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Newsletter vom 2.9.2025


»Auf dem Weg in die säkulare Gesellschaft«

fowid-Tagung zu den Ursachen und Folgen der Säkularisierung am 25. Oktober in Berlin

In den letzten 20 Jahren haben sich die weltanschaulichen Verhältnisse rasant verändert: Deutschland gilt inzwischen als »säkulares Land«. Doch was heißt das – und was folgt daraus? Hiermit beschäftigt sich eine hochkarätig besetzte Tagung, die anlässlich des 20-jährigen Bestehens der »Forschungsgruppe Weltanschauungen in Deutschland« (fowid) am 25. Oktober in der Friedrich-Ebert-Stiftung Berlin stattfindet.

100 Jahre lang (von 1871 bis 1971) waren über 90 Prozent der Deutschen Kirchenmitglieder. Danach setzte ein immer stärker werdender Säkularisierungstrend ein. Inzwischen leben hierzulande mehr konfessionsfreie Menschen (47 Prozent) als Katholiken und Protestanten zusammengenommen (45 Prozent). Und auch die Glaubenspraxis der verbliebenen Religionsmitglieder hat deutlich abgenommen: So besuchen nur noch 5 Prozent der Bürgerinnen und Bürger regelmäßig (mindestens einmal im Monat) Gottesdienste, 95 Prozent bleiben religiösen Zeremonien in Kirchen, Moscheen oder Synagogen fern.

Die »Forschungsgruppe Weltanschauungen in Deutschland« (fowid), die 2005 von der Giordano-Bruno-Stiftung (gbs) unter Leitung des Sozialwissenschaftlers und Buchautors Carsten Frerk gegründet wurde, hat die zunehmende Religionsferne der deutschen Bevölkerung schon früh prognostiziert und analysiert. Anfangs wurde diese Einschätzung noch angezweifelt, inzwischen jedoch wird der Befund auch von kirchlichen Instituten bestätigt, wie etwa die »6. Kirchenmitgliedschaftsuntersuchung« (KMU 6) gezeigt hat.

Die empirischen Daten sprechen eine deutliche Sprache, doch welche Ursachen hat der Prozess der Säkularisierung, der vor allem in Deutschland und Westeuropa massiv vorangeschritten ist? Und welche Folgen sind mit ihm verbunden? Sind die deutschen Kirchen tatsächlich »absterbende Kulturerscheinungen«, wie es gbs-Vorstand Michael Schmidt-Salomon einmal provokativ formuliert hat? Oder führt die Re-Sakralisierung der Politik, die u.a. in Russland und in den USA betrieben wird, zu einem Wiedererstarken der Religion? Welche Auswirkungen hat es auf Politik und Gesellschaft, wenn der überwiegende Teil der Bevölkerung nicht mehr religiös gebunden ist? Wie wird sich das Verhältnis von Staat und Kirchen verändern?

Diese und andere Fragen werden auf der fowid-Tagung von renommierten Expertinnen und Experten erörtert, die teils religiös gebunden, teils konfessionsfrei sind. Vorgesehen sind Referate von Prof. Dr. Heiner Bielefeldt (Theologe, Rechtsphilosoph und Historiker, ehem. Sonderberichterstatter für Religions- und Weltanschauungsfreiheit des UN-Menschenrechtsrats), Dr. Carsten Frerk (Leiter der »Forschungsgruppe Weltanschauungen in Deutschland«), Prof. Dr. Ansgar Hense (Direktor des Instituts für Staatskirchenrecht der Diözesen Deutschlands), Dr. Jacqueline Neumann (Gründungsdirektorin des »Instituts für Weltanschauungsrecht«), Prof. Dr. Detlef Pollack (Seniorprofessor für Religionssoziologie an der Universität Münster, Autor des Standardwerks »Religion in der Moderne«) sowie Dr. Edgar Wunder (Koordinator der »6. Kirchenmitgliedschaftsuntersuchung« am Sozialwissenschaftlichen Institut der EKD).

