Newsletter vom 11.12.2020
Inhalt:
- gbs-Jahresrückblick 2020: Die Stiftungsaktivitäten im Corona-Jahr
- Gezielte Fehlinformation der Öffentlichkeit: Kirchenvertreter und Palliativfunktionäre verbreiten "alternative Fakten" zur Ausstrahlung des Sterbehilfe-Kammerspiels "Gott"
- Kurz notiert: Wie umgehen mit Nordkorea? / "Leidenschaft zur Vernunft" wird leidenschaftlich bestellt
- Empfehlenswerte Bücher für Kinder und Erwachsene
- Die nächsten Termine
gbs-Jahresrückblick 2020
Die Stiftungsaktivitäten im Corona-Jahr
Die Giordano-Bruno-Stiftung hatte sich für 2020 das Schwerpunktthema "Die hohe Kunst der Rationalität: Fakten, Fakes und gefühlte Wahrheiten" gegeben – ohne zu ahnen, dass es in diesem Jahr eine "Corona-Krise" geben würde, die auch mit einer "Rationalitäts-Krise" einhergehen sollte. Trotz der Maßnahmen, die zur Bekämpfung der Infektionszahlen eingeleitet wurden, konnte die gbs im zurückliegenden Jahr erstaunlich viele Aktivitäten entfalten, wie der Jahresrückblick 2020 verdeutlicht.
Werfen Sie einen Blick auf die "Highlights des Jahres":
gbs-Jahresrückblick 2020
Gezielte Fehlinformation der Öffentlichkeit
Kirchenvertreter und Palliativfunktionäre verbreiten "alternative Fakten" zur Ausstrahlung des Sterbehilfe-Kammerspiels "Gott"
Mit diesem eindeutigen Ergebnis hatte wohl niemand gerechnet: Die deutschen Fernsehzuschauer*innen stimmten am 23. November mit 70,8 Prozent dafür, dass ein 78-jähriger Mann (der nicht schwerstkrank oder schwerstbehindert ist, aber nach dem Tod seiner Frau keinen Sinn mehr in seinem Leben sieht) ein todbringendes Medikament zur Ermöglichung eines sanften, selbstbestimmten Suizids erhalten soll. Autor Ferdinand von Schirach hatte in der vorangegangenen Inszenierung seines Theaterstücks "Gott" die Argumente aufgegriffen, die die Giordano-Bruno-Stiftung mit ihren Bündnispartnern im Rahmen der "Kampagne für das Recht auf Letzte Hilfe" entwickelt hatte.
In der anschließenden "Hart aber fair"-Sendung zeigte sich Bischof Bätzing nicht nur von dem Zuschauervotum, sondern auch von dem einschlägigen Urteil des Bundesverfassungsgerichts geschockt. Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz meinte sogar, die Verfassungsrichter hätten in ihrem Urteil einseitig die Auffassung der Humanisten übernommen, die in der Anhörung vorgetragen wurden – was an der Realität jedoch völlig vorbeizielt! Tatsächlich sprach bei der mündlichen Verhandlung in Karlsruhe nur ein einziger dezidierter Vertreter des Humanismus (gegenüber etwa 20 Vertreter*innen der Gegenseite), nämlich gbs-Vorstandssprecher Michael Schmidt-Salomon. Dass sich seine Aussage mit den Leitlinien des späteren Urteils weitgehend deckte, lag keineswegs daran, dass die Verfassungsrichter Partei für die Weltanschauung des Humanismus ergriffen hätten. Der ausschlaggebende Grund dafür war vielmehr, dass Schmidt-Salomon in seinem Statement als "Sachverständiger Dritter" exakt so argumentierte, wie auch das Verfassungsgericht argumentieren musste, nämlich auf dem Boden des Grundgesetzes und unter strikter Beachtung des Verfassungsgebots der weltanschaulichen Neutralität des Staates.
