»Strategien für die Zukunft«
Interview mit gbs-Geschäftsführerin Elke Held
Seit ihrer Gründung im Jahr 2004 hat sich die Giordano-Bruno-Stiftung kontinuierlich weiterentwickelt. In der aktuellen Ausgabe des "bruno."-Jahresmagazins gibt gbs-Geschäftsführerin Elke Held einen Einblick in die Stiftungsgeschichte und erläutert die Pläne für die kommenden Jahre.
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bruno.: Elke, du bist 2008 zum Leitungsteam der Giordano-Bruno-Stiftung gestoßen. Was hat sich seither in der gbs am gravierendsten verändert?
Elke Held: Nun, die Stiftung ist sehr viel größer geworden und steht heute sehr viel stabiler da als in den Anfangsjahren. Man vergisst leicht, wie klein die gbs 2004 angefangen hat. Mit den Erträgen aus dem festen Stiftungsvermögen, das zu Beginn bei "nur" 100.000 Euro lag, konnten höchstens zwei größere Veranstaltungen im Jahr finanziert werden. 2008, als ich dazukam, hatte die gbs aufgrund von Spenden aus dem Förderkreis zwar bereits einen Jahresetat von 116.000 Euro. Davon mussten allerdings sämtliche Projekte finanziert werden, etwa die 2005 initiierte Forschungsgruppe Weltanschauungen in Deutschland (fowid) und der 2006 gegründete Humanistische Pressedienst (hpd). Lediglich 9.000 Euro standen der gbs damals für eigene Personalkosten zur Verfügung. Ohne ein hohes Maß an "Selbstausbeutung" aller Beteiligten wäre der Aufbau der Stiftung gar nicht möglich gewesen.
Das betrifft auch dich persönlich: Du hast dich damals auf Minijobbasis rund um die Uhr für die Stiftung engagiert. Zuvor hattest du als Psychologin u.a. in der Kinder- und Jugendhilfe gearbeitet. War es nicht ein großes Risiko, den festen Job aufzugeben und dich auf das unsichere "Abenteuer gbs" einzulassen?
Ja, es war in der Tat ein Risiko. Die Entscheidung hat mir auch einige schlaflose Nächte bereitet! Zum einen stand ich finanziell nicht mehr auf eigenen Füßen, zum anderen war ich mir unsicher, ob ich mit meinem mitunter doch etwas anstrengenden Mann [gbs-Vorstandssprecher Michael Schmidt-Salomon] überhaupt so eng zusammenarbeiten wollte! [lacht] Letztlich aber war ich davon überzeugt, dass der Stiftung eine wichtige gesellschaftliche Aufgabe zukommt und es uns im Team mit Herbert [Stiftungsgründer Herbert Steffen] und Bibi [die ehemalige Kuratorin Ingrid Steffen-Binot, die bis 2020 die Stiftungsfinanzen verwaltete] gelingen könnte, die gbs zum Erfolg zu führen.
Elke Held mit Michael Schmidt-Salomon, Bibi Steffen-Binot und Herbert Steffen am gbs-Stiftungssitz
2009 feierte die gbs Darwins 200. Geburtstag mit zahlreichen Aktionen, 2010 unterstützte sie die ehemaligen Heimkinder in ihrem Kampf um Entschädigung, 2011 ermöglichte die Stiftung den Neustart des Great Ape Project ("Grundrechte für Menschenaffen!"). Ab welchem Zeitpunkt hattest du den Eindruck, dass die gbs auch auf längere Sicht ein Erfolgsmodell sein könnte?
2011 hatte ich schon ein richtig gutes Gefühl. Die 15.000 Menschen, die an der Anti-Papst-Demo "Keine Macht den Dogmen!" teilnahmen, zeigten, dass die Stiftung mit ihren Themen den Nerv der Zeit getroffen hat. Es war absehbar, dass die Kirche ihre Deutungshoheit in der Bevölkerung verlieren wird. Zudem waren wir überwältigt von den vielen Aktionen und Veranstaltungen, die unsere Regionalgruppen in ganz Deutschland durchführten. Allerdings war die finanzielle Ausstattung der Stiftung noch immer bescheiden: 2011 gaben wir insgesamt 180.000 Euro aus, nahmen jedoch nur 160.000 Euro an Spenden ein.