Über die politischen Konsequenzen der Säkularisierung diskutieren anschließend Prälatin Dr. Anne Gidion (EKD), Ingrid Matthäus-Maier (SPD), Kathrin Michel MdB, Philipp Möller (Zentralrat der Konfessionsfreien), Bodo Ramelow MdB (Videobotschaft) sowie Ali Ertan Toprak (CDU). Die Moderation der Tagung übernehmen Dr. Dr. h.c. Michael Schmidt-Salomon und Prof. Dr. Ulla Wessels (Giordano-Bruno-Stiftung).

Alle Interessierten sind herzlich zur Tagung eingeladen! Die Teilnahme inkl. Catering (Mittagsimbiss, Kaffee und Kuchen) ist kostenlos, eine Anmeldung über die Tagungswebsite fowid-tagung.de jedoch zwingend erforderlich. Weitere Informationen entnehmen Sie bitte dem Programmflyer bzw. der Tagungs-Website. Über eine rege Beteiligung an der spannenden Debatte über die Ursachen und Folgen der Säkularisierung würden wir uns freuen! Da die Zahl der Sitzplätze begrenzt ist, wäre eine zeitnahe Anmeldung empfehlenswert...


Fällt § 218 StGB doch noch?

Der Widerstand des Gynäkologen Prof. Joachim Volz bringt vieles in Bewegung

Nach dem Ende der Ampelregierung und dem im Parlament knapp gescheiterten Versuch zur Entkriminalisierung des Schwangerschaftsabbruchs herrschte große Ernüchterung in den Reihen der »Pro Choice«-Aktivist*innen. Dann aber tauchte der Fall »Joachim Volz« auf, der neuen Schwung in die bereits abgeschriebene Debatte brachte. Plötzlich erscheint wieder vieles möglich.

Der Leiter der Lippstädter Frauenklinik Prof. Dr. Joachim Volz kann und will es nicht hinnehmen, dass sein (neuerdings mit einem katholischen Träger fusionierter) Krankenhausbetreiber ihm verbietet, weiterhin medizinisch indizierte Schwangerschaftsabbrüche (bei schwerer Schädigung des Fötus oder Gefährdung der Gesundheit der Frau) durchzuführen. Vermittelt durch die Ärztin Kristina Hänel, die in ihrem Verfahren nach dem (inzwischen aufgehobenen) § 219a StGB von der gbs begleitet wurde, kam Joachim Volz in Kontakt mit der Giordano-Bruno-Stiftung und ihrer »juristischen Taskforce«, dem »Institut für Weltanschauungsrecht« (ifw). ifw-Beirat Till Müller-Heidelberg übernahm die anwaltliche Vertretung. Kurze Zeit später, am 2. Juni 2025, ging die gbs mit einer ersten Pressemitteilung zu dem Rechtsstreit in die Öffentlichkeit.

Der Fall sorgte für große Medienresonanz. Die Online-Petition gegen das katholische Abtreibungsverbot, die Joachim Volz Mitte Juli startete, wurde in den ersten zwei Wochen von mehr als 200.000 Personen unterzeichnet. Die Demo zum Gerichtstermin am 8. August schaffte es sogar in die »Tagesschau« und ins »heute Journal«. Dass das Gericht in Lippstadt die Klage des Arztes abwies, steigerte die Empörung über die Anmaßungen der katholischen Kirche zusätzlich. So veröffentlichte die »ZEIT» einen Artikel mit dem Titel »Wenn Frauenrechte weniger zählen als religiöse Dogmen: Das Verbot von Schwangerschaftsabbrüchen in Lippstadt macht fassungslos«. Die mehr als 450 Kommentare zu dem Text verdeutlichen die Stimmung innerhalb der Bevölkerung, die offenbar gar nicht mehr nachvollziehen kann, weshalb der Kirche im 21. Jahrhundert noch immer so viel Macht zukommt.

