gbs-Jahresrückblick 2025
Ist der Humanismus noch zu retten?
gbs_rueckblick_2025_fc.jpg
Collage: Florian Chefai
»Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren«, heißt es in der »Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte«. Doch diese universalistische, humanistische Norm wird zunehmend von autoritären Regierungen und Bewegungen angegriffen, die religiös-nationalistische Identitäten ins Zentrum der Politik rücken. Gegen diese Gruppenideologien richtete sich das diesjährige gbs-Schwerpunktthema »Mein Kopf gehört mir!«, das aktueller kaum hätte sein können, wie der nachfolgende Rückblick auf die wichtigsten Stiftungsaktivitäten 2025 zeigt.
***
1. Quartal: Januar bis März
Januar
- »Du bist nicht deine Gruppe – und deine Gruppe repräsentiert nicht die Menschheit!« Mit diesem einfachen Satz verdeutlicht die gbs die Kernaussage ihres diesjährigen Schwerpunktthemas, das sie am 1. Januar auf ihrer Website vorstellt. Im Laufe des Jahres kritisiert die Stiftung alle »Identitätspolitiken«, die Partikularinteressen an die Stelle universeller Menschenrechte setzen –unabhängig davon, ob sie sich selbst als »rechts« etikettieren (»Internationale der Nationalisten«) oder als »links« (»identitäre Linke«), ob sie den demokratischen, weltanschaulich neutralen Rechtsstaat auf »islamistische« oder auf »christianistische« Weise aushebeln wollen (nicht ohne Grund setzen Putin und Trump wie Erdogan oder Chamenei auf das Herrschaftsinstrument der »religiösen Identität«). Im Rahmen des Schwerpunktthemas »Mein Kopf gehört mir!« unterstützt die gbs nicht nur drei Großveranstaltungen im Herbst (siehe 4. Quartal), sondern greift auch ihre alte bildungspolitische Forderung nach einem gemeinsamen Ethik- und Philosophieunterricht in »bekenntnisfreien Schulen« wieder auf, um der »religiösen Gettoisierung« von Schülerinnen und Schülern entgegenzuwirken.
- Pünktlich zum 10. Jahrestag des Anschlags auf »Charlie Hebdo« veröffentlicht die gbs am 7. Januar 2025 den 35-minütigen Film »Free Charlie«, der die fatalen Wirkungen religiöser Zensur beleuchtet. Parallel zum Film erscheint im Alibri Verlag der Karikaturenband »Free Charlie! Satire kann man nicht töten«, der neben religionskritischen Zeichnungen (u. a. von Ralf König, Dorthe Landschulz, Nadia Menze, Til Mette, Martin Perscheid, Oliver Ottitsch und Jacques Tilly) einen ausführlichen Text von Michael Schmidt-Salomon enthält, der über die Geschichte des »Gotteslästerungsparagrafen« 166 StGB und seine fatalen Wirkungen bis heute informiert. Film und Buch werden am 7. Januar im Rahmen einer gut besuchten Pressekonferenz in der »Ludwiggalerie Schloss Oberhausen« vorgestellt. Die Stimmung auf der Veranstaltung ist gut, auch wenn zu diesem Zeitpunkt bereits klar ist, dass die von der »Free Charlie«-Kampagne angestrebte Streichung des »Gotteslästerungsparagrafen« nach dem Bruch der Ampelkoalition nicht mehr von Erfolg gekrönt sein wird.
- »Piraten kapern Düsseldorfer Kirchentag«: Nur zwei Tage nach der Vorstellung des »Free Charlie«-Films in Oberhausen kommt es in Düsseldorf am 9. Januar zu einer weiteren Pressekonferenz, die für Schlagzeilen sorgt (u.a. eine Titelseite im »Express«). Anlass ist hier die erste öffentliche Präsentation des Vereins »40. Deutscher Evangelischer Kirchentag Düsseldorf 2027 e.V.« – jenes Vereins, dem Stadt, Land und Bund im Vorfeld Millionenzuschüsse für die Durchführung des Evangelischen Kirchentags 2027 zugesagt haben. Allerdings stammen die Verantwortlichen des Vereins nicht aus der evangelischen Kirche, sondern aus dem Umfeld der gbs (insbesondere dem »Düsseldorfer Aufklärungsdienst«), einer der Vorstände ist sogar Vorsitzender der »Kirche des Fliegenden Spaghettimonsters«. Dies sorgt nicht nur für Heiterkeit auf der Pressekonferenz, sondern auch für eine bange Frage unter Protestanten: Wird der »40. Deutsche Evangelische Kirchentag« 2027 in Düsseldorf tatsächlich mit einer »Nudelmesse« eröffnet?
- Zwei Tage nach der Pressekonferenz (11. Januar) gibt der Alternative Kirchentagsverein den Forderungen der Protestanten augenzwinkernd nach und löst den Verein auf. In der Pressemitteilung heißt es dazu: »Wir sind freundliche Piraten: Wer von uns nicht gekapert werden möchte, dem drängen wir uns nicht auf! Mit unserem guten Namen kann die Kirche nun Subventionen in Höhe von 13 Millionen Euro abrufen.« Peter Kurz hat die Vorgänge um den subversiven Streich in Düsseldorf am 17. Januar für den »Humanistischen Pressedienst« (hpd) zusammengefasst.
- »Die Deutsche Islamkonferenz sollte aufgelöst werden!«: Mit dieser Forderung tritt der prominent besetzte »Arbeitskreis Politischer Islam« am 31. Januar erstmals an die Öffentlichkeit. Der »AK Polis«, dem u.a. Hamed Abdel-Samad, Lale Akgün, Seyran Ateş, Ralph Ghadban, Necla Kelek, Ahmad Mansour und Ali Ertan Toprak angehören, war einige Monate zuvor am gbs-Sitz in Oberwesel gegründet worden. In seiner Pressemitteilung macht der AK deutlich, dass sich Islamismus und Rechtsextremismus gegenseitig hochschaukeln, weshalb es höchste Zeit sei, »aus dieser Eskalationsspirale auszubrechen«. Neben der Auflösung der DIK fordert der AK Polis u.a. die Einsetzung eines »Expertenkreises Politischer Islam« bei der Bundesregierung – eine Forderung, die mittlerweile (unter Beteiligung von AK-Mitgliedern) vom Bundesinnenministerium umgesetzt wurde. Weitere Infos zum AK Polis findet man auf der Website des Arbeitskreises, darunter auch die Gründungsresolution, die darlegt, wie es gelingen kann, sowohl Islamismus als auch Muslimenhass effektiv zu bekämpfen.