Im gbs-Tätigkeitsbericht 2011 heißt es, dass dieses Defizit von 20.000 Euro mit Hilfe von Sparmaßnahmen im Folgejahr wieder ausgeglichen werden müsse…
Da wir keine Rücklagen hatten, stand damals die Qualität unserer Arbeit auf dem Spiel! Die Lösung des Problems bestand darin, 2012 den gbs-Stifterkreis ins Leben zu rufen. Vor allem Herbert ist es zu verdanken, dass sich so viele Personen fanden, die bereit waren, der Stiftung jährlich mindestens 5.000 Euro zukommen zu lassen. Damit wurde das Fundament für die erfolgreiche Arbeit der letzten Jahre gelegt. Den entscheidenden Schritt gingen wir dann allerdings erst 2015, als wir im Zuge einer umfassenden Satzungsreform zusätzlich zum festen Stiftungskapital ein Verbrauchsvermögen einführten, was uns zu einer der ersten "Hybridstiftungen" in Deutschland machte.
Das musst du jetzt aber erklären: Worin liegen denn die Vorteile einer Hybridstiftung?
Sie vereint die Vorzüge der beiden anderen Stiftungstypen: Es gibt zum einen die "Ewigkeitsstiftung", die dauerhaft von den Erlösen ihres festen Stiftungskapitals lebt, und zum anderen die 2013 vom Gesetzgeber zusätzlich geschaffene "Verbrauchsstiftung", deren Vermögen innerhalb eines gewissen Zeitraums aufgebraucht wird. Die gbs ist sozusagen eine Kreuzung zwischen diesen beiden Stiftungstypen, also ein "Hybrid". Als Hybridstiftung haben wir neben den Erlösen aus dem unantastbaren festen Stiftungskapital (die in Zeiten von Niedrigzinsen marginal sind) und den normalen Spenden (die wir zeitnah einsetzen müssen) einen dritten Kapitalstock, nämlich das Verbrauchsvermögen, das wir jederzeit verwenden können, aber nicht müssen …
…was euch größere Flexibilität verschafft?
Ja, genau! Glücklicherweise haben wir das Verbrauchsvermögen durch Schenkungen und Erbschaften in den letzten Jahren deutlich ausbauen können. Seither verfügen wir als Stiftung erstmals über Planungssicherheit für mehrere Jahre. Zuvor mussten wir im Stiftungshaushalt sehr konservativ agieren und vielversprechende Projekte absagen, die wir uns schlichtweg nicht leisten konnten. Erst das Verbrauchsvermögen machte es möglich, die vielen Rechtsfälle zu finanzieren, die das Institut für Weltanschauungsrecht (ifw) betreut, oder kurzfristig aufwändigere Kampagnen durchzuführen wie etwa die beiden Kunstaktionen vor dem Kölner Dom in diesem Jahr.
In den letzten fünf Jahren hat die gbs durchschnittlich rund 200.000 Euro pro Jahr aus dem Verbrauchsvermögen entnommen, um Mehrausgaben auszugleichen, die durch die laufenden Spenden nicht gedeckt sind. Ist dies ein zukunftsweisendes Modell?
Zunächst einmal sollte man verstehen, dass das Verbrauchsvermögen tatsächlich dazu da ist, um verbraucht zu werden. Es soll "lebendig" gemacht werden und eben nicht als "Schimmelgeld" auf der Bank liegen. In unserem Fall hat es u.a. dazu beigetragen, dass das "Sterbehilfeverhinderungsgesetz" (§217 StGB) gekippt, die Rolle des politischen Islam aufgedeckt und die Evolution an die Schulen gebracht wurde. Außerdem ist es uns mit diesen Mitteln gelungen, die Debatte über den Schwangerschaftsabbruch wiederzubeleben, Tierrechte ins öffentliche Bewusstsein zu heben, und zu verhindern, dass die Missbrauchsfälle in der katholischen Kirche wieder unter den Teppich gekehrt werden. Es geht hier also um sinnvolle Investitionen in die Zukunft! Allerdings ist es schon wahr: Das Verbrauchsvermögen der Stiftung muss natürlich immer wieder neu aufgefüllt werden, um ein solches zivilgesellschaftliches Engagement weiterhin zu ermöglichen.