Schon kurz nach der Urteilsverkündung zeigte sich, dass die Klageabweisung für die Kirche ein »Pyrrhussieg« war, der ihr auf längere Sicht mehr schaden als nutzen wird. Für Joachim Volz und seine Unterstützer*innen hingegen handelte es sich um eine »erfolgreiche Niederlage«, die den Druck auf die Politik weiter erhöhen wird (eine Parallele zu dem Verfahren von Kristina Hänel, die vor Gericht so lange verlor, bis § 219a StGB schließlich abgeschafft wurde).

Lesen Sie den vollständigen Artikel (mit Bildergalerie) auf der gbs-Website...


»Kunstfreiheit statt Kirchenlobbyismus!«

Demonstration zur abgesagten Theater-Produktion »Ödipus Exzellenz« sorgt für Medienrummel

Am 21. August fand eine Demonstration mit Podiumsgespräch vor dem Theater Osnabrück statt. Anlass war die Absetzung des kirchenkritischen Stücks »Ödipus Exzellenz«, mit dem die Spielzeit des Theaters eigentlich eröffnet werden sollte. Organisiert wurde die Gegenveranstaltung vom künstlerischen Team der abgesetzten Produktion, unterstützt von der Aktionsgruppe »11. Gebot« der Giordano-Bruno-Stiftung (Leitung: David Farago).

Die »Ödipus«-Inszenierung sollte das Thema »Sexualisierte Gewalt in der katholischen Kirche« aufgreifen. Dies wurde durch den Eingriff des Intendanten in die Kunstfreiheit und die Entlassung des künstlerischen Teams verhindert.  Angeblich bestand die Motivation des Intendanten darin, die »religiösen Gefühle« gläubiger Christen zu schützen.

Über den Protest gegen die Absetzung von »Ödipus Exzellenz« am Theater Osnabrück wurde in den Medien breit berichtet, u.a. in einem ausführlichen Fernsehbeitrag des 3Sat-Magazins »Kulturzeit«, für weitere Infos siehe den entsprechenden Artikel auf der gbs-Website...


Kurz notiert

Erster säkularer »Parlamentarischer Abend«: Am 11.09.2025 organisiert der »Zentralrat der Konfessionsfreien« einen »Parlamentarischen Abend« unter dem Titel »Säkulare Politik mit Schwarz-Rot«. Es ist die erste dezidiert säkularistisch ausgerichtete Veranstaltung, die im Kaisersaal der Deutschen Parlamentarischen Gesellschaft stattfindet. Schirmherrin des Events ist die SPD-Abgeordnete Kathrin Michel MdB, die zur »Sprecherin der SPD-Fraktion für Säkularität und Humanismus« gewählt wurde – ebenfalls ein Novum in der parlamentarischen Geschichte. Nach einem Grußwort von Michel und Impulsreferaten von Philipp Möller (Vorsitzender des Zentralrats der Konfessionsfreien), Prof. Dr. Horst Dreier (Jurist und Rechtsphilosoph) und Norbert Altenkamp MdB (religionspolitischer Sprecher der Unionsfraktion) wird eine Podiumsdiskussion stattfinden, an der sich auch Carmen Wegge MdB (rechtspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion im Bundestag) und Ali Ertan Toprak (CDU, Vorsitzender der Kurdischen Gemeinde Deutschland) beteiligen werden. Der Parlamentarische Abend richtet sich an religions- und weltanschauungspolitisch Verantwortliche und Interessierte aus Politik, Medien und Kultur. Anmeldeschluss ist der 5. September. Einlass zur Veranstaltung (mit Sicherheitskontrolle) ist nur bei expliziter Bestätigung der Anmeldung möglich. Weitere Informationen hierzu finden sich auf der Website des Zentralrats der Konfessionsfreien

