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Gelungener Start ins Jubiläumsjahr

Neujahrsempfang gab Einblick in die vielfältigen Aktivitäten der Giordano-Bruno-Stiftung

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Stiftungssitz in Oberwesel

2014 wird die Giordano-Bruno-Stiftung ihr zehnjähriges Bestehen feiern. Auf dem Neujahrsempfang am Stiftungssitz in Oberwesel, der musikalisch durch eindrucksvolle Darbietungen der beiden Nachwuchsvirtuosen Hayk Sukiasyan (Cello) und Peter Naryshkin (Klavier) veredelt wurde, stellte Vorstandssprecher Michael Schmidt-Salomon die Planungen für das Jubiläumsjahr vor und blickte zurück auf die wichtigsten Ereignisse 2013.

 

Rückblick 2013

Das Jahr 2013, so Schmidt-Salomon, habe aus säkularer Sicht für einige Überraschungen gesorgt: So gab die Bayerische Bischofskonferenz am 31. Januar bekannt, künftig auf das Privileg der Mitwirkung bei der Besetzung der Konkordatslehrstühle (Lehrstühle außerhalb Theologischer Fakultäten im Bereich der Philosophie, Pädagogik und Soziologie) verzichten zu wollen – nicht zuletzt ein Erfolg der 2008 begonnenen (von der gbs unterstützten) Klage gegen die Besetzung eines Konkordatslehrstuhls an der Universität Erlangen und des großen Engagements der gbs-Beiräte Ulla Wessels (Klägerin) und Theo Ebert (Koordinator der Kampagne).

Im Februar/März folgte der Rücktritt des alten und die Neuwahl des neuen Papstes. Dabei sorgte das zeitliche Zusammenfallen des Rücktritts von  Benedikt XVI. und der Vollendung der "Kriminalgeschichte des Christentums" von Karlheinz Deschner dafür, dass zahlreiche Medien die beiden so unterschiedlichen Männer in Doppelportraits würdigten und der Festakt für Karlheinz Deschner am Stiftungssitz in Oberwesel zusätzliche Aufmerksamkeit erregte.

Im April/Mai war die Giordano-Bruno-Stiftung maßgeblich an zwei Großveranstaltungen beteiligt, dem Humanistentag in Hamburg und der Kritischen Islamkonferenz in Berlin, die erstmals eine gemeinsame Positionierung von IslamkritikerInnen, Ex-Muslimen und liberalen Muslimen gegen Rassismus/Fremdenfeindlichkeit und reaktionäre Islamverteidigung ermöglichte und unter dem Motto "Selbstbestimmung statt Gruppenzwang" neue Perspektiven für die sog. "Integrationsdebatte" eröffnete (siehe www.kritische-islamkonferenz.de).

Wenige Wochen später (Juni 2013) wurde eine Fatwa gegen einen der Beteiligten der Kritischen Islamkonferenz, gbs-Beirat Hamed Abdel-Samad, ausgesprochen, der in Kairo untertauchen musste, nachdem Scheich Assem Abdel-Maged (Führer der militanten Bewegung "Dschamaa Islamiya" und Verbündeter des damaligen Präsidenten Mursi) im ägyptischen Fernsehen zu seiner Ermordung aufgerufen hatte. Auf Bitten von Abdel-Samad wandte sich die gbs intern an deutsche Medienvertreter und Politiker und verbreitete zudem einen öffentlichen Aufruf an Außenminister Westerwelle, gegen die Fatwa zu protestieren, sowie an Facebook, eine viel frequentierte Seite mit dem Mordaufruf sofort zu sperren. Nachdem die Medien das Thema breit aufgegriffen hatten, verurteilte Guido Westerwelle die Fatwa "aufs Schärfste", während Facebook die Seite mit dem Mordaufruf sperrte. Kurze Zeit später wurde Präsident Mursi vom ägyptischen Militär gestürzt.