Februar
- »Der tragische Held der Geistesfreiheit«: Zum 425. Todestag von Giordano Bruno, der am 17. Februar 1600 als »halsstarriger Ketzer« auf dem Scheiterhaufen verbrannt wurde, würdigt die gbs ihren Namenspatron mit einem Artikel auf ihrer Website sowie einem Auszug aus der Video-Collage »Passion Giordano Bruno« nach dem gleichnamigen Oratorium des Komponisten Gerhard Wimberger (Mitglied des gbs-Beirats bis zu seinem Tod im Jahr 2016). Zudem findet am 17. Februar 2025 in Berlin eine Gedenkfeier zum 425. Todestag an der Giordano-Bruno-Statue von Alexander Polzim statt, die 2008 mit Unterstützung der Giordano-Bruno-Stiftung am Potsdamer Platz aufgestellt wurde. Später im Jahr veröffentlicht der renommierte Historiker und Bruno-Biograf Volker Reinhardt einen ausführlichen Artikel über den »freiesten aller Freidenker«, der sich jedem Gruppenzwang widersetzte, im bruno.-Jahresmagazin 2025 (»Der nach den Sternen griff«).
- Die Ampelkoalition war auch aus säkularer Sicht eine Enttäuschung: SPD, FDP und Grüne haben das historische Zeitfenster nicht genutzt, um längst überfällige Gesetzesänderungen durchzusetzen und die weltanschauliche Neutralität des Staates zu stärken. Eine KI hätte diese Aufgabe wohl besser bewältigt, wie ein Gesetzentwurf von ChatGPT zeigt, den der »Zentralrat der Konfessionsfreien« initiiert hat. Die gbs animiert dies am 19. Februar zu einem ketzerischen Kommentar mit dem Titel »Sollte man die Bundesregierung durch eine KI ersetzen?«
- Wie nehmen unsere nächsten Verwandten, die Menschenaffen, die Welt wahr? Wie sieht die für uns völlig fremde Sinneswelt der Insekten aus? Mit den Empfindungswelten der Tiere, ihrer Leidensfähigkeit und den Grenzen des Bewusstseins befassen sich vier Vorträge hochkarätiger Fachleute in der Veranstaltungsreihe »Vom Reiz der Sinne«. Zwei der Vorträge, die von Kortizes in Kooperation mit der gbs und dem Bildungszentrum Nürnberg ausgerichtet werden, finden im Februar statt, jeweils einer im Januar und März.
März
- »Selbst CDU-Wähler halten die Kirchen für unwichtig«: Die »Forschungsgruppe Weltanschauungen in Deutschland« (fowid) hat den aktuellen Datensatz »ALLBUS 2023« im Hinblick auf die Einstellungen der Bevölkerung zu Kirche und Religion analysiert. Über die Ergebnisse ist selbst fowid-Leiter Carsten Frerk überrascht, wie die gbs am 1. März (knapp eine Woche nach der Bundestagswahl) meldet: »Einiges war zu erwarten – etwa, dass 96 Prozent der Konfessionsfreien der Aussage zustimmen, dass die Kirchen für sie unwichtig sind. Schon etwas erstaunlicher ist, dass dies auch auf 65 Prozent der katholischen und evangelischen Kirchenmitglieder zutrifft.« Dabei spielt die Parteipräferenz kaum eine Rolle: »Die überwältigende Mehrheit der Wählerinnen und Wähler aller Parteien hält die Kirchen für unwichtig. Selbst CDU/CSU-Wähler stimmen mit 65 Prozent der Aussage zu, dass die Kirchen in ihrem Leben unwichtig sind.«
- »So geht morgen!«: Vom 13. bis 14. März findet an der TU Berlin der 9. Internationale »Cradle to Cradle-Congress« statt. Unter der Schirmherrschaft von Bundesumweltministerin Steffi Lemke kommen am 13. und 14. März rund 80 Speaker*innen und rund 1.000 Teilnehmende aus Wirtschaft, Politik, Wissenschaft und Zivilgesellschaft zusammen, um darüber zu diskutieren, wie der Mensch vom »Umweltschädling« zum »Umweltnützling« werden kann. »Cradle to Cradle« (»Von der Wiege zur Wiege«, kurz: C2C) wurde von dem Chemiker Michael Braungart (gbs-Beirat) und dem US-amerikanischen Architekten William McDonough entwickelt. Zunehmend findet der Ansatz auch in Wirtschaft und Politik Unterstützung. Die Giordano-Bruno-Stiftung fördert die Arbeit der »Cradle to Cradle NGO« seit vielen Jahren, da C2C in vorbildlicher Weise Ökologie und Humanismus miteinander verbindet.
