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Ende der Konkordatslehrstühle in Sicht

Bayerische Bischofskonferenz beschließt, auf Privilegien bei der Besetzung nichttheologischer Lehrstühle zu verzichten

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Thorben Wengert / pixelio.de

„Offensichtlich hat sich das langjährige Engagement gegen Konkordatslehrstühle gelohnt!“ Mit diesen Worten kommentierte gbs-Vorstandssprecher Michael Schmidt-Salomon die am Donnerstag (31.1.2013) veröffentlichte Entscheidung der Bayerischen Bischofskonferenz, künftig auf die Mitwirkung bei der Besetzung sogenannter Konkordatslehrstühle verzichten zu wollen. Damit sei, so Schmidt-Salomon, „nach 90 Jahren ein Ende dieser speziellen katholischen Unterwanderung der Philosophie, Pädagogik, Politik, Geschichte und Soziologie absehbar."

Konkordatslehrstühle sind Professorenstellen außerhalb der Theologischen Fakultäten, bei denen der örtliche katholische Bischof das Privileg besitzt, potentielle Lehrstuhlinhaber abzulehnen, wenn diese „kirchlichen Standpunkten“ nicht entsprechen. In Bayern sind von dieser Sonderregelung, die auf das Bayerische Konkordat von 1924 zurückgeht, 21 Lehrstühle betroffen – etwa ein Viertel aller bayerischen Pädagogik- und Politologie- sowie ein Drittel der Philosophie- und Soziologie-Lehrstühle. Was das für die Forschung und Lehre bedeutet, wird klar, wenn man sich vergegenwärtigt, was die Kirche von den Inhabern dieser Konkordatslehrstühle erwartet, nämlich „das Verständnis für die allgemeinen Glaubenswahrheiten zu wecken“, eine „katholische Philosophie auf christlicher Grundlage“ sowie „allgemeine Werte und Aussagen, z.B. Transzendenz, Willensfreiheit, Schuldfähigkeit des Menschen ... Einehe und Familie, Einheit von Glauben und Wissen“ zu vermitteln (siehe hierzu das telepolis-Interview mit dem Münchener Philosophen Konrad Lotter, der das Problem der Konkordatslehrstühle vor einigen Jahren kritisch analysierte).

„Obgleich Konkordatslehrstühle gegen die gebotene ‚Trennung von Staat und Kirche‘ sowie die ‚Freiheit von Forschung und Lehre‘ verstoßen und mit einer verfassungswidrigen Diskriminierung nicht-katholischer, insbesondere nicht-christlicher Stellenbewerber verbunden sind, scheiterten über Jahrzehnte hinweg sämtliche Versuche, dieses besondere Privileg der katholischen Kirche zu kippen“, erklärte gbs-Vorstandssprecher Michael Schmidt-Salomon am heutigen Montag am Stiftungssitz in Oberwesel. „Aber mit diesem eklatanten Missstand konnten sich weder freidenkende Wissenschaftler noch die säkularen Verbände in Deutschland zufrieden geben.“

Also wurde 2008 mit Unterstützung der Humanistischen Union (HU), dem Bund für Geistesfreiheit Bayern (bfg), dem Internationalen Bund der Konfessionslosen und Atheisten (IBKA) sowie der Giordano-Bruno-Stiftung (gbs) ein neuer Anlauf gestartet: Sieben Philosophinnen und Philosophen, darunter die gbs-Mitglieder Ulla Wessels, Franz-Josef Wetz und Michael Schmidt-Salomon, beantragten eine „Einstweilige Verfügung“ gegen die Ausschreibung eines Konkordatslehrstuhls an der Universität Erlangen. Dass dieser Antrag in der ersten Instanz scheiterte, wunderte niemanden. Nachdem das Verwaltungsgericht Ansbach den Antrag als „unbegründet“ zurückgewiesen hatte, fiel der Entschluss, das Verfahren von Ulla Wessels, die sich als einzige Antragstellerin tatsächlich um die Stelle in Erlangen beworben hatte, weiterzuführen.

Im Zuge dieses langjährigen Rechtsstreits konnte zunächst die Neubesetzung des Erlanger Konkordatslehrstuhls gestoppt werden. Im März 2012 trat das Verfahren mit einer Verfassungsbeschwerde in die entscheidende Phase. Darüber hinaus erreichte im Januar 2013 ein zweites Verfahren, das von einem weiteren Philosophen gegen den Erlanger Ausschreibungstext angestrengt wurde, die Ebene des Bundesverfassungsgerichts, wobei der in beiden Fällen tätige Anwalt Rainer Roth anregte, das BVG möge über die Verfassungsbeschwerden von Wessels und dem zweiten Kläger gemeinsam entscheiden. „Dadurch“, so Schmidt-Salomon, „erhöhte sich noch einmal der Druck auf die bayerischen Bischöfe, die befürchten mussten, vor dem höchsten deutschen Gericht in Sachen Konkordatslehrstühle eine peinliche Niederlage zu erleiden, was dann wohl zu dem Entschluss führte, im Vorfeld dieser Entscheidung ‚freiwillig‘ auf die damit verbundenen Privilegien zu verzichten.“

Welche Bedeutung die jüngste Erklärung der Bayerischen Bischofskonferenz für das Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht hat, lässt sich momentan schwer abschätzen. Der emeritierte Erlangener Philosophieprofessor Theo Ebert (Mitglied des gbs-Beirats), der die Initiative gegen die Konkordatslehrstühle maßgeblich koordinierte, meinte dazu: „Sollte es zu einer rechtwirksamen Änderung des Bayerischen Konkordates kommen, würde sich die Behandlung der beiden Verfassungsbeschwerden möglicherweise erledigen. In jedem Fall sollte damit dieses anachronistische Privileg der katholischen Kirche bald der Vergangenheit angehören.“

gbs-Vorstandssprecher Michael Schmidt-Salomon dankte den zahlreichen Spendern, die es ermöglicht hatten, den Rechtsstreit bis in die letzte Instanz durchzufechten. Allein vonseiten der Giordano-Bruno-Stiftung waren Spendengelder in Höhe von mehr als 20.000 Euro in das Verfahren geflossen. „Eine hohe Summe“, meint Schmidt-Salomon, „aber sie hat sich gerechnet: Wir sind sehr froh, dass der Widerstand gegen die Konkordatslehrstühle nach immerhin 90 Jahren zu einem positiven Ergebnis geführt hat! Selbstverständlich werden wir uns auf dem Erreichten nicht ausruhen, sondern weiterhin am Ball bleiben! Es gibt in dieser Hinsicht ja noch viel zu tun – man denke nur an das kirchliche Arbeitsrecht oder den Einzug der Kirchensteuern durch den Staat. Ich bin überzeugt, dass in absehbarer Zeit weitere verfassungswidrige Privilegien der Großkirchen fallen werden.“

 

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http://konkordatslehrstuhlklage.de/