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Hamed Abdel-Samad neues Stiftungsmitglied

Norbert Hoerster verlässt den Beirat

Während der deutscharabische Islam- und Nahostexperte Hamed Abdel-Samad („Der Untergang der islamischen Welt“) neu in den Beirat der Giordano-Bruno-Stiftung aufgenommen wurde, hat der Sozialphilosoph Norbert Hoerster die Stiftung verlassen. Die Gründe für seinen Austritt hatte Hoerster am vergangenen Samstag in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung dargelegt. Nun äußerte sich gbs-Sprecher Michael Schmidt-Salomon zu den personellen Änderungen im Stiftungsbeirat.

 

„Wir freuen uns sehr, mit Hamed Abdel-Samad einen der profiliertesten Islamkritiker und Nahost-Experten der Gegenwart in unseren Reihen begrüßen zu dürfen“, erklärte Stiftungssprecher Michael Schmidt-Salomon am heutigen Montagmorgen am Stiftungssitz in Oberwesel.  Abdel-Samad habe durch seine Bücher „Abschied vom Himmel“, „Der Untergang der islamischen Welt“ und „Krieg oder Frieden – Die arabische Revolution und die Zukunft des Westens“ nicht nur wegweisende Analysen vorgelegt, sondern auch großen Mut bewiesen.

Die Fatwa, die gegen ihn nach der Veröffentlichung seines ersten Buchs ausgesprochen wurde, hätte viele Autoren sicherlich eingeschüchtert, Abdel-Samad habe sich jedoch nicht von seinem Weg abbringen lassen: „Hamed Abdel-Samad spricht Klartext – auch da, wo andere aus Angst oder Opportunismus einknicken. Dabei zeichnet er sich nicht nur durch enorme Sachkenntnis aus, sondern auch durch großes Einfühlungsvermögen. Er weiß, wie Fundamentalisten ticken, da er früher selbst dem Fundamentalismus zuneigte und erst allmählich in einem langen, schmerzlichen Emanzipationsprozess ‚vom Glauben zum Wissen konvertierte‘. Darüber hinaus besitzt Hamed, wie er unter anderem in der Sendereihe ‚Entweder Broder‘ bewies, einen wunderbaren Sinn für Humor. Eine idealere Besetzung für den Beirat der Giordano-Bruno-Stiftung kann man sich gar nicht vorstellen.“

 

Zum Austritt Norbert Hoersters

Mit Bedauern reagierte der gbs-Vorstand auf den Austritt Norbert Hoersters aus dem Stiftungsbeirat. „Norbert Hoerster zählt zu den wichtigsten Rechts- und Sozialphilosophen unserer Zeit“, sagte Schmidt-Salomon. „Ich persönlich bedauere seinen Austritt sehr, da ich durch seine philosophischen Schriften viel gelernt habe. Allerdings zeigte sich auf unserem letzten Stiftungstreffen im September, dass er einige zentrale Projekte der Stiftung nicht mittragen konnte. Nachdem Hoerster für seine Positionen, beispielsweise für die scharfe Ablehnung des Great Ape Project oder der Papstdemo ‚Keine Macht den Dogmen!‘,  keine Mehrheit im Stiftungsbeirat und Kuratorium gewinnen konnte, war sein Austritt zu erwarten. Wir müssen das respektieren.“

Dass die Frankfurter Allgemeine Zeitung am vergangenen Samstag (FAZ vom 26.11.2011, siehe auch die Meldung der Katholischen Nachrichten Agentur und von Radio Vatikan, das Bistum Regensburg und die Piusbrüder brachten sogar den vollständigen Artikel) Hoerster den Platz einräumte, die Gründe für seinen Austritt aus der gbs öffentlich zu erörtern, bezeichnete der Stiftungssprecher als „einigermaßen befremdlich“: „Ich hätte nicht gedacht, dass so etwas eine ausführliche Meldung in der FAZ wert sein könnte“, sagte Schmidt-Salomon. „Immerhin hat die Frankfurter Allgemeine in den letzten Jahren  gesellschaftlich hochrelevante Pressemitteilungen der gbs vollständig ignoriert. Kaum aber bietet sich die Gelegenheit, das Image der Stiftung zu beschädigen, weil jemand aus dem Stiftungsbeirat austritt, ist die FAZ zur Stelle. Von einer seriösen Zeitung sollte man eine solche Form der Parteilichkeit nicht erwarten…“

 

Unterschiedliche philosophische Herangehensweisen

Zu Hoersters FAZ-Artikel erklärte Schmidt-Salomon, dass der Text die beiden Hauptdissens-Punkte gut markiere. Der erste Dissens betreffe die „philosophische Herangehensweise“: „Norbert Hoerster zählt zu den Philosophen, die meinen, man könne philosophische Probleme lösen, indem man fast ausschließlich philosophisch argumentiert. In der Stiftung gehen wir jedoch mit guten Gründen von einer ‚Einheit des Wissens‘ aus. Wir meinen, dass gerade Philosophen davon profitieren, wenn sie sich intensiver mit Natur- und Sozialwissenschaften beschäftigen. Vor allem in der Evolutionsbiologie, der Psychologie, der Hirn- und Primatenforschung sind in den letzten Jahren enorme Erkenntnisfortschritte erzielt worden, die philosophisch reflektiert werden müssen.“