- Wie gehen wir mit dem Tod um, der uns alle irgendwann einholt? Wie reagiert der moderne Mensch, dem Gott längst als veraltetes Konzept erscheint, auf die unaufhaltsame Realität des eigenen Todes und den Verlust seiner Liebsten? Diesen Fragen geht der Filmemacher Moritz Terwesten in seinem Dokumentarfilm »Sterben ohne Gott« nach, der – mit Unterstützung der Giordano-Bruno-Stiftung – am 15. März 2025 in die Kinos kommt. Eine tragende Rolle im Film spielt der Philosoph (und gbs-Beirat) Franz Josef Wetz, der in der für ihn typischen Gelassenheit die Ungeheuerlichkeiten auf den Punkt bringt, die die meisten Menschen nicht wirklich wahrhaben wollen: »Gehen wir auf die Friedhöfe, dort lesen wir auf den Grabsteinen: ›Hier ruht in Frieden…‹ Aber dort ruht niemand – und schon gar nicht in Frieden! ›Dort fault in Erde‹, bestenfalls…«
- Am 25. März ist die gbs-Aktionsgruppe »11. Gebot« mit dem »Hängemattenbischof« vor Ort, um Aufmerksamkeit für die beiden wegweisenden Schmerzensgeldprozesse zu schaffen, die an diesem Tag vor dem Landgericht Köln verhandelt werden. Im ersten Fall geht es um die Pflegetochter eines wegen Missbrauchs zu zwölf Jahren verurteilten Priesters, die gegenüber dem Erzbistum Köln auf eine Entschädigung von rund 850.000 Euro klagt und in der Obhut des Priesters mehrfach vergewaltigt, von ihm schwanger und zur Abtreibung gezwungen wurde. Der zweite Fall betrifft eine ehemalige Messdienerin, die vom damaligen Leiter ihrer Messdienergruppe rund 200-mal, erstmals schon im Alter von sechs Jahren, sexuell missbraucht wurde. Die 39-Jährige, die wegen der traumatischen Vorfälle bis heute in Behandlung ist, klagt auf eine Entschädigung in Höhe von 800.000 Euro.
***
2. Quartal: April bis Juni
April
- Es ist ein historischer Wendepunkt: Erstmals in der Geschichte Deutschlands stellen konfessionsfreie Menschen einen größeren Bevölkerungsanteil als Katholiken und Protestanten zusammengenommen. Dies geht aus den Daten hervor, welche die »Forschungsgruppe Weltanschauungen in Deutschland« (fowid) am 2. April auf ihrer Website veröffentlicht. Wirft man einen Blick auf die gesellschaftliche Entwicklung seit der deutschen Reichsgründung 1871, wird deutlich, dass sich der Bevölkerungsanteil der katholischen und evangelischen Kirchenmitglieder (von ursprünglich 98 Prozent auf nunmehr 45 Prozent) mehr als halbiert hat, während der Anteil der konfessionsfreien Menschen (von ursprünglich unter einem Prozent auf 47 Prozent) etwa um den Faktor 50 gestiegen ist. fowid-Leiter Carsten Frerk geht davon aus, »dass die konfessionsfreien Menschen noch in diesem Jahrzehnt die absolute Mehrheit in Deutschland stellen werden«.
- Die Grenzen des Wissens: Die Entschlüsselung des Genoms in der Biologie, die Aufklärung über das Bewusstsein und die Willensfreiheit in den Neurowissenschaften oder über Dunkle Materie und Schwarze Löcher in der Astrophysik – eine Erkenntnis jagt die nächste. Aber wissen wir, wie verlässlich die Erkenntnisse sind, die uns die Wissenschaft aktuell anbietet? Werden wir alle offenen Fragen irgendwann beantworten können oder gibt es welche, die uns grundsätzlich verschlossen bleiben werden? Darum geht es auf dem Nicolaus-Copernicus-Symposium, das vom 4. bis 6. April in Nürnberg stattfindet und von ZIWIS, Kortizes und dem Nicolaus-Copernicus-Planetarium in Kooperation mit der gbs ausgerichtet wird.
- Alle Jahre wieder erinnern säkulare Gruppen daran, dass das »Tanzverbot« an Karfreitag laut einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts nicht für diejenigen gilt, die aus weltanschaulichen Gründen gegen die »Stillen Tage« antanzen. Aus diesem Grund finden in der Karwoche 2025 (17. – 20. April) zahlreiche »Heidenspaß-Partys« in Deutschland statt sowie Aufführungen des Monty-Python-Films »Das Leben des Brian«, der aufgrund der Feiertagsgesetze auch nicht öffentlich gezeigt werden darf, sofern dies nicht weltanschaulich begründet wird. Allein in München kommt es auf Initiative des »bfg München« von Gründonnerstag bis Ostersonntag zu rund 40 Veranstaltungen in 28 Clubs, Bars und Tanzschulen. Auch gbs-Regionalgruppen gehören zu den Veranstaltern wie in Konstanz, Stuttgart und Bochum.
- »Ein Wolf im Schafspelz«: Kaum war er tot, wurde der argentinische Papst von Staatsführern weltweit als »Anwalt der Menschlichkeit« gepriesen. Michael Schmidt-Salomon wirft im hpd-Interview einen deutlich anderen Blick auf das Pontifikat des Mannes, der am 17. Dezember 1936 als Jorge Mario Bergoglio in Buenos Aires geboren wurde und am Ostermontag (21. April 2025) als Papst Franziskus in der Vatikanstadt starb. Alles in allem sei Franziskus kein »Anwalt der Menschlichkeit« gewesen, sondern »ein sympathisches, lächelndes Gesicht, das eine zutiefst menschenverachtende Ideologie kaschierte«.
Mai
- Anfang Mai erhält der evangelische Kirchentag in Hannover prominenten geistlichen Besuch: Mit der Skulptur des Moses, der auf das »11. Gebot« hinweist (»Du sollst deinen Kirchentag selbst bezahlen!«), und dem »nackten Luther«, der den eliminatorischen Judenhass des Reformators aufdeckt, setzt die gbs-Kunstaktion »11. Gebot« abermals einen Kontrapunkt zum christlichen Glaubensfest. Dabei handelt es sich um ein besonderes »Jubiläum«, denn seit 11 Jahren besucht das von David Farago geleitete Aktionsteam »11. Gebot« evangelische, katholische oder ökumenische Kirchentage. An der öffentlichen Subventionierung der christlichen Glaubensfeste, die Jahr für Jahr stattfinden, hat sich bislang allerdings noch nichts geändert.