AK Polis als »Leuchtturm« einer »neuen Islampolitik«: Die Bundesregierung will einen »Bund-Länder-Aktionsplan gegen Islamismus« auf den Weg bringen. Dabei sei der »Arbeitskreis Politischer Islam« (AK Polis) ein »Leuchtturm in der Zusammenarbeit«, meinte Christoph de Vries (CDU), Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern, auf einem Workshop in der »Ibn-Rushd-Goethe Moschee«, die von der »liberalen Imamin«, Rechtsanwältin und ifw-Beirätin Seyran Ateş geleitet wird. Die Gründung des AK Polis hatte im November 2024 mit Unterstützung des »Zentralrats der Konfessionsfreien« am gbs-Stiftungssitz stattgefunden. Schon die erste Pressemitteilung des Arbeitskreises im Januar 2025 hatte große Resonanz in Medien und Politik erzielt. Mitglieder des AKs sind u.a.: Hamed Abdel-Samad, Mina Ahadi, Rana Ahmad, Lale Akgün, Seyran Ateş, Yahya Ekhou, Ralph Ghadban, Zeinab Herz, Necla Kelek, Ruud Koopmans, Ahmad Mansour, Philipp Möller, Hourvash Pourkian, Michael Schmidt-Salomon, Nina Scholz und Ali Ertan Toprak. Für weitere Infos siehe die Website des AK Polis...

Ausschreibung des Kunstpreises »Der freche Mario«: Der Bund für Geistesfreiheit München (bfg München) schreibt zum siebten Mal seinen Kunstpreis »Der Freche Mario« aus. Bis zum 1. Oktober 2025 können Texte, Musikstücke, Zeichnungen, Cartoons, Skulpturen, Theaterstücke, Kabarettbeiträge, Kurzfilme etc. eingereicht werden, die sich kritisch mit Glauben, Esoterik, Weltanschauungen, Religionen und geschlossenen Weltbildern auseinandersetzen. Der Preis ist mit 3.000 Euro dotiert, die Preisverleihung wird am 23. November 2025 im Münchner Rationaltheater stattfinden. Alle Infos zur Ausschreibung findet man auf der Website frechermario.org.

Säkulare Stimmen in den Medien: Interessiert sich ein junges Publikum noch für die Finanzen und Vermögen der Kirchen in Deutschland? Offenbar schon, wie der Erfolg des Simplicissimus-Beitrags »Der absurde Reichtum der Kirche« zeigt. Immerhin wurde das Video, in dem gbs-Beirat und fowid-Leiter Carsten Frerk das Finanzimperium der deutschen Kirchen erklärt, innerhalb nur eines Monats über 2 Millionen Mal auf YouTube aufgerufen. Große Verbreitung fand auch die Deutschlandfunk-Sendung mit Christoph Antweiler, in der der Ethnologe und gbs-Beirat die Gemeinsamkeiten und Unterschiede der Menschen rund um den Globus erläuterte, sowie das Gespräch der »Deutschen Welle« mit der stellvertretenden ifw-Direktorin Jessica Hamed zum Fall »Joachim Volz« (siehe oben). Ebenfalls hörenswert: die neueste Folge des Podcasts »Aufgeklärt staunen« von und mit gbs-Beirat Franz Josef Wetz, die aktuelle »Freigeist«-Folge zu Karl Poppers Standardwerk »Die offene Gesellschaft und ihr Feinde« von und mit gbs-Mitarbeiter Helmut Fink sowie die »Sinnerfüllt«-Podcastfolgen von Susanne Bell u.a. mit gbs-Beirat Eckart Voland (»Eine Anleitung zur Gelassenheit«) und dem True-Crime-Autoren Deniz Y. Dix (»Guter Mensch, schlechte Welt?«).


Die nächsten Termine

Die Termine der nächsten Wochen gibt es, wie immer, im gbs-Terminkalender.

    
Mit freundlichen Grüßen

Das gbs-Newsletter-Team