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Newsletter vom 26.03.2012

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Karikatur: Jacques Tilly

Grundrechte müssen auch in kirchlichen Betrieben gelten! GerDiA klärt Bundestagsabgeordnete über religiöse Diskriminierung am Arbeitsplatz auf +++ Großveranstaltungen im April und Mai: Reliquienkult in Trier, Religionsfreie Zone in Mannheim, Skeptiker in Berlin, Atheisten in Köln +++ Meinungsvielfalt unerwünscht! Weshalb die Trierer Kunstausstellung "Reliquie" verhindert werden soll +++ PaläoPower: Vortrag von Sabine Paul am gbs-Stiftungssitz in Oberwesel +++ Kurz notiert: Franz Wuketits über die Lust am Weltuntergang / Polnische Ausgabe des "Manifest" löst Debatte aus / "Jenseits von Gut und Böse" in preiswerter Taschenbuchausgabe / Joachim Gauck – ein Präsident von Gottes Gnaden? / Proteste zum Hasenfeste +++ Die nächsten Termine +++ Nachtrag: gbs-Veranstaltungen im Rahmen der Berliner Stiftungswoche

 

GRUNDRECHTE MÜSSEN AUCH IN KIRCHLICHEN BETRIEBEN GELTEN! GERDIA KLÄRT BUNDESTAGSABGEORDNETE ÜBER RELIGIÖSE DISKRIMINIERUNG AM ARBEITSPLATZ AUF

Sonderrechte kirchlicher Betriebe, die gegen das Grundgesetz verstoßen, müssen beseitigt werden. Dies fordert die Kampagne "Gegen religiöse Diskriminierung am Arbeitsplatz" (GerDiA), die anlässlich der anstehenden Bundestagsanhörung zu den Arbeitsverhältnissen in kirchlichen Sozialeinrichtungen am 26. März sämtliche Abgeordnete des Deutschen Bundestags mit Informationen zum kirchlichen Arbeitsrecht versorgte.

"In der gegenwärtigen Situation wird systematisch gegen den Geist der Antidiskriminierungsregelungen verstoßen", erklärt GerDiA-Sprecherin Ingrid Matthäus-Maier. Die ehemalige SPD-Spitzenpolitikerin hält es für verfassungswidrig, "dass in Einrichtungen des öffentlichen Bildungs- und Gesundheitswesens das konfessionslose Drittel der Bevölkerung von vornherein keine Anstellung findet und in katholischen Einrichtungen sogar eine Wiederheirat nach einer Scheidung zu Kündigung führt."

Die absurden Konsequenzen kirchlicher Sonderrechte zeigt ein Fall in Königswinter, der bundesweit für Schlagzeilen sorgte. Eine bei Eltern und Kindern beliebte Kindergärtnerin eines katholischen Kindergartens wurde entlassen, weil sie sich von ihrem Mann getrennt hatte und zu ihrem neuen Partner gezogen war. Nach massiven Protesten der Eltern kündigte der Jugendhilfeausschuss der Stadt vor wenigen Tagen den Vertrag mit der Kirche. Für die Kindergärtnerin, deren Vertrag am 30. Juni ausläuft, kommt diese ungewöhnliche Intervention wohl zu spät.

Um weitere Grundrechtsverstöße dieser Art zu unterbinden, fordert GerDiA die Bundestagsabgeordneten dazu auf, den "besonderen Tendenzschutz" für Religionsgemeinschaften (BetrVG § 118, Abs. 2) abzuschaffen. Für kirchliche Betriebe müssten die gleichen Regelungen gelten wie für die Arbeiterwohlfahrt. Nur so könne garantiert werden, dass Angestellte kirchlicher Institutionen die gleichen Rechte erhalten wie andere Arbeitnehmer. Auch sie sollten einen Betriebsrat bilden, streiken und ein Privatleben ohne religiöse Bevormundung führen dürfen.

"Eigentlich sollte dies eine Selbstverständlichkeit sein, zumal die kirchlichen Einrichtungen größtenteils öffentlich finanziert werden!", sagt Rainer Ponitka vom Internationalen Bund der Konfessionslosen und Atheisten (IBKA), der gemeinsam mit der Giordano-Bruno-Stiftung (gbs) die Kampagne initiierte. "Leider hinkt das deutsche Recht in diesem Punkt der gesellschaftlichen Entwicklung hinterher. Doch es ist wohl nur eine Frage der Zeit, bis sich das ändert. Immerhin gibt es schon heute mehr konfessionslose Menschen in Deutschland als Katholiken – und täglich werden es mehr."