Im Juni/Juli startete mit der Veröffentlichung des von gbs-Beirat Max Kruse unter Mitarbeit von Michael Schmidt-Salomon geschriebenen Buchs  "Urmel saust durch die Zeit" die 1. Phase des Evokids-Projekts, das die Evolutionslehre an die deutschen Grundschulen bringen möchte. Kurz nach dem Start der Website www.evokids.de begann "Die Zeit" mit dem Abdruck des Buchs, parallel dazu strahlte der NDR die Folgen des von Rufus Beck gelesenen Hörbuchs aus. Ende November veranstaltete die gbs in Zusammenarbeit mit dem Institut für Biologiedidaktik der Universität Gießen und dem Arbeitskreis Evolutionsbiologie im Verband Biologie, Biowissenschaften & Biomedizin den Kongress "Evokids - Evolution in der Grundschule", der für das Projekt viele neue Impulse brachte.

2013 war die gbs erstmals auch an einem der renommiertesten Kulturfestivals der Welt beteiligt, denn die Salzburger Festspiele 2013 begannen und endeten mit Beiträgen der gbs: Im Juli hielt Michael Schmidt-Salomon einen Vortrag zu "Rationalität und Mystik"  im Rahmen der „Ouverture spirituelle“ (auszugsweise veröffentlicht auf der gbs-Website), am 31.August erfolgte die Uraufführung der "Passion Giordano Bruno" für Bassbariton, Sprecher, Chor und Orchester von gbs-Beirat Gerhard Wimberger im Großen Saal des Mozarteums Salzburg. Die  2. Aufführung des mit stehenden Ovationen gefeierten Werks wurde am 1. September vom ORF live übertragen, wobei auch die Giordano-Bruno-Stiftung und ihre Anliegen ausdrücklich erwähnt wurden.

Mit dem Skandal um den Limburger Bischof Franz-Peter Tebartz-van Elst im Oktober stieg das Interesse an den Hintergründen der Kirchenfinanzierung in Deutschland gewaltig. Mehrere Vertreter der Stiftung wurden zu diesem Thema interviewt, insbesondere Ingrid Matthäus-Maier, die u.a. in der Sendung "Anne Will" zu Gast war, und Carsten Frerk, dessen Analysen ("Violettbuch Kirchenfinanzen") in den Medien (siehe u.a. FAZ, Focus, Spiegel online, Tagesschau) große Resonanz fanden.

Insgesamt könne die gbs mit dem Verlauf des Jahres 2013 sehr zufrieden sein, sagte Schmidt-Salomon. Die Zahl der gbs-Förderkreis-Mitglieder sei in den vergangenen 12 Monaten um weitere 700 Personen von 4400 auf über 5100 gestiegen, die Zahl der Abonnenten des gbs-Newsletters von 11.000 auf über 12.200. Dies sei nicht nur auf die vielfältigen Auftritte von gbs-Mitgliedern in den Medien (etwa Talkrunden mit Philipp Möller, dessen Buch "Isch geh Schulhof" wochenlang auf Platz 1 der SPIEGEL-Bestsellerliste stand) zurückzuführen, sondern auch auf das große Engagement der gbs-Regional- und Hochschulgruppen, die erstaunlich viele Veranstaltungen und Aktionen durchführten (Schmidt-Salomon verwies dabei u.a. auf die "Hasenfest-Kampagne zum Tanzverbot", die es auf die Titelseite des "Wall Street Journal" schaffte, und das österreichische Volksbegehren gegen Kirchenprivilegien, an dem mit Niko Alm und Heinz Oberhummer Vertreter der gbs-Österreich maßgeblich beteiligt waren). Nicht zuletzt auch dank des neugegründeten Stifterkreises könne die Stiftung optimistisch in die Zukunft schauen.
 