- Die Konfessionsfreien in Deutschland – das sind rund 37 Millionen Menschen, davon 30 Millionen älter als 18 Jahre. Was ist ihnen eigen? Und was unterscheidet sie von Kirchenmitgliedern? Am 1. Mai berichtet die gbs über eine dreiteilige fowid-Untersuchung, die diesen Fragen nachgehen will. Der erste Teil erscheint auf fowid.de bereits am 30. April, der zweite folgt am 27. Mai, der dritte am 27. Juni. Dabei lässt sich u.a. eine größere weltanschauliche Homogenität bei den Konfessionsfreien feststellen als bei den Kirchenmitgliedern. So verstehen sich 92 Prozent der Konfessionsfreien als »nicht-religiös«, während die Kirchenmitglieder in dieser Frage sehr gespalten sind.
- »Wie wäre eine gute Zukunft?«: Am 22. Mai schreibt das Hans-Albert-Institut (HAI) zusammen mit der gbs einen Essay-Wettbewerb zum 80. Geburtstag von Prof. Dr. Dr. h.c. Dieter Birnbacher (gbs-Beirat) aus. Einsendeschluss ist der 1. Januar 2026. Die Essays sollen ca. 1.000 – 3.000 Wörter umfassen. Inhaltlich sollen sich die Beiträge entweder der Kategorie 1 »Verantwortung für die Zukunft« oder der Kategorie 2 »Die Zukunft der Bio- und Medizinethik« zuordnen lassen. In beiden Kategorien erhalten die jeweils Erstplatzierten einen Geldpreis von 1.000 Euro, die Zweitplatzierten einen Preis von 500 Euro und die Drittplatzierten einen Preis von 250 Euro. Über die Prämierung entscheidet eine interdisziplinäre und hochkarätige Jury.
- Beim Stipendiat*innen-Treffen des »Bertha von Suttner-Studienwerks«, das vom 23. bis 25. Mai am Stiftungssitz in Oberwesel stattfindet, wird erneut lebhaft über ein breites Spektrum an Themen diskutiert. So stellt der Raumfahrtingenieur Prof. Dr. Andreas Hein die Frage »Könnte die Menschheit mit Generationenschiffen zu den Sternen reisen?«, während der Philosoph Prof. Dr. Dr. Dieter Birnbacher die »Grundzüge einer säkularen (Bio-)Ethik« skizziert und Zeinab Herz über ihre Erfahrungen mit der »Illiberalität des Politischen Islam« berichtet. Wenige Tage nach diesem ebenso spannenden wie unterhaltsamen Treffen muss das BvS bekanntgeben, dass 2025 keine weiteren Stipendiaten mehr aufgenommen werden können. Grund für die Reduzierung der BvS-Stipendien von 20 auf 10 sei ein »doppelter Tiefschlag vonseiten öffentlicher Stellen«.
- »Fakten, Mythen, Kontroversen«: Vom 29. bis 31. Mai findet in Regensburg die »SkepKon 2025« statt. Dabei geht es nicht nur um wissenschaftliche Fakten und pseudowissenschaftliche Mythen, sondern auch um brandaktuelle gesellschaftliche Kontroversen – von der neuen Trump-Administration über Künstliche Intelligenz bis zu wissenschaftlichen Tabus. Die mehrtägige Veranstaltung wird von der Gesellschaft zur wissenschaftlichen Untersuchung von Parawissenschaften mit Unterstützung von »Scientific Temper« und der gbs ausgerichtet.
Juni
- Zum siebten Jahrestag von Söders »Kreuzerlass« am 1. Juni bekommt Bayern eine »Religionsfreie Zone«: Auf dem Münchner Marienplatz veranstalten die Giordano-Bruno-Stiftung und der Bund für Geistesfreiheit München unter der Leitung von David Farago ein »Straßenspektakel« zur Kunstaktion »Kreuz der Vielfalt«, das mit einem unterhaltsamen Bühnenprogramm mit Musik und Redebeiträgen aufwartet. Die Botschaft ist klar: Für ein weltoffenes, säkulares und weltanschaulich neutrales Bayern und gegen einseitige religiöse Bevorzugung im öffentlichen Raum.
- »Im Konfliktfall entscheide ich mich für die Gesundheit der Frauen – und gegen die Dogmen der Kirche«: Nach dem Ende der Ampelregierung und dem im Parlament knapp gescheiterten Versuch zur Entkriminalisierung des Schwangerschaftsabbruchs herrschte große Ernüchterung in den Reihen der »Pro Choice«-Aktivist*innen. Doch dann bringt der Fall »Joachim Volz« neuen Schwung in die bereits abgeschriebene Debatte. Am 2. Juni meldet die gbs, dass sie den erfahrenen Gynäkologen (u.a. mit dem «Institut für Weltanschauungsrecht«) unterstützt, dem vom »christlichen Krankenhaus« Lippstadt untersagt wird, wie bisher medizinisch indizierte Schwangerschaftsabbrüche vorzunehmen. Der Rechtsfall könnte viele »Selbstverständlichkeiten« in Frage stellen – nicht nur das kirchliche Arbeitsrecht, sondern auch die Rolle konfessioneller Träger in der Wohlfahrtspflege sowie die gesetzlichen Bestimmungen zum Schwangerschaftsabbruch und zur Fortpflanzungsmedizin.