Ignoriert man die Erkenntnisfortschritte in den empirischen Wissenschaften, steigt laut Schmidt-Salomon die Gefahr, „dass man wie Norbert Hoerster zu falschen Einschätzungen gelangt – etwa in Hinblick auf das Überlebensinteresse von Menschenaffen oder die philosophische Bedeutung der Evolutionstheorie.“ Da sich Hoerster nie mit den Verhaltensunterschieden von Schimpansen- und Menschenkindern auseinandergesetzt habe, könne er auch nicht verstehen, warum im exakten Imitieren anderer die basale Ursache für die so unterschiedliche Kulturentwicklung von Mensch und Schimpanse liege: „Es ist natürlich absurd, wenn Hoerster in der FAZ  unterstellt, ich würde Kants ‚Kritik der reinen Vernunft‘ als bloßen Ausdruck dieses Nachäffens begreifen, Fakt ist aber, dass Kant ohne die besondere menschliche Bereitschaft, Laute genau zu imitieren, niemals eine Sprache hätte erwerben, geschweige denn: philosophische Kritiken hätte verfassen können.“

 

Strategische Fragen

Der zweite Dissens-Punkt zwischen Hoerster und der Stiftung bestand nach Schmidt-Salomon in der Beantwortung strategischer Fragen: „Im FAZ-Artikel mokierte sich Hoerster darüber, dass die gbs eine ‚als Puppe auftretende, prügelnde Nonne‘ auf den Heimkinder- und Anti-Papst-Demonstrationen einsetzte. Dies würde seinem ästhetischen Empfinden nicht entsprechen. Nun lässt sich über Geschmack trefflich streiten.  Unbestritten jedoch ist, dass die ‚Prügelnonne‘ wesentlich dazu beigetragen hat, dass die Anliegen der missbrauchten, misshandelten Heimkinder im vergangenen Jahr medial wie politisch stärker wahrgenommen wurden als je zuvor. Ob man es will oder nicht: Wer in der Mediengesellschaft auf seine Ziele aufmerksam machen möchte,  braucht nicht nur gute Argumente, sondern auch starke Bilder – und die ‚Prügelnonne‘ war zweifellos ein starkes Bild, auf das die Printmedien und Fernsehsender immer wieder gerne zurückgriffen.“

Natürlich, so Schmidt-Salomon, sei das Spiel mit den Medien stets eine Gratwanderung: „Es gilt, Aufklärung populär zu machen, ohne populistisch zu sein. Dafür muss man das richtige Verhältnis von Provokation und Argumentation finden. Das ist ein schwieriges Geschäft – bislang aber bin ich mit unseren Erfolgen sehr zufrieden. Zumindest ist mir keine andere Organisation bekannt, die mit so wenig Mitteln so viel bewegen konnte!“ Aufgrund dieses Erfolgs dürfe man sich nicht darüber wundern, dass die gbs vermehrt Gegenreaktionen hervorrufe. Vor allem müsse man damit leben, dass die Argumente der Stiftung in den Medien oft verkürzt oder entstellt wiedergegeben würden. Beispielsweise würde die gbs immer wieder als Agentur des „Neuen Atheismus“ beschrieben, „obwohl sie in Wahrheit weder alt- noch neu-atheistisch, sondern evolutionär-humanistisch ausgerichtet ist. Viele Mitglieder der gbs sind – und das gilt auch für mich persönlich – eher Agnostiker als Atheisten. Insofern sehe ich keinerlei Widerspruch zu den Ansichten Albert Einsteins und David Humes, auf die Hoerster in seinem FAZ-Artikel eingegangen ist.“ (Siehe hierzu auch die FAQ-Sammlung: „10 Fragen – 10 Antworten“).

Glücklicherweise können sich Leserinnen und Leser heute dank des Internets schnell selbst ein Bild davon machen, inwieweit die Argumente, die gegen die Giordano-Bruno-Stiftung vorgebracht werden, zutreffend sind oder nicht. Dies gilt, wie Schmidt-Salomon sagt,  auch für die Kritik Hoersters: „Ist es denn wirklich so falsch, vom ‚verheerendem Einfluss des Papstes auf die Weltpolitik‘ zu sprechen? Sind die Argumente, die wir anführten, um zu begründen, dass die vatikanische Politik ‚menschenfeindlich‘ ist, in irgendeiner Weise widerlegt worden? Sicherlich hätten wir in unserem ‚Offenen Brief an die Bundeskanzlerin‘ formulieren können, dass der Papst aufgrund religiöser Dogmen ‚ungeschützten Geschlechtsverkehr mit Todesfolge in Kauf nimmt‘ – statt zu schreiben, dass er zu ‚ungeschütztem Geschlechtsverkehr mit Todesfolge anstiftet‘. Aber zum einen sollte man den politischen Diskurs nicht mit einem philosophischen Oberseminar verwechseln, zum anderen würde diese alternative Formulierung keinen Deut an der prinzipiellen Kritik ändern, die wir gegen die objektiv verantwortungslose Sexualpolitik des Papstes vorgebracht haben! Fakt ist: Bislang hat niemand stringente Gegenargumente gegen die  papstkritischen Positionen der gbs vorgelegt – weder Norbert Hoerster noch die erstaunlich papstfreundliche FAZ. Deshalb gibt es für die Giordano-Bruno-Stiftung keinerlei Veranlassung, die bisherige Argumentationslinie zu verlassen. Interessanterweise hat der kritische Artikel in der FAZ auch keineswegs  – wie wohl intendiert – zu Austritten aus der gbs geführt, sondern zu verstärkten Eintritten in den Förderkreis der Stiftung. Offensichtlich sind die Leserinnen und Leser der Frankfurter Allgemeinen Zeitung klüger als ihre Macher…“