Ausblick 2014

Ihr zehnjähriges Bestehen wird die gbs voraussichtlich Ende September 2014 im Rahmen eines großen Festakts feiern, erklärte Schmidt-Salomon. Bis dahin wird auch ein etwa 45minütiger Dokumentarfilm von Ricarda Hinz fertiggestellt sein, der die Aktivitäten der letzten zehn Jahre zusammenfassen, den Schwerpunkt aber auf die Geschichte und die zentralen Anliegen des evolutionären Humanismus legen wird. Zum Stiftungsjubiläum wird im März auch das neue Buch "Hoffnung Mensch" von Michael Schmidt-Salomon erscheinen, das in gewisser Weise als Nachfolger des "Manifest des evolutionären Humanismus" betrachtet werden kann. "Wir haben in den letzten Jahren hervorragend mit dem Manifest arbeiten können", erklärte dazu der Stiftungssprecher, "aber in Zukunft wollen wir den positiven Gehalt des evolutionären Humanismus stärker betonen. Humanismus sollte sich ja nicht darin erschöpfen, Religionskritik zu betreiben."

Dennoch: Ohne Religionskritik wird es auch in Zukunft nicht gehen. Angesichts der Tatsache, dass die Religionen noch immer überproportionalen Einfluss auf die Politik haben - Schmidt-Salomon verwies hier u.a. auf das "hundertprozentig christliche" neue deutsche Bundeskabinett (siehe die informative Grafik des Düsseldorfer Aufklärungsdienstes) -, werde die Stiftung auch weiterhin auf diesem Gebiet arbeiten müssen. So werde sich die gbs auch 2014 gegen religiöse Diskriminierung am Arbeitsplatz engagieren und zur Durchsetzung dieses Verfassungsgrundsatzes wohl auch vor Gericht ziehen.

Ebenfalls weitergeführt wird 2014 die Kampagne "Grundrechte für Menschenaffen" (Great Ape Project). Hierzu wird voraussichtlich im Februar das neue Buch von gbs-Beirat Colin Goldner "Lebenslänglich hinter Gittern" erscheinen, das die größtenteils katastrophalen Haltungsbedingungen für Menschenaffen in deutschen Zoos beleuchtet. Gemeinsam mit verschiedenen Tierrechtsorganisationen wird die gbs das Erscheinen dieser Studie zum Anlass nehmen, um ein Bewusstsein dafür zu schaffen, dass Schimpansen, Bonobos & Co. "Personen" sind, die als solche geachtet werden müssen. 

In seine entscheidende dritte Phase wird 2014 das Evokids-Projekt treten. Mit Beginn des Schuljahrs 2014/15 soll die Website evokids.de nach einem umfassenden Relaunch ein Paket an Materialien zur Evolution präsentieren, "das so attraktiv ist, dass Lehrerinnen und Lehrer gar nicht mehr darauf verzichten wollen, dieses ebenso spannende wie bedeutsame Thema im Unterricht zu behandeln." Für dieses Projekt sei noch viel zu tun, sagte Schmidt-Salomon, aber in diesem Zusammenhang lohne sich jede Anstrengung: "Wir begreifen immer mehr, dass Evolution allgegenwärtig ist - nicht nur in der Natur, sondern auch in der Kultur. Wer nicht gelernt hat, evolutionäre Prozesse zu begreifen, dem fehlt ein wesentliches Element des modernen Weltbildes."

Für 2014 ist zudem eine neue Kinderrechtskampagne angedacht, die sich gegen weltanschauliche Manipulation von Kindern und Jugendlichen in staatlichen Institutionen einsetzt (oder positiv formuliert: für größere weltanschauliche Vielfalt und kritische Aufklärung in diesen Institutionen). Ob diese Kampagne bereits 2014 starten kann, ließ Schmidt-Salomon in seinem Ausblick jedoch offen: "Unsere finanziellen und personellen Kapazitäten sind  sehr begrenzt, weshalb wir unsere Agenda nicht überfrachten dürfen. Vor allem brauchen wir Zeitpolster, um auf Unerwartetes schnell und flexibel reagieren zu können. So hatten wir für 2012 ganz sicher nicht mit einer Debatte zur Knabenbeschneidung gerechnet und 2013 ebenso wenig mit dem Rücktritt des Papstes. Ich bin gespannt, was 2014 auf uns zukommt. Zum Glück haben wir in den letzten Jahren gelernt, mit dem Unberechenbaren zu rechnen, was zweifellos auch zum Erfolg der Stiftung beigetragen hat."