- »Der freundliche Transhumanist«: Er träumte von einer »Menschheit 2.0« und von »Maschinen mit Bewusstsein«: Am 19. Juni stirbt der Physiker, Autor und langjährige gbs-Beirat Bernd Vowinkel. In dem Nachruf, den die gbs wenige Tage später veröffentlicht, heißt es u.a.: »Selbstverständlich verspürte Bernd, der zwar ein Technik-Nerd war, aber auch ein echter Menschenfreund, keine Sehnsucht nach dem biologischen Ende unserer Spezies. Vielmehr betrachtete er den (noch fernen) Aufbau einer »posthumanen Zivilisation« angesichts der kosmischen Realitäten (so wird sich unsere Sonne in einigen Jahrmillionen zu einem Roten Riesen aufblähen und alles Wasser auf der Erde verdampfen) als empirische Notwendigkeit, wenn denn der Wissensschatz der Menschheit in irgendeiner Weise gerettet werden soll. Humanismus und Transhumanismus stellten in seinem Denken keine Gegensätze dar, sondern ergänzten sich.«
***
3. Quartal: Juli bis September
Juli
- »Schluss mit religiösen Vorschriften in öffentlichen Krankenhäusern!«: Am 15. Juli ruft die gbs zu einer Demo am 8. August in Lippstadt und zur Unterzeichnung einer von Prof. Dr. Joachim Volz eingereichten Petition gegen das »katholische Abtreibungsverbot« auf. Dass Ärztinnen und Ärzte ihre Patientinnen »selbst bei schweren Fehlbildungen des Fötus, bei Schwangerschaften nach Vergewaltigungen oder mit immensen gesundheitlichen Risiken im Stich lassen« müssen, ist für Volz »schlicht unterlassene Hilfeleistung«. Daher plädiert er für eine »ehrliche, ideologiefreie Debatte, die schon lange überfällig ist«. Im Rahmen einer solchen Debatte müssten auch die geltenden Strafrechtsnormen (§§ 218ff.) reformiert werden, da sie an der Realität vorbeizielen. So sollte die künstliche Unterscheidung zwischen einer als »rechtmäßig« geltenden medizinischen Indikation und einer angeblich »rechtswidrigen«, wenn auch straffreien, selbstbestimmten Entscheidung der Frau aufgehoben werden. Denn in Wahrheit, so Volz, »liegt beiden Fällen das legitime Recht einer jeden Frau zugrunde, nach ärztlicher Beratung zu entscheiden, ob sie sich eine Fortführung ihrer Schwangerschaft in ihrem höchstpersönlichen Kontext zumuten kann.«
- Um der Lippstädter Demo und der Volz-Petition mehr Aufmerksamkeit zu verschaffen, veröffentlicht die gbs kurz darauf drei Sharepic-Serien auf den sozialen Plattformen: Mit der ersten Serie »Meine Hilfe ist keine Sünde« werden Demo und Petition direkt beworben. Mit der zweiten Serie »Kleine Nachhilfestunde für CDU-Abgeordnete« reagiert die gbs auf die Debatte um Frauke Brosius-Gersdorf (die auch deshalb als BVerfG-Kandidatin diskreditiert wurde, weil sie in dem von der gbs begleiteten Verfahren von Kristina Hänel mitgewirkt und ein Gutachten im Auftrag des »Instituts für Weltanschauungsrecht« erstellt hatte). In der dritten Serie »Willkommen im UTERUS-WUNDERLAND« deckt die Stiftung Fakten auf, die den »Irrsinn der Debatte um den Schwangerschaftsabbruch« enthüllen, etwa, dass 70 Prozent der befruchteten Eizellen spontan abgehen (natürlicher Abort). Demnach müsste Deutschland (zusätzlich zu den amtlichen Sterbezahlen) Jahr für Jahr den Tod von 1,6 Millionen Staatsbürgern betrauern, wenn man denn tatsächlich annehmen würde, dass befruchtete Eizellen bereits »Menschenwürde« besäßen. (Zu Dokumentationszwecken wurden die drei Sharepic-Serien auf der gbs-Website nachträglich in der Anlage des ursprünglichen Demoaufrufs veröffentlicht.)
August
- »Fällt § 218 StGB doch noch?«: Die Demo am 8. August in Lippstadt, an der rund 2000 Personen teilnehmen, ist ein großer Erfolg und schafft es sogar in die »Tagesschau« und ins »heute Journal«. Dass das Gericht in Lippstadt die Klage von Joachim Volz am selben Tag abweist, steigert die Empörung über die Anmaßungen der katholischen Kirche zusätzlich (eine Parallele zur Strategie der »erfolgreichen Niederlage« im Fall von Kristina Hänel, der zur Abschaffung des § 219a StGB führte). Dies scheint auch in der SPD-Bundestagsfraktion angekommen zu sein, die den Beschluss fasst, konfessionelle Krankenhäuser zur Durchführung von Schwangerschaftsabbrüchen zu verpflichten. Ein solcher Schritt ist nach Einschätzung der Giordano-Bruno-Stiftung in der aktuellen politischen Lage auch mit Blick auf das Schwerpunktthema 2025 dringend erforderlich, da christliche Nationalisten den Kampf gegen Abtreibung weltweit gezielt vorantreiben, um die Freiheitsrechte der offenen Gesellschaft zu untergraben – eine Entwicklung, vor der die gbs schon seit Jahren warnt.
- »Kunstfreiheit statt Kirchenlobbyismus!«: Am 21. August findet eine Demonstration mit Podiumsgespräch vor dem Theater Osnabrück statt. Anlass ist die Absetzung des kirchenkritischen Stücks »Ödipus Exzellenz«, mit dem die Spielzeit des Theaters eigentlich eröffnet werden sollte. Organisiert wird die Gegenveranstaltung vom künstlerischen Team der abgesetzten Produktion, unterstützt von der Aktionsgruppe »11. Gebot« der Giordano-Bruno-Stiftung. Die »Ödipus«-Inszenierung sollte das Thema »Sexualisierte Gewalt in der katholischen Kirche« aufgreifen, was durch den Eingriff des Intendanten in die Kunstfreiheit verhindert wurde.
September
- Im September feiert die Stiftung die runden Geburtstage zweier starker Frauen, die das säkulare Denken auf ihre jeweils eigene Weise vorangebracht haben. Zum 80. Geburtstag der Juristin und Politikerin Ingrid Matthäus-Maier (gbs-Beirätin und Mitgründerin des »Instituts für Weltanschauungsrecht«) erscheint am 9. September der Artikel »Die Vorkämpferin«, der u.a. an das von ihr (mit-)verfasste FDP-Positionspapier »Freie Kirche im freien Staat« erinnert, das schon vor mehr als 50 Jahren die strikte Trennung von Staat und Kirche gefordert hat. Am 16. September, dem 90. Geburtstag der Schriftstellerin Esther Vilar, veröffentlicht die gbs eine Laudatio auf die »Grande Dame des autonomen Denkens«, die trotz aller Widerstände »stets ihren eigenen Weg gegangen ist und dabei Tabu um Tabu zertrümmerte, um uns zum Nachdenken anzuregen«.