Weitere Informationen unter:
www.gerdia.de

Das Flugblatt der Kampagne:
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GROSSVERANSTALTUNGEN IM APRIL UND MAI: RELIQUIENKULT IN TRIER, RELIGIONSFREIE ZONE IN MANNHEIM, SKEPTIKER IN BERLIN, ATHEISTEN IN KÖLN

Die religionsfreie und skeptische Szene startet durch: Selten zuvor gab es so viele Großveranstaltungen wie in den kommenden Wochen. Den Anfang machen Mitte April die Kunstausstellung "Reliquie: Fetisch in Kirche, Kunst & Konsum" sowie die Veranstaltungsreihe "Heilig’s Röckle" anlässlich der "Heilig-Rock-Wallfahrt" in Trier, die schon im Vorfeld für heftige Diskussionen sorgten (siehe nachfolgende Meldung). Website: http://www.heiligs-roeckle.de

Vom 16.-20. Mai findet daraufhin die Religionsfreie Zone (u.a. mit Carsten Frerk, Ralf König, Gerd Lüdemann und Michael Schmidt-Salomon) anlässlich des Katholikentags in Mannheim statt. Veranstalterin ist die gbs-Regionalgruppe Rhein-Neckar. Das Programm findet man unter:
http://religionsfreie-zone-mannheim.de/programm/

Zeitgleich richtet die "Gesellschaft zur wissenschaftlichen Untersuchung von Parawissenschaften" (GWUP) den 6. Weltskeptiker-Kongress in Berlin aus. Schwerpunktmäßig wird sich der internationale Kongress mit folgenden Fragen beschäftigen: Warum vertrauen Menschen pseudowissenschaftlichen Behauptungen? Was macht Alternativmedizin so attraktiv – und wie können wir beurteilen, was hilft und was nicht? Warum verhalten sich viele Leute irrational? Wie können wir unseren Kindern beibringen, wissenschaftlich zu denken?
Unter anderem werden Eugenie Scott (Anthropologin und Geschäftsführerin des US-amerikanischen National Center for Science Education), der Wissenschaftsjournalist und Autor Simon Singh ("Gesund ohne Pillen"), Dittmar Graf (Biologiedidaktiker an der TU-Dortmund) und der aus Presse, Funk und Fernsehen bekannte Kriminalbiologe Mark Beneke an der mehrtägigen Veranstaltung teilnehmen. Ein besonderes Highlight wird zweifellos der Auftritt des großen Zauber- und Entzauberungskünstlers James ("The Amazing") Randi sein. Weitere Informationen unter: http://www.worldskeptics.org/de/home-de/

Am Wochenende darauf (25.-27. Mai) findet unter Federführung des Internationalen Bundes der Konfessionslosen und Atheisten (IBKA) in Köln die internationale Tagung "Die Atheistische Perspektive" statt. Referenten sind unter anderem: Dan Barker, ehemaliger evangelikaler Prediger, Autor und Co-Präsident der Freedom from Religion Foundation (FFRF), Carsten Frerk, Autor und Redakteur des Humanistischen Pressedienstes, Annie Laurie Gaylor, Gründerin und Co-Präsidentin der FFRF, PZ Myers, Biologe und Autor des Wissenschaftsblogs Pharyngula, Taslima Nasrin, Ärztin, Autorin und internationale Menschenrechtsaktivistin sowie Michael Schmidt-Salomon, Autor und Vorstandssprecher der Giordano-Bruno-Stiftung. Weitere Infos unter:
http://www.ibka.org/tagung2012

Die Giordano-Bruno-Stiftung ist Kooperationspartnerin bei allen vier Veranstaltungen und hofft, dass sie auf breites Interesse stoßen werden. (Der Karten-Vorverkauf hat in den meisten Fällen bereits begonnen...)

 

MEINUNGSVIELFALT UNERWÜNSCHT! WARUM DIE TRIERER KUNSTAUSSTELLUNG "RELIQUIE" VERHINDERT WERDEN SOLL

Die älteste Stadt Deutschlands wollte sich modern und weltoffen zeigen. Also wurde ins Programm der Trierer "Heilig-Rock-Wallfahrt" eine internationale Kunstausstellung des Kulturzentrums "Tuchfabrik" (TUFA) aufgenommen, die das Thema "Reliquie – Fetisch in Kirche, Kunst & Konsum" aufarbeiten sollte. Doch nun, einen Monat vor Ausstellungseröffnung, verweigern die örtlichen Kulturförderinstitutionen plötzlich die Gewährung der fest eingeplanten Zuschüsse.