Um seine umstrittene Haltung zur Sterbehilfe in der Not noch irgendwie argumentativ zu untermauern, griff Bischof Bätzing am Ende der "Hart aber fair"-Sendung auf einen Mythos zurück, der schon seit vielen Jahren als widerlegt gilt, nämlich die Behauptung, dass niederländische Senior*innen in deutsche Pflegeheime flüchten, weil "sie dort sicher sind", was bedeutet, dass sie in niederländischen Heimen befürchten müssten, gegen ihren Willen getötet zu werden. Hierzu schreibt die "Hart aber fair"-Redaktion in ihrem "Faktencheck" zur Sendung: "Wir haben noch einmal beim Sprecher von Bischof Bätzing nachgefragt, ob es Belege für diese These gibt. Er räumte ein, dass es sich eher um Einzelfälle als um einen echten Trend handelt. Die Aussage von Georg Bätzing sei in diesem Zusammenhang wenig präzise gewesen. Mehrere kirchliche Träger von Alten- und Pflegeheimen konnten uns auf Nachfrage bis zum jetzigen Zeitpunkt keinen solchen Fall nennen, der ihnen bekannt wäre."
Lesen Sie weiter in der gbs-Meldung:
"Gezielte Fehlinformation der Öffentlichkeit"
Kurz notiert
Wie umgehen mit Nordkorea? - Seit der Covid-19-Pandemie ist es noch schwieriger geworden, Informationen aus bzw. über Nordkorea zu erhalten, als es ohnehin schon war. Die abgeschottete Diktatur (und Nuklearmacht), die laut einer Untersuchungskommission der Vereinten Nationen fortlaufend schwerste Verbrechen gegen die Menschlichkeit in vielen Bereichen begeht, ist noch isolierter als zuvor. Dennoch ist es wichtig, dass die internationale Gemeinschaft weiterhin an sinnvollem Austausch wie Menschenrechtsarbeit festhält. Daher hat die von der gbs unterstützte "Saram-Stiftung für Menschenrechte in Nordkorea" ein Podium von Experten eingeladen, deren Wissen um Nordkorea weit über unregelmäßige und regimebetreute Kurz-Besuche in der Diktatur hinausgeht. Am 17. Dezember diskutieren ab 19.00 Uhr in der Zoom-Onlineveranstaltung: Henning Simon (Auswärtiges Amt, Referatsleiter Ostasien), Nicolai A. Sprekels (SARAM–Stiftung für Menschenrechte in Nordkorea), Wolfgang Büttner (Human Rights Watch) und Ronald Hübner (Amnesty International). Zum Thema "Deutsches Engagement in der Nordkoreafrage" hat SARAM unlängst ein lesenswertes Dossier veröffentlicht, das die Frage aufwirft, ob es sich bei so manchen Nordkorea-Aktivitäten tatsächlich um einen "sinnvollen Austausch" handelt oder nicht doch sehr viel eher um eine "Verharmlosung von Verbrechen gegen die Menschlichkeit".
"Leidenschaft zur Vernunft" wird leidenschaftlich bestellt: - Die neue Broschüre "Leidenschaft zur Vernunft: Kritischer Rationalismus als Lebenshaltung" des Hans-Albert-Instituts wird seit Anfang Dezember vom gbs-Sekretariat verschickt und findet reißenden Absatz (u.a. zum Einsatz im Unterricht). Da momentan sehr viele Bestellungen dieser und auch anderer gbs-Broschüren bei uns eingehen, kann es unter Umständen 2-3 Wochen dauern, bis die Broschüren bei Ihnen eintreffen. Wir bitten um etwas Geduld!
Empfehlenswerte Bücher für Kinder und Erwachsene
Säkulare Kinder- und Jugendbücher: Im Umfeld der Giordano-Bruno-Stiftung sind in den letzten Jahren einige dezidiert säkulare Kinderbücher erschienen, u.a. "Wo bitte geht`s zu Gott? fragte das kleine Ferkel", "Die Geschichte vom frechen Hund", "Susi Neunmalklug erklärt die Evolution" sowie die beiden Evokids-Bücher "Urmel saust durch die Zeit" und "Big Family: Die phantastische Reise in die Vergangenheit". Zudem hat unser langjähriger Kooperationspartner Alibri seine Kinder- und Jugendbuchsparte seit 2015 kontinuierlich ausgebaut. Allein in diesem Jahr brachte der Verlag mit "Freddy, das Glücksschwein", "Lota und der Müll", "Tukanien", "Die bunten Elefanten und das große Buch", "Das Geheimnis hinter dem Regenbogen" und Tim Minchins skeptischem Jugendcomic "Storm" sechs neue Bücher heraus. Wer also auf der Suche nach guten säkularen Kinder- und Jugendbüchern ist, wird auf dieser Seite des "Denkladens" schnell fündig.