- »Ist der Humanismus noch zu retten?«: Am 22. September erscheint die aktuelle Ausgabe des bruno.-Jahresmagazins, das sich vorrangig der Frage widmet, was wir den gefährlichen Identitätspolitiken von Putin, Trump, Erdogan & Co. entgegensetzen können und ob die von der Stiftung propagierte »Leitkultur Humanismus und Aufklärung« noch zeitgemäß ist. Bei der Erörterung dieser Themen spannt das Magazin einen breiten Bogen – von Giordano Bruno, der sein eigenständiges Denken vor 425 Jahren mit dem Leben bezahlen musste, über die mutigen Frauen des »AK Polis«, die trotz immensem Druck den »Politischen Islam« kritisieren, bis hin zu verzweifelten Grundschullehrer*innen, die in einem schlecht konfigurierten Bildungssystem kaum Unterstützung gegen gruppenidentitäres Mobbing erfahren. Zudem zeigt das Heft auf, wie sich identitäre Mythen mit sozialwissenschaftlichen Fakten aushebeln lassen und warum es Populisten so leicht fällt, die »religiös-nationalistische Identitätskarte« gegen die Idee der EINEN Menschheit auszuspielen.
***
4. Quartal: Oktober bis Dezember
Oktober
- »Identität im Wandel«: Vom 3. bis 5. Oktober findet im Germanischen Nationalmuseum in Nürnberg das »Kortizes-Symposium 2025« statt. Es ist die erste der drei Großveranstaltungen, die von der gbs im Rahmen ihres diesjährigen Schwerpunktthemas »Mein Kopf gehört mir!« unterstützt werden. Das Symposium, das maßgeblich von gbs-Kurator Rainer Rosenzweig und gbs-Mitarbeiter Helmut Fink verantwortet wird, beginnt mit einem Eröffnungsvortrag von Prof. Dr. Joachim Bauer über »Das wandelbare Selbst – Identität in digitalen Zeiten«. Vonseiten der Giordano-Bruno-Stiftung sind Prof. Dr. Eckart Voland (»Die biologische Evolution von Kollektivismus. Oder: Ein Affe ist kein Affe«) sowie Dr. Dr. h.c. Michael Schmidt-Salomon (»Weltbürger statt Reichsbürger: Kann uns der Sprung in eine ›nichtidentitäre Identität‹ gelingen?») mit Vorträgen auf dem Symposium vertreten. In seinem Referat wie auch in der abschließenden Podiumsdiskussion »Sprengstoff Identität« schafft Schmidt-Salomon eine Verbindung zwischen dem diesjährigen und dem vorangegangenen gbs-Schwerpunktthema (»Die Menschheit im Anthropozän«), indem er darlegt, dass die Menschheit die »identitären Gefängnismauern« sprengen müsse, um ihrer planetaren Verantwortung gerecht zu werden.
- »Auf dem Weg in die säkulare Gesellschaft«: In den letzten 20 Jahren haben sich die weltanschaulichen Verhältnisse rasant verändert: Deutschland gilt inzwischen als »säkulares Land«. Doch was heißt das – und was folgt daraus? Sind die deutschen Kirchen tatsächlich »absterbende Kulturerscheinungen« oder führt die Re-Sakralisierung der Politik, die u.a. in Russland und in den USA betrieben wird, zu einem Wiedererstarken der Religion? Mit diesen Fragen, die eng mit dem diesjährigen gbs-Schwerpunktthema verknüpft sind, beschäftigt sich eine hochkarätig besetzte Tagung, die anlässlich des 20-jährigen Bestehens der »Forschungsgruppe Weltanschauungen in Deutschland« (fowid) und des 80. Geburtstags von fowid-Leiter Carsten Frerk am 25. Oktober in der Friedrich-Ebert-Stiftung Berlin stattfindet.
- Auf der fowid-Tagung in Berlin stellt Frerk u.a. die ersten Ergebnisse einer aktuellen fowid-Umfrage vor. Demnach meinten 53 Prozent der katholischen und evangelischen Kirchenmitglieder, heute als Erwachsene »wahrscheinlich nicht« (33 Prozent) oder «sicher nicht« (20 Prozent) in die Kirche eintreten zu wollen. Die Meldung »Über die Hälfte aller Kirchenmitglieder würde nicht erneut eintreten« schafft es bereits kurz nach Frerks Vortrag am 25. Oktober in die deutschen Leitmedien (u.a. »ZEIT« und »ZDF-heute«), auch kirchliche Portale greifen die Meldung auf (siehe u.a. »domradio« und »katholisch.de«). Am 27. Oktober wird die ausführliche Auswertung der Daten auf fowid.de veröffentlicht, gefolgt von einer zweiten Analyse, die zeigt, dass zwei Drittel der Kirchenmitglieder (66 Prozent) »sicher« (33 Prozent) bzw. «wahrscheinlich« (ebenfalls 33 Prozent) aus der Kirche austreten würden, falls die Kirchen »nur wenig oder fast gar nichts von der Kirchensteuer für soziale Zwecke ausgeben«. Mit Blick auf die realen Sozialinvestitionen der Kirchen ist dieser Befund erstaunlich, denn tatsächlich geben Kirchen »nur wenig« (konfessionelle Kitas) oder «fast gar nichts« (konfessionelle Krankenhäuser) für soziale Zwecke aus.