Stein des Anstoßes (auch wenn dies offiziell dementiert wird): Die TUFA kooperiert mit der Giordano-Bruno-Stiftung (gbs), die unter dem Titel "Heilig’s Röckle!" ein Begleitprogramm mit renommierten Religionskritikern organisiert (siehe Newsletter vom 29.02.2012). Ein Vorgang, der zeigt, wie wenig die Trennung von Staat und Kirche in Deutschland tatsächlich vorangeschritten ist.

Durch die Absage der beiden Trierer Stiftungen stehen die Verantwortlichen der TUFA vor einem Finanzierungsloch. Zwar greift das Land Rheinland-Pfalz der TUFA finanziell unter die Arme, es fehlen jedoch noch immer 7000 € für eine gesicherte Kostendeckung. Insofern ist es gegenwärtig in der Schwebe, ob die Kunstausstellung, an der sich (ohne jegliche Gage) renommierte Künstler wie der Präsident der Berliner Akademie der Künste, Klaus Staeck, beteiligen, überhaupt stattfinden kann.

Um "Reliquie: Fetisch in Kirche, Kunst & Konsum" wie geplant durchführen zu können, ruft die TUFA deshalb zu Spenden auf. Die gbs unterstützt diesen Spendenaufruf nachdrücklich: Bitte spenden Sie auf das Konto des TUFA e.V.! (Kontonummer: 1005859, Sparkasse Trier, BLZ: 58550130, Stichwort: "Reliquie 2012" – der TUFA e.V. ist als gemeinnützig anerkannt und daher berechtigt, Spendenbescheinigungen auszustellen.)

Lesen Sie weiter unter:
/meldung/meinungsvielfalt-unerwuenscht

Weiterführende Informationen zur Ausstellung sowie zum alternativen Pilgerprogramm:
http://www.heiligs-roeckle.de

 

PALÄOPOWER: VORTRAG VON SABINE PAUL AM GBS-STIFTUNGSSITZ IN OBERWESEL

Die Molekular- und Evolutionsbiologin Sabine Paul wird am Sonntag, dem 1. April 2012, über evolutionäre Ernährung und Gesundheit im Forum der Giordano-Bruno-Stiftung referieren. Dabei wird sie dem Publikum zeigen, wie man das Wissen der Evolution für eine genussvolle gesunde Ernährung nutzen und als Geheimwaffe gegen Zivilisationskrankheiten wie Übergewicht, Allergien, ADHS und Burnout einsetzen kann.

Die Veranstaltung im Haus Weitblick (Auf Fasel 16, 55430 Oberwesel) beginnt um 14.30 Uhr. Der Eintritt kostet 10 €, ermäßigt 5 €. Eine Anmeldung ist erforderlich (gbs-Büro Oberwesel, Email: steffen@giordano-bruno-stiftung.de, eine Rückmeldung erfolgt nur, falls bereits alle Plätze vergeben sind).
Weitere Informationen:
/meldung/palaeopower-evolutionaere-...

 

KURZ NOTIERT

FRANZ WUKETITS ÜBER DIE LUST AM WELTUNTERGANG: Trotz des Maya-Kalenders wird die Welt mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auch 2012 nicht untergehen. Aber mit ebenso großer Wahrscheinlichkeit werden Apokalyptiker sehr bald einen neuen Termin für den Weltuntergang finden. Wie jedoch lässt sich diese schaurige Lust am Weltuntergang erklären? Und wie realistisch sind die einzelnen Weltuntergangsszenarien überhaupt?
In seinem soeben erschienenen Buch "Die Boten der Nemesis" (Gütersloher Verlagshaus, 2012, 253 S., € 19,99) gibt gbs-Beirat Franz M. Wuketits Antworten auf diese Fragen, indem er fein säuberlich Fakten von Fiktionen trennt. Herausgekommen ist ein heiter-schauriges Stück Wissenschaftsprosa, das die Handschrift eines waschechten Wieners trägt ("Die Lage ist hoffnungslos, aber nicht ernst").