hpd e.V. (Hg.): Spott sei Dank #2. Alibri Verlag 2020. Das ideale Geschenk für Menschen mit Sinn für Humor: Der hpd-Satireband 2020 enthält 80 treffsichere Karikaturen zu den aktuellen Varianten des globalen und lokalen Irrsinns, gezeichnet von Michael Holtschulte, Ralf König, Dorthe Landschulz, Piero Masztalerz, Nadia Menze, Til Mette, Oliver Ottitsch und Martin Perscheid, eingeleitet mit Texten von hpd-Redakteurin Daniela Wakonigg. Und wer dabei auf den Geschmack gekommen ist, dem empfehlen wir zusätzlich auch noch den bereits 2019 erschienenen "Best of"-Band der Zeichnungen von gbs-Beirat Martin Perscheid "Zur Plage der Nation" sowie das kürzlich herausgekommene Buch mit Karikaturen von Franziska Becker "Das Sein verstimmt das Bewusstsein".
Martin Brüne: Der unangepasste Mensch. Unsere Psyche und die blinden Flecken der Evolution. Klett-Cotta 2020. Der Arzt und Psychiater Martin Brüne (Mitglied des gbs-Beirats) legt mit "Der unangepasste Mensch" ein spannendes, detailreiches und glänzend geschriebenes Werk zu den Grundlagen der "evolutionären Medizin" vor. Ob Krebs, Herz-Kreislauf- oder Autoimmunerkrankungen, ob Depressionen, Angststörungen oder Schizophrenie – anschaulich und unterhaltsam untersucht Martin Brüne die evolutionären Ursachen unseres "fehlerhaften Designs". Sehr empfehlenswert!
Thomas Klepsch: Vom Glauben abgefallen. Warum ich der Pfingstkirche den Rücken kehrte. In einer früheren Ausgabe des gbs-Newsletters haben wir das Buch "Missbraucht im Namen des Herrn" von Bernd Vogt vorgestellt. Wie Vogt war auch Thomas Klepsch fest in der freikirchlichen Szene verankert, er fungierte dort sogar als ordinierter Pastor und Leiter einer christlichen Wohngemeinschaft. Doch im Laufe der Jahre wuchsen seine Zweifel an der evangelikalen Heilslehre immer stärker an. In klaren, humorvollen Worten erzählt Klepsch von seiner Zeit als "treuer Jünger Jesu" wie auch von seiner allmählichen "Befreiung aus der Glaubensblase" (siehe die Website zum Buch). Dass er in seiner Entscheidung, den Absprung zu wagen, nicht zuletzt auch von Büchern aus dem Umkreis der Giordano-Bruno-Stiftung bestärkt wurde (S. 287), freut uns ganz besonders.
Amed Sherwan / Katrine Hoop: KAFIR. Allah sei Dank bin ich Atheist. Edition Nautilus 2020. Amed Sherwan hat mit seinen provokativen Aktionen ("Allah is gay") auch in Deutschland für Furore gesorgt. Er ist jemand, der Gesicht zeigt, auch wenn es gefährlich wird. Das brachte ihm, "dem Ungläubigen" ("Kafir), schon im Jugendalter Haft und Folter ein. Nach seiner Flucht aus Irakisch-Kurdistan engagierte er sich in Deutschland ebenso entschieden gegen Islamismus wie gegen Fremdenfeindlichkeit. Zusammen mit Katrine Hoop hat er seine abenteuerlichen Erfahrungen in anrührender, aufrüttelnder, oft aber auch amüsanter Weise zu Papier gebracht. Ein starkes Buch eines starken Autorenteams, dem man viele Leserinnen und Leser wünscht!
Die nächsten Termine
Die Termine der nächsten Wochen finden Sie, wie immer, im gbs-Terminkalender.
Mit freundlichen Grüßen
Das gbs-Newsletter-Team
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