 – 20.00 Uhr im Steigenberger Hotel Berlin (Salon Luis, Los-Angeles-Platz 1, 10789 Berlin) stattfindet. Geplant sind nicht nur unterhaltsame Rückblicke auf die Aktivitäten des hpd in den letzten 10 Jahren, sondern auch Gespräche mit interessanten Gästen, u.a. mit Michael Schmidt-Salomon über "Die Grenzen der Toleranz" sowie mit dem Warschauer hpd-Korrespondenten Andrzej Wendrychowicz über die politische Situation in Polen.

Kafka trifft GAP bei den Kammerspielen in Salzburg: Franz Kafkas bitterböse Satire "Ein Bericht für eine Akademie" wird in der Regel als Parabel auf die Anpassungsversuche und Ausgrenzungen von Juden in Europa verstanden. Tatsächlich aber lässt sich das auf vielen Bühnen gespielte Ein-Mann-Stück über den sprechenden Schimpansen "Rotpeter" auch als scharfe Kritik am Umgang des Menschen mit seinen nächsten tierlichen Verwandten deuten – immerhin war Kafka ein Anhänger der Darwinischen Evolutionstheorie und wurde zu dem Stück durch einen dressierten Schimpansen namens "Consul Peter" inspiriert, der Anfang des 20. Jahrhunderts in einem Prager Rotlichtvarieté auftreten musste. Das Landestheater Salzburg nahm daher Kontakt mit dem von der gbs unterstützten Great Ape Project (GAP) auf. Derzeit läuft die gefeierte Neuinszenierung des Stücks mit Georg Clementi in der Rolle des "Rotpeter" bei den Salzburger Kammerspielen. Vertreter des GAP werden bei den Aufführungen anwesend sein, bei denen u.a. auch die von Landestheater und GAP produzierte DVD der Inszenierung erworben werden kann.
Trailer der DVD "Ein Bericht für eine Akademie":
https://www.youtube.com/watch?v=oaoX0oykA90
Infos zur Inszenierung bei den Salzburger Kammerspielen:
http://www.salzburger-landestheater.at/de/produktionen/ein-bericht-fuer-eine-akademie-2.html/ID_Vorstellung=2305&m=76
Website des Great Ape Project:
http://greatapeproject.de/

Zukunftssymposium in Frankfurt: Schon kurz nach der Ankündigung im letzten gbs-Newsletter war das "Frankfurter Zukunftssymposium: Schöne neue Welt?"  ausgebucht. Bedauerlicherweise konnte uns die Frankfurter Universität keinen größeren Hörsaal zur Verfügung stellen, so dass wir weiteren Interessenten an der Veranstaltung absagen mussten. Wir bitten, dies zu entschuldigen, und empfehlen allen Veranstaltungsteilnehmern, die auf einen ordentlichen Sitzplatz angewiesen sind, frühzeitig in Frankfurt zu erscheinen. Zudem möchten wir auf einen Programmwechsel hinweisen: Aufgrund einer Terminkollision kann Michael Braungart ("Cradle to Cradle") leider nicht am Symposium teilnehmen. An seiner Stelle wird der ehemalige Kriegsreporter, Fernsehproduzent und langjährige Leiter der ARD-Tagesthemenredaktion Jay Tuck die Kernthesen seines aktuellen Buchs "Evolution ohne uns – Wird Künstliche Intelligenz uns töten?" vorstellen.

Möller-Hype auf Facebook: Vor 5 Jahren trat Philipp Möller (Bestseller-Autor und gbs-Beirat) mit einem fulminanten Impulsreferat bei der Veranstaltung "Disput Berlin" auf. Die Videodokumentation des Vortrags wurde im August 2016 auf Facebook neu hochgeladen und erzielte dort innerhalb weniger Tage rund 3 Millionen Aufrufe. Wer Facebook meidet, kann das Originalvideo, das seit 2011 im gbs-Video-Archiv zu finden ist, über Youtube betrachten (wo es bislang allerdings "nur" 240.000 Aufrufe gab):
https://www.youtube.com/watch?v=PV8tUv-6X8Q

Die nächsten Termine

Die Termine der nächsten Wochen (u.a. ein Blasphemie-Kongress in München und ein "Konzilsgespräch" zwischen Michael Schmidt-Salomon und Annette Schavan in Konstanz) finden Sie, wie immer, im gbs-Terminkalender:
/termine

Mit freundlichen Grüßen

Das gbs-Newsletter-Team
www.giordano-bruno-stiftung.de

P.S.: Auf der Facebook-Seite der gbs finden Sie weitere interessante Informationen:
www.facebook.com/gbs.org

Infos für diejenigen, die die Arbeit der Giordano-Bruno-Stiftung unterstützen möchten:
www.giordano-bruno-stiftung.de/aufbau/aufklaerer-werden

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