Sie sind hier

Schwerstkranke haben ein Recht auf "letzte Hilfe“

gbs kritisiert das Anliegen des Bundesgesundheitsministers, ärztlich assistierten Suizid unter Strafe zu stellen

rike_pixelio.de_.jpg

Rike / pixelio.de

Mit deutlichen Worten hat der Vorstandssprecher der Giordano-Bruno-Stiftung, Michael Schmidt-Salomon, die Äußerungen von Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) kritisiert, der am Montag in einem Interview bekannte, "jede geschäftsmäßige Hilfe zur Selbsttötung unter Strafe stellen" zu wollen. "Die Überlegungen des Ministers beruhen auf religiösen Vorbehalten – nicht auf den Prinzipien einer zeitgemäßen Ethik, die sich an den Interessen der Individuen orientieren muss", sagte Schmidt-Salomon. "In einer modernen, aufgeklärten Gesellschaft sollten schwerstkranke Menschen ein Recht auf 'letzte Hilfe' haben – und dazu zählt nicht nur eine hervorragende palliativmedizinische Versorgung, sondern auch die Möglichkeit, selbstbestimmt mit der Unterstützung eines Arztes aus dem Leben scheiden zu können, wenn das Leiden unerträglich wird."

Der Bundesgesundheitsminister hatte am Montag in einem Interview mit der Rheinischen Post behauptet, wer sich für Hilfe zur Selbsttötung bezahlen lasse, der handele "überaus verwerflich". Weiterhin erklärte der CDU-Politiker: "Wer die Selbsttötung propagiert, als Ausdruck der Freiheit des Menschen geradezu verklärt, der versündigt sich an der Wertschätzung des menschlichen Lebens in allen seinen Phasen." Gröhe habe das Wort "Versündigung" in diesem Zusammenhang nicht zufällig gewählt, meinte Schmidt-Salomon: "In dieser Aussage kommt die christliche Überzeugung zum Ausdruck, dass das Individuum nicht selbst über sein Leben verfügen dürfe, da es von Gott geschenkt sei. Natürlich hat Herr Gröhe, der seit 1997 Mitglied der Synode der Evangelischen Kirche Deutschlands ist, das Recht, den ärztlich assistierten Suizid auf der Basis seines persönlichen Glaubens abzulehnen, aber er hat nicht das Recht, anderen, die seine Überzeugungen nicht teilen, die Möglichkeit zu nehmen, ärztliche Hilfe in Anspruch zu nehmen, wenn sie ihrem Leid ein Ende bereiten wollen. Eine derartige Ignoranz gegenüber den Bedürfnissen schwerstleidender Menschen halte ich für 'überaus verwerflich' – nicht das Verhalten von Ärzten, die den Mut haben, den letzten Wunsch ihrer Patienten zu erfüllen."

Den Vorwurf, Sterbehelfer verhielten sich unethisch, weil sie ein "Geschäft mit dem Tod" machen wollten, hält Schmidt-Salomon für absurd: "Wenn man bei diesem Thema unbedingt ökonomisch argumentieren will, sollte man sich vor Augen führen, dass das Geschäft mit der Aufrechterhaltung des Leids sterbewilliger Patienten sehr viel lukrativer ist als die Bereitstellung eines medizinischen Cocktails, den die Patienten selbst zu sich nehmen, um einen sanften Tod herbeizuführen. Aber das ist nicht der entscheidende Punkt. Das eigentliche Problem besteht darin, dass es heute viele Tausend unheilbar kranke und schwer leidende Menschen in Deutschland gibt, die trotz palliativmedizinischer Versorgung unbedingt sterben wollen, aber nur wenige Ärzte, die bereit sind, diesem Wunsch zu entsprechen – auch deshalb, weil sie einen Ausschluss aus der Ärztekammer befürchten. Jeder Ökonom weiß: Wenn die Nachfrage sehr viel höher ist als das Angebot, gehen die Preise in die Höhe. Käme es tatsächlich zu einem Verbot des assistierten Suizids, würde sich die gegenwärtige Misslage weiter verschärfen, so dass sich nur noch begüterte Sterbewillige – entweder geheim in Deutschland oder offiziell im Ausland – ärztlichen Beistand bei der Selbsttötung leisten könnten. Eine solche Situation muss unbedingt verhindert werden! Deshalb brauchen wir dringend eine breite gesellschaftliche Debatte darüber, wie ein zeitgemäßes Sterbehilfegesetz aussehen könnte, das an den Bedürfnissen der Betroffenen orientiert ist und jeglichen Missbrauch verhindert. Bei einer solch existentiellen Frage kann und darf es nicht sein, dass der Gesetzgeber unreflektiert religiösen Dogmen folgt, die von der Bevölkerungsmehrheit schon lange nicht mehr geteilt werden."

 

Links zu diesem Artikel:

Vor einem Jahr fand am Stiftungssitz in Oberwesel eine Veranstaltung zu diesem Thema mit "Deutschlands bekanntestem Sterbehelfer", gbs-Beirat Dr. Uwe-Christian Arnold, statt.

Lesen Sie auch die Pressemitteilung der Deutschen Gesellschaft für humanes Sterben (DGHS) zur aktuellen Debatte um die Sterbehilfe