November
- »Große Mehrheit für den weltanschaulich neutralen Staat«: 84 Prozent der Deutschen vertreten die Auffassung, Politikerinnen und Politiker sollten »weltanschaulich neutral entscheiden«, 76 Prozent stimmen der Überzeugung zu, dass sich ethisch-moralische Entscheidungen »auf Vernunft und Mitgefühl« stützen sollten, »nicht auf göttliche Gebote«. Dies meldet die gbs am 6. November auf ihrer Website und beruft sich dabei auf eine Datenanalyse, die fowid am Tag zuvor veröffentlicht hat. Die Ergebnisse der repräsentativen Umfrage, die im Auftrag von fowid durchgeführt wurde, verdeutlichen, wie weit der Prozess der Säkularisierung in Deutschland vorangeschritten ist. Dies zeigt sich sowohl mit Blick auf die weltanschaulichen Haltungen der Bürgerinnen und Bürger, die mehrheitlich humanistischen Überzeugungen zustimmen, als auch hinsichtlich ihrer Einstellungen zur weltanschaulichen Neutralität des Staates.
- »Die Kraft des Arguments«: Mit rund 3500 Besucherinnen und Besuchern ist die zweite Auflage des »Philo.live!«-Festivals (14. bis 16. November in Berlin) abermals ein Erfolg – nicht nur in quantitativer, sondern auch in qualitativer Hinsicht. Denn das philosophische Setting des Festivals sorgt dafür, dass die Diskutanten (u.a. Juli Zeh, Peter Sloterdijk, Sönke Neitzel, Barbara Bleisch, Daniel Cohn-Bendit, Ricarda Lang, Bernhard Schlink, Sahra Wagenknecht und Michel Friedman) deutlich unvoreingenommener auf die Argumente ihrer Gesprächspartner eingehen können, als dies gemeinhin in öffentlichen Debatten geschieht. Damit bildet die abermals vom »Philosophie Magazin« und der »Phil Cologne« organisierte »Philo.live!« einen gelungenen Abschluss des dreiteiligen Veranstaltungszyklus im Rahmen des gbs-Schwerpunktthemas.
- »Die autoritäre Bedrohung«: Auf Einladung des »Düsseldorfer Aufklärungsdienstes« fasst Michael Schmidt-Salomon am 26. November in einem Vortrag noch einmal die wesentlichen Inhalte des Schwerpunktthemas zusammen, indem er aufzeigt, wie die »Internationale der Nationalisten« entstanden ist und was wir ihr entgegensetzen können. Dabei spannt er einen weiten Bogen von den biologischen Grundlagen der Gruppenbindung bis hin zu den sozioökonomischen Entwicklungen, die zur Globalisierung und Säkularisierung geführt haben, jedoch als Gegenreaktion auch einen neuen Boom von Nationalismus und Fundamentalismus auslösten. Besonderes Augenmerk legt er dabei auf die Strategien politischer »Identitäter« (u.a. Putin, Trump, Bannon, Erdogan, Netanjahu) sowie auf die Interessen von Tech-Milliardären wie Peter Thiel und Elon Musk, die sich der sogenannten »dunklen Aufklärung« verschworen haben. Aussichtslos ist der Kampf gegen diese »autoritäre Bedrohung« indes nicht, denn auch nationaler Chauvinismus und religiöse Intoleranz rufen Gegenreaktionen hervor – und so könnte es durchaus sein, dass das säkulare, an den Menschenrechten orientierte Europa gestärkt aus den aktuellen Auseinandersetzungen hervorgehen wird.
- »Ein unermüdlicher Streiter für die Freiheit«: Der Schweizer DIGNITAS-Gründer, gbs- und ifw-Beirat Ludwig A. Minelli stirbt am 29. November in genau der Weise, in der er auch gelebt hatte: selbstbestimmt. In einem sehr persönlich gehaltenen Nachruf, der u.a. auf der gbs-Website erscheint, erinnert Michael Schmidt-Salomon an seinen Stiftungskollegen, langjährigen Mitstreiter und Freund. Darin heißt es: »Es gibt so vieles, was ich vermissen werde – nicht nur seine hilfreichen Kommentare zu meinen Texten, sondern auch seine ungewöhnlichen Beiträge auf unseren Beiratstreffen, seine listigen Ideen, wie man die Prinzipien von Humanismus und Aufklärung weiter verbreiten könnte, seinen spitzbübischen Humor, seine Klugheit und auch die leckere Schokolade, die er so gerne aus der Schweiz mitbrachte und großzügig unter den Anwesenden verteilte. Wir werden Ludwig A. Minelli, diesen unermüdlichen, gewitzten, hartnäckigen Streiter für Freiheit und Gerechtigkeit, in liebevoller Erinnerung behalten.«
Dezember
- »Gemeinsam Ethik statt getrennt Religion«, lautet eine bildungspolitische Kernforderung der Giordano-Bruno-Stiftung und des Zentralrats der Konfessionsfreien. Möglich wäre dies nach Art. 7 Abs. 3 des Grundgesetzes nur in sogenannten »bekenntnisfreien Schulen«. Umso erfreulicher ist daher die Nachricht, die die gbs am 4. Dezember auf ihrer Website veröffentlichen kann. Denn daraus geht hervor, dass die Einrichtung »bekenntnisfreier Schulen« nun auch von der »Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft« (GEW) vorangetrieben wird, der bundesweit einflussreichsten Interessenvertretung im Bildungsbereich. Dieser Erfolg ist nicht zuletzt dem Zentralrat der Konfessionsfreien zu verdanken, der 2025 in Sachen »Bekenntnisfreie Schule« zahlreiche Gespräche mit Vertretern der Politik und der Gewerkschaften führte. Dass sich die größte Bildungsgewerkschaft Deutschlands nun hinter die Forderung nach einer bekenntnisfreien Schule und einem gemeinsamen Ethikunterricht stellt, also genau das Ziel verfolgt, das die gbs Anfang Januar im Rahmen ihres Schwerpunktthemas dargelegt hat, ist sicherlich eines der Highlights der vergangenen 12 Monate.