Die Stiftung hat hierzu aktuell eine Broschüre mit dem Titel "Spuren hinterlassen: Dem Humanismus Zukunft schenken" herausgebracht …
Wir wollen mit dieser Broschüre verdeutlichen, dass die gbs von dem Engagement vieler lebt. Die Giordano-Bruno-Stiftung wurde ja nicht mit einem "goldenen Löffel im Mund geboren", sondern finanziert ihre umfangreichen Tätigkeiten durch Spenden und Zustiftungen. Nur mithilfe unserer Unterstützerinnen und Unterstützer können wir unsere Arbeit erfolgreich fortführen. Bei alldem geht es nicht nur darum, die Stiftung zukunftssicher zu machen, sondern auch die Projekte, die aus der gbs hervorgegangen sind, u.a. die Forschungsgruppe Weltanschauungen in Deutschland (fowid), den Humanistischen Pressedienst (hpd), das Great Ape Project (GAP), das Institut für Weltanschauungsrecht (ifw) und das Hans-Albert-Institut (HAI).
Für die Zukunftssicherung ist allerdings nicht nur der finanzielle Aspekt entscheidend, oder?
Es kommt vor allem auch darauf an, welche Menschen hinter den Projekten stehen. Wir müssen jetzt die Weichen dafür stellen, dass die nachrückende Generation die Arbeit der gbs erfolgreich fortsetzen kann. Deshalb investieren wir viel in die Nachwuchsförderung. So gab es 2019 ein U-30- Sommerforum am gbs-Stiftungssitz in Oberwesel, an dem gleich mehrere junge Humanist*innen teilnahmen, die inzwischen wichtige Funktionen im säkularen Spektrum ausfüllen. Beteiligt waren u.a. der islamkritische Aktivist Amed Sherwan, der mit seinen Aktionen immer wieder für Furore sorgt, der Philosoph Florian Chefai und die Physikerin Sophie Strobl, die wenig später die Gründung des Hans-Albert-Instituts initiierten, die Grafikerin Saskia Zillekens, die den Auftritt des HAI gestaltete, die Philosophin Luisa Lenneper, die u.a. die englische Übersetzung der gbs-Website verantwortet, die Journalistin Gisa Bodenstein, die als Redakteurin für den hpd schreibt, sowie der Statistiker Tobias Wolfram und die Informatikerin Laura Wartschinski, die eine zentrale Rolle bei der Gründung der Bundesarbeitsgemeinschaft Humanistischer Studierender (BAG) und des Bertha von Suttner-Studienwerks (BvS) spielten.
gbs-Sommerforum am Stiftungssitz (2019)
Da wächst also eine vielversprechende junge Generation von Humanistinnen und Humanisten heran?
Absolut! Wir sind sehr froh über die frischen Impulse und arbeiten daran, den Pool an jungen Talenten weiter auszubauen. Deshalb finanzierten wir beispielsweise den Essay-Wettbewerb zum 100. Geburtstag von Hans Albert, bei dem sich Studierende und Schüler*innen mit der Frage "Was ist rational?" auseinandersetzen. Außerdem gründeten wir zusammen mit dem Humanistischen Verband Deutschlands (HVD), der Humanistischen Akademie Deutschland (HAD) und der BAG das Bertha von Suttner-Studienwerk. Durch diese und andere Maßnahmen wollen wir noch mehr junge Menschen finden, die bereit sind, Verantwortung in der gbs zu übernehmen und die "Fackel der Aufklärung" weiterzutragen.
Du schaust also optimistisch in die Zukunft?
Ja, wenn wir die positiven Entwicklungen der letzten Jahre verstetigen können, stehen die Chancen gut, dass die gbs auch noch in Jahrzehnten erfolgreich arbeiten wird. Ich bin überzeugt: Wir werden dieses Zukunftsprojekt mit vereinten Kräften stemmen können!