POLNISCHE AUSGABE DES "MANIFEST" LÖST DEBATTE AUS: Kaum ist die gbs-Grundlagenschrift "Manifest des evolutionären Humanismus" in Polen erschienen (unter dem Titel "Humanizm ewolucyjny" als erster Beitrag der Reihe "Kontraste und Kontroversen" im Verlag "Dobra Literatura"), schon löst sie heftige Diskussionen aus. Allein auf der Website "Wirtualana Polska" ("Virtuelles Polen") gab es bislang über 560 Kommentare auf die Ankündigung des Buchs.
Die Debatte zeigt die weltanschauliche Zerrissenheit Polens: Einerseits wird das Land noch immer von einer sehr dogmatischen Spielart des Katholizismus dominiert, andererseits neigen junge Großstädter immer häufiger dazu, sich offen zu säkularen, liberalen Positionen zu bekennen, was auch den Erfolg der antiklerikalen Partei "Ruch Palikota" erklärt, die bei den letzten Parlamentswahlen als drittstärkste Kraft in das polnische Parlament einzog.

"JENSEITS VON GUT UND BÖSE" IN PREISWERTER TASCHENBUCHAUSGABE: Michael Schmidt-Salomons Opus Magnum "Jenseits von Gut und Böse – Warum wir ohne Moral die besseren Menschen sind" ist nun als preiswerte Taschenbuchausgabe (€9,99 statt €19,99) im Piper-Verlag erschienen. Die Ausgabe beruht auf der 6. Auflage des Hardcovers, enthält also auch den Anhang "Warum das Ganze mehr ist als die Summe seiner Teile", der in den ersten vier Auflagen des Buchs fehlte.

JOACHIM GAUCK – EIN PRÄSIDENT VON GOTTES GNADEN?: Gaucks erste Rede als Bundespräsident war besser als die meisten Reden seiner Vorgänger – und man hätte sie fast schon als "gut” bezeichnen können, hätte er am Schluss auf das abgeschmackte Zitieren eines "göttlichen Willens” verzichtet: "Gott und den Menschen sei Dank: Dieses Erbe dürfen sie erwarten.". Lesen Sie hierzu den Kurzkommentar von Michael Schmidt-Salomon:
http://www.keine-macht-den-doofen.de/1182/joachim-gauck-ein-prasident-vo...
siehe auch:
http://www.keine-macht-den-doofen.de/1165/gauckler-an-der-macht-heilige-...

PROTESTE ZUM HASENFESTE: Selten hat sich zur Osterzeit so viel Widerstand gegen kirchliche Privilegien geregt. Nicht nur, dass an Gründonnerstag in vielen Orten "Kirchenaustrittspartys" stattfinden (siehe www.hasenfest.org, wer es noch nicht geschafft hat, aus der Kirche auszutreten, sollte diesen Termin nutzen), auch gegen das behördlich überwachte "Tanzverbot" an den sogenannten "stillen Tagen" (Karfreitag und Karsamstag) wird mehr und mehr Protest laut.
So ruft die Piratenpartei Gießen zu einer Tanzdemo an Karfreitag auf (http://www.piraten-giessen.de/demo-gegen-das-tanzverbot), selbst die FDP erinnert sich an ihre liberalen Prinzipien aus den 1970er Jahren und meint, dass man in einer pluralen Gesellschaft über das Tanzverbot ernsthaft diskutieren müsse (hier eine Veranstaltung in Trier: http://www.fdp-trier.de/?p=605).
Nicht zu vergessen: Wie jedes Jahr finden auch am kommenden Karfreitag in Köln (/termine?action=cal&id=308&tab=cal_...) und München (/termine?action=cal&id=325&tab=cal_...) die bewährten "Religionsfreien Zonen" statt. Mit ketzerischen Filmen und allerlei "verbotenen Genüssen" garantieren die Veranstalter "das Beste zum Hasenfeste", nämlich "Heidenspaß statt Höllenqual!".
 

DIE NÄCHSTEN TERMINE

Wie immer finden Sie die wichtigsten Termine der kommenden Wochen in unserem Veranstaltungskalender: /termine

NACHTRAG: GBS-VERANSTALTUNGEN  IM RAHMEN DER BERLINER STIFTUNGSWOCHE

Die Giordano-Bruno-Stiftung wird sich am 20. und 21. April im Rahmen der "3. Berliner Stiftungswoche" vorstellen. Mehr dazu im nächsten Newsletter. Hier zwei Vorablinks:
/termine?action=cal&id=328&tab=cal_...
/termine?action=cal&id=329&tab=cal_...

 

Mit freundlichen Grüßen
Das gbs-Newsletter-Team

http://www.giordano-bruno-stiftung.de

Archiv der vorangegangenen Newsletter:
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