- Auf Initiative des AK Polis startet am 16. Dezember eine Großplakat-Aktion in Hamburg. Dabei fordert ein breites, aus Muslimen und Nicht-Muslimen bestehendes Bündnis, das beschlagnahmte Mullah-Zentrum an der Außenalster (IZH) in eine »Gedenkstätte für die Opfer des Islamismus« umzuwandeln. Das Konzept »Fünf Pfeiler gegen Islamismus« umfasst eine Moschee für islamische Spiritualität unter verfassungskonformer Trägerschaft, eine Dokumentationsstelle Politischer Islam, einen Jugend-Bildungscampus sowie ein Jina-Kulturzentrum, benannt nach Jina Mahsa Amini, die 2022 im Iran wegen eines angeblichen Verstoßes gegen das Hidschab-Gesetz zu Tode kam.
***
Fazit
Mit ihrem Schwerpunktthema 2025 hat die gbs den Nerv der Zeit getroffen. Denn es wird immer wichtiger, identitären Gruppenbindungen entgegenzuwirken, die fast zwangsläufig zu »gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit« und gewaltsamen Konflikten führen. Daher sollten die Selbstbestimmungsrechte des Individuums sowie die Idee der EINEN Menschheit in den Vordergrund der politischen Debatten gerückt werden. Die Stiftung hat dies schon in der Vergangenheit getan, etwa mit den Kampagnen »Selbstbestimmung statt Gruppenzwang« (2013) und »Weltbürger statt Reichsbürger« (2018). In diesem Jahr hat sie diese antiidentitäre Doppelstrategie im Rahmen ihres Schwerpunktthemas noch einmal verstärkt und sie wird auch in Zukunft in diese Richtung wirken, um die universalistischen, humanistischen Grundwerte gegen partikulare Gruppeninteressen zu verteidigen.
Mit ihren begrenzten Mitteln hat die gbs 2025 erstaunlich viel erreichen können. Hervorzuheben sind dabei u.a. die Stiftungsaktivitäten im Fall des Lippstädter Chefarztes Joachim Volz, die zu einer Wiederbelebung der tot geglaubten Debatte über den Schwangerschaftsabbruch führten und ein starkes Gegengewicht zu den Bestrebungen christlicher Nationalisten bilden, die über den Kampf gegen Abtreibung die Freiheitsrechte der offenen Gesellschaft untergraben wollen. Inzwischen ist der Widerstand gegen die religiös forcierte Kriminalisierung des Schwangerschaftsabbruchs auch in der Ärzteschaft gewachsen. Die grundlegenden Argumente für die Entkriminalisierung hat Prof. Dr. Joachim Volz (zusammen mit Mitgliedern der gbs und des ifw) im November in der Fachzeitschrift »Die Gynäkologie«, dem Fortbildungsorgan der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (DGGG), veröffentlicht.
Ebenso bedeutsam war 2025 die gelungene Etablierung des »AK Polis«, der Ende Januar an die Öffentlichkeit ging. Schon im Juli bezeichnete Christoph de Vries (CDU), Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern (BMI), den AK als »Leuchtturm in der Zusammenarbeit«. Im November richtete das Bundesinnenministerium als ständiges Gremium einen »Beraterkreis Islamismusprävention und Islamismusbekämpfung« ein, dem einige Mitglieder des AKs angehören. Kurz zuvor hat das BMI mit dem Verbot von »Muslim Interaktiv« eine weitere Forderung aus der Gründungsresolution des AK Polis erfüllt, nämlich die Bekämpfung des sogenannten »TikTok-Islamismus«.
Besonders hervorzuheben ist auch die erfolgreiche Arbeit des »Zentralrats der Konfessionsfreien«, der die Aktivitäten des AK Polis maßgeblich unterstützte und die Debatte um den gemeinsamen Ethikunterricht an »bekenntnisfreien Schulen« enorm voranbrachte. Am 11. September veranstaltete der Zentralrat den ersten säkularen »Parlamentarischen Abend« im Kaisersaal des Bundestags (u.a. mit den SPD-Politikerinnen Kathrin Michel und Carmen Wegge, dem religionspolitischen Sprecher der Unionsfraktion Norbert Altenkamp und dem Verfassungsrechtler Horst Dreier). Auch bei der offiziellen Feier zum »Tag der Deutschen Einheit«, die vom 2. bis 4. Oktober in Saarbrücken stattfand, war der Zentralrat mit einem eigenen Stand vertreten und konnte wertvolle Kontakte knüpfen (u.a. zum ehemaligen SPD-Kanzlerkandidaten und heutigen Vorsitzenden der Friedrich-Ebert-Stiftung Martin Schulz).
Höhepunkte des Jahres waren zweifellos auch die drei Großveranstaltungen, welche die gbs im Rahmen ihres Schwerpunktthemas unterstützte: das Kortizes-Symposium »Identität im Wandel» (Nürnberg, 3.-5. Oktober), die fowid-Tagung zum 20-jährigen Bestehen der »Forschungsgruppe Weltanschauungen in Deutschland« unter dem Titel »Auf dem Weg in die säkulare Gesellschaft« (Berlin, 25. Oktober) sowie das »Philo.Live!-Festival 2025« (Berlin, 14.-16. November), das zeigte, dass auch hochbrisante politische Debatten unter einem »philosophischen Rahmensetting« produktiv verlaufen können.
Festzuhalten ist, dass mit der »autoritären Bedrohung« auch das Aufgabenspektrum der Stiftung gewachsen ist. Erfreulicherweise hat sich die gbs im vergangenen Jahr sowohl organisatorisch als auch finanziell weiterentwickeln können, so dass wir (mit Blick auf die Stiftung) optimistisch in die Zukunft blicken. Wir danken allen Spenderinnen und Spendern, Zustifterinnen und Zustiftern für ihre Unterstützung, ohne die die vielfältigen Aktivitäten der gbs und ihres Umfeldes gar nicht möglich